Kaviar und Kämmerlein – Schriftsteller Schulteisz einen Monat in Prag

Christian Schulteisz (Foto: Florian Oertel)

Am Montagabend fand die erste Lesung des Prager Literaturhaus in der sogenannten Floating Gallery auf der Moldau statt. Dabei trat der aktuelle Stipendiat des Literaturhauses, Christian Schulteisz, auf. Er präsentierte seine Erzählung „Wense“, die nun auch ins Tschechische übersetzt wurde. Ein Monat lang hatte der Autor an seinem deutschen Text gefeilt. Schulteisz´ Aufenthalt in Prag ist mittlerweile zu Ende gegangen.

Christian Schulteisz  (Foto: Florian Oertel)
In einem schummrig beleuchteten Schiffsbauch lauschten die Gäste der Erzählung von Christian Schulteisz. Der Autor hat bereits mehrere Preise erhalten. Das sogenannte „Moldau-Stipendium“ des Bundeslandes Hessen führte ihn nach Prag. Während seines Gastspiels in der tschechischen Hauptstadt setzte er sich mit Hans Jürgen von der Wense auseinander. Der deutsche Schriftsteller und Universalgelehrte lebte von 1894 bis 1966. Wense führte Tagebuch, und am Ende entstand mit etwa 30.000 Seiten ein sogenanntes Allbuch voller detaillierter Aufzeichnungen über seine Erlebnisse.

„Ich hatte den Eindruck beim Lesen, man könnte dies verdichten zu einer Geschichte. Dann hatte ich begonnen, zunächst Teile von Wenses Texten einfach abzuschreiben, um erstmal eigenes Material zu sammeln. Beim Abschreiben habe ich sein lyrisches Ich in ein ‚Er‘ abgewandelt, um zu schauen, welche Figur und welcher Text sich daraus entwickelt.“

Floating Gallery  (Foto: Offizielle Facebook-Seite der Floating Gallery)
Schulteisz orientierte sich bei seiner Vorgehensweise an Georg Büchner. Dieser sei bei seiner Erzählung über den Schriftsteller „Lenz“ ähnlich vorgegangen, indem er sowohl Briefe von Lenz selbst verwendete, als auch die schriftlichen Beobachtungen des Pfarrer Oberlins über Lenz:

„Vor meiner Ankunft hatte ich die Texte gelesen und bekam Lust, etwas Ähnliches auszuprobieren. Ich hatte Fragmente von Wenses Texten gesammelt, die sich zu einer Geschichte zusammensetzen ließen. Jedoch war es immer noch Wenses Sprache. Nach einer Pause und etwas Abstand zum Text habe ich weitergeschrieben und fiktionalisiert. Die Sprache und den Text habe ich dann sehr stark an meinen Stil angepasst.“

Christian Schulteisz  (links). Foto: Florian Oertel
Schulteisz sagt, er bewundere Wense einerseits, vermisse jedoch jegliche politische Haltung bei ihm. Es interessiere ihn, wie der Schriftsteller Wense zu den Nationalsozialisten gestanden habe. Dafür wolle er noch weiter in den Abgrund des „Wenseschen Archivs“ hinabsteigen. Dies wir er nun aber nicht mehr in Prag tun. Über seinen Aufenthalt in Prag und wie es dazu kam, berichtet er:

„Ich habe mich beim Hessischen Literaturrat für das Stipendium beworben, weil ich einen Freiraum brauchte und viel Unterstützung um weiterzuschreiben. Mein Aufenthalt hier ist nun fast zu Ende. Er hat sich so gestaltet, dass ich die meiste Zeit in meiner Wohnung saß und geschrieben habe. Es war das, was ich mir darunter vorgestellt habe. Viele denken, man ist in Prag und besichtigt ganz viel. Das habe ich auch getan, aber ich brauchte vor allem Zeit und Ruhe.“

Blog von Christian Schulteisz
Schulteisz nutzte die Zeit in seinem stillen Kämmerlein und verfasste ein Online-Tagebuch über seine Zeit in Prag und die Arbeit am Text über Wense. Jedoch solle man nicht alles ernst nehmen, was er in seinem Blog geschrieben habe, sagt der Schriftsteller. So schildert er zum Beispiel ein Treffen mit dem Hansa-Verlagschef beim Kaviarfrühstück. Das habe so aber nicht stattgefunden. Genauso beschreibt Schulteisz in einem Auszug aus einem Reisführer eine Ausflugsempfehlung, bei der man über die Dächer Prags springt und so die Stadt aus einer ganz neuen Perspektive kennenlernt. Die Blogs und Tagebücher seiner Vorgänger hätten ihn dazu angespornt, sich Erlebnisse auszudenken.

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