Irak-Krise bestimmt auch politische Diskussionen Tschechiens

Foto: CTK

Die sich immer weiter zuspitzende Irak-Krise und die mit ihr einhergehenden Verwirrungen und Risse in der internationalen Diplomatie finden natürlich auch in den innenpolitischen Diskussionen vieler Staaten ihren Niederschlag. Nicht anders in der Tschechischen Republik. Mehr hören Sie von Gerald Schubert:

Foto: CTK
Tschechien ist seit vier Jahren NATO-Mitglied und hat im Falle internationaler Krisen schon öfter eine betont proamerikanische Haltung gezeigt. Dies ist gewiss auch als Reaktion auf die eigene Vergangenheit aufzufassen, wie etwa auf das Trauma des Münchner Abkommens, als 1938 unter Zustimmung europäischer demokratischer Staaten ein Teil der Tschechoslowakei an Hitler-Deutschland abgetreten wurde, oder auch auf die langjährige Erfahrung als Satellitenstaat des Sowjet-Reiches. Andererseits aber befindet sich Tschechien auch an der Schwelle zur Europäischen Union, welche in der Irak-Krise selbst keinen einheitlichen Standpunkt gefunden hat. Keine leichte Situation also für das Land und seine Integrationsbemühungen im Hinblick auf diverse internationale Strukturen.

Eine Wortmeldung des gegenwärtigen Vorsitzenden der UN-Generalversammlung hat nun die Diskussion in Tschechien um einen neuen Aspekt bereichert. Dieser Vorsitzende nämlich heißt Jan Kavan, und es handelt sich bei ihm um niemand anderen als um den ehemaligen tschechischen Außenminister. Gegenüber dem Tschechischen Rundfunk kritisierte Kavan nun die momentane Haltung der USA gegenüber der UNO:

"Die Einstellung der USA zu den Vereinten Nationen ist in hohem Maße zweckgerichtet, wenn nicht überhaupt schizophren. Denn einerseits wird gesagt, dass die UNO irrelevant ist, wenn sie eine amerikanische Resolution nicht unterstützt, andererseits aber berufen sich die USA auf die UNO-Resolution 1441 als Rechtfertigung für einen Angriff. Man will ja den Irak gerade deshalb angreifen, weil er die UN-Resolution nicht erfüllt."

Doch wie gesagt: In Tschechien hat das Lager jener, die das Vorgehen der USA weitgehend unterstützen, eine relativ breite Basis. Und so ließen Reaktionen auf die Aussagen Kavans nicht lange auf sich warten. Roman Joch etwa, er ist politischer Kommentator für mehrere tschechische Zeitungen und Mitbegründer einer Initiative namens "Gegen ein neues München", die sich mit Hinweis auf das genannte Münchner Abkommen nun für die US-Amerikanische Vorgehensweise stark macht, meinte im Gespräch mit Radio Prag:

"Diese Meinung von Jan Kavan teilen wohl viele Menschen, aber ich denke nicht, dass sie richtig, oder dass sie präzise genug ist. Vor allem deshalb, weil die Charta der Vereinten Nationen Maßnahmen zur Selbstverteidigung ermöglicht. Wenn ein Land sich und die Sicherheit seiner Bürger bedroht fühlt, dann hat es das Recht, Verteidigungsmaßnahmen zu ergreifen. Und zweitens ist es einfach bizarr, dass gerade Jan Kavan so eine Meinung äußert, der zur Zeit des Kosovo-Krieges Außenminister der Tschechischen Republik war. Den Kosovo-Krieg hat die NATO gegen das Regime von Slobodan Milosevic geführt, und zwar ohne Zustimmung der Vereinten Nationen oder des UN-Sicherheitsrates. Daran sollten wir uns erinnern. Damals hat es Jan Kavan nicht gestört, dass er Außenminister eines der NATO-Mitgliedsstaaten war, die ihre Zustimmung zu dem Angriff ausgesprochen haben? Es scheint, dass es sich bei dem, was wir von Jan Kavan hören, in bemerkenswertem Maße um Heuchelei handelt."