Jan Sokols Niederlage: Welche Hürden waren letztlich zu hoch?

Jan Sokol gratuliert Vaclav Klaus (Foto: CTK)

Die Präsidentenwahl ist geschlagen. Vaclav Klaus ist es im dritten Anlauf gelungen, doch noch die nötige Mehrheit der Parlamentarier hinter sich zu versammeln und zum Nachfolger von Vaclav Havel bestimmt zu werden. Wir aber wenden uns nun noch einmal dem unterlegenen Kandidaten Jan Sokol zu und suchen nach den Gründen, die letztlich in dieser Wahl gegen ihn gesprochen haben könnten. Hören Sie mehr von Gerald Schubert:

Jan Sokol gratuliert Vaclav Klaus  (Foto: CTK)
Die Wahl im Spanischen Saal der Prager Burg war geheim, und Vaclav Klaus erhielt am Freitag nur um eine Stimme mehr als zum Sieg erforderlich war. Damit ist klar, dass trotz aller Rechenexempel das tatsächliche Zustandekommen des Wahlergebnisses letztlich für immer Spekulation bleiben wird. Doch immerhin gab es vor, während und nach der Abstimmung einige Äußerungen, in denen die Qualifikation des von den Regierungsparteien nominierten Kandidaten Jan Sokol massiv in Zweifel gezogen wurde. Und zwar gerade auch aus der kommunistischen Partei, mit Hilfe derer nun der Erbauer des Kapitalismus in Tschechien zum neuen Staatsoberhaupt gemacht wurde. Der kommunistische Parteichef Miroslav Grebenicek meinte gegenüber Radio Prag zwischen den Wahlgängen zwei und drei sogar explizit:

"Wir haben hier eine Aufgabe zu erfüllen, und zwar zu verhindern, dass Jan Sokol Präsident wird."

Bereits vor dem ersten Wahlgang hatte Grebenicek in seiner Rede vor den Abgeordneten und Senatoren eindeutig auf einen Vorwurf Bezug genommen, der in den Tagen zuvor immer wieder laut geworden war. Nämlich den, dass Sokol eine hierzulande nicht mehrheitsfähige Haltung gegenüber dem Umgang mit den Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg habe. Radio Prag wollte von Grebenicek wissen, ob dies nun tatsächlich ausschlaggebend für die Wahlentscheidung der kommunistischen Gesetzgeber sein könnte, und worin denn nun eigentlich die konkreten Vorbehalte gegen Sokol in diesem Sinne bestünden:

"Es stört mich vor allem, dass er die Begriffe 'Aussiedlung' und 'Vertreibung' verwechselt. Es stört mich, dass er behauptet, dass die Aussiedlung nie von einer demokratischen Gesellschaft hätte durchgeführt werden können. Dann weiß er wohl nicht, dass darüber in Potsdam entschieden wurde und dass darüber demokratische Mächte entschieden."

Doch eines ist klar: Hinter den Kulissen wurde rund um die Präsidentschaftswahl viel und auch sehr konkret verhandelt. Und so könnte es durchaus sein, dass ein emotional besetztes Thema wie die Ereignisse kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auch für die Maskierung viel aktuellerer Abmachungen herhalten musste. Radio Prag hat dazu ein kurzes Gespräch mit einer früheren Gegenkandidatin von Klaus, der Senatorin Jaroslava Moserova geführt:

Radio Prag: "Die Kommunisten haben ihre Unterstützung für Klaus zwar nicht offiziell ausgesprochen, aber sie haben auf jeden Fall gesagt, sie wollen Sokol verhindern. Einer der Gründe, warum die Kommunisten Sokol angeblich verhindern wollen, ist seine Haltung gegenüber der Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Jan Sokol hat erstens eine Petition unterschrieben, die 'Smireni 95' (Versöhnung 95, Anm.) heißt, außerdem hat er die Vertreibung damals als Schande bezeichnet. Glauben Sie, dass die Kommunisten dieser Punkt wirklich so stört, oder glauben Sie, dass das nur ein Vorwand ist, der in der tschechischen Innenpolitik eigentlich gar nicht so viel Platz hat?"

Moserova:"Ich glaube, das ist eine Ausrede. Man hat hier wohl etwas mit dem Herrn Professor Klaus abgemacht. Grebenicek, der am Anfang gesprochen hat, doch nur für Herrn Professor Klaus gesprochen."

Radio Prag: "Halten Sie es nicht für möglich, dass sich die Kommunisten wirklich so stören an Sokols Aussagen über die Sudetendeutschen?"

Moserova:"Ja, es gibt wahrscheinlich manche, die das wirklich glauben. Aber Sokol hat sich ganz klar geäußert: Die Vergangenheit kann man doch nicht ändern! Es kann einem vieles leid tun, man kann sich schämen - und zwar alle. Aber man kann die Vergangenheit nicht ändern, und wird sie auch nicht ändern."

Die Frage nach der Rolle seiner Aussagen zu den Sudetendeutschen bei der Präsidentschaftswahl hat Radio Prag unmittelbar nach der entscheidenden Abstimmung auch dem unterlegenen Kandidaten selbst gestellt. Und auch er schätzt diese als letztlich nicht wirklich entscheidend ein. Jan Sokol:

"Ich befürchte, es war ein Vorwand. Aber es war das eigentlich das einzige, was man gegen mich gefunden hat."

Ob die angesprochene Frage nun tatsächlich der ausschlaggebende Stolperstein für Sokol war, das wird man wohl nie erfahren. Evident ist hingegen, dass die Regierungskoalition sich nicht auf ihren eigenen Kandidaten einigen konnte. Und das dürfte die tschechische Politik in nächster Zeit mehr als genug beschäftigen.