Karpfenbottiche – mein Weihnachtssymbol in Prag

Foto: ČTK

Jedes Jahr fragen die tschechischen Zeitungen Prominente und weniger Prominente, was sie mit tschechischen Weihnachten verbinden. Meist ist es dann eine Dreifaltigkeit aus Liedersingen, Omas Weihnachtsgebäck und Karpfen mit Kartoffelsalat.

Foto: ČTK
Letztens habe ich mich deswegen einmal gefragt, was mir selbst dazu einfällt. Ein bisschen musste ich schon überlegen. Zwar wohne ich bereits mehr als zehn Jahre in Prag, doch fahre ich fast jedes Jahr nach Deutschland zurück und verbringe die Feiertage dort. Aber es gibt trotz allem etwas, was für mich tschechische Weihnachten sind. Es sind die großen Wasserbottiche, die einige Tage vor Heiligabend in Prag und anderen Städten des Landes aufgestellt werden. Da das Aufstellen meist zu nächtlicher Stunde geschieht, kommt es mir vor, als ob die Bottiche wie von Zauberhand an die vielen Straßenecken gebracht werden. Eines Morgens sind sie plötzlich einfach da.

Einige von Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, werden sicher wissen, was es mit den Bottichen auf sich hat. In ihnen schwimmt eine besonders lebendige Weihnachtstradition aus Tschechien: der Karpfen für den Festtagsteller. Dies ist wie ein Ruf aus fernen Zeiten. Kommerz und Kitsch, so sieht ja Weihnachten ansonsten in der Großstadt Prag aus. Romantisch sind die Bottiche allerdings vor allem in der Nacht. Dann stehen sie einsam herum, höchstens von einem Mann in einer dicken Jacke flankiert, der so stumm wirkt wie die Fische, die er bewacht. Zu hören ist nur das sanfte Plätschern des Wassers, welches aus den Schläuchen in die Bottiche rinnt.

Tagsüber findet hier jedoch ein höchst unchristliches Hauen und Stechen statt, in Prag zumindest lassen viele Käufer den Karpfen gleich auf der Straße filettieren. Vielleicht sogar nur eine Minderheit kauft den Karpfen noch lebend. Kauft ihn und trägt den zappelnden Kerl in einem Beutel mit Wasser nach Hause, wo er dann in der Badewanne seine letzten Runden dreht, bis für ihn das letzte Stündlein schlägt.

Vielleicht kommen aber auch die Kinder und betteln: „Mami, Papi, tötet ihn nicht, wir lassen ihn lieber frei!“ Und wer weiß, unter Umständen wird er dann gemeinsam ans Flussufer gebracht und darf mit einem Satz in die braunen Fluten der Moldau tauchen. Vielleicht! Aber: ohne Bottiche keine Karpfen und auch keine Geschichten, die sich um die Karpfen ranken. Deswegen erinnern die Wasserbottiche mich am meisten an Weihnachten hierzulande. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein frohes Fest!