Königreich statt Republik? Was wollen Tschechiens Monarchisten

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In diesen Tagen sind die tschechischen Medien voll mit Berichten über die Wahl eines Nachfolgers von Vaclav Havel im Amt des Präsidenten. Im Vorfeld der Wahl meldeten sich jedoch auch die tschechischen Monarchisten mit ihren Forderungen zu Wort. Mehr dazu erfahren Sie im folgenden Schauplatz von Gerald Schubert und Robert Schuster.

Mittwoch vergangener Woche unternahmen Tschechiens Abgeordnete und Senatoren den Versuch einen neuen Präsidenten zu wählen. Keiner von den vier ursprünglichen Bewerbern konnte jedoch in den drei durchgeführten Wahlgängen die erforderliche Mehrheit erreichen. Somit muss die Wahl innerhalb der kommenden vier Wochen wiederholt werden. Auch dann wird natürlich keinesfalls sicher sein, dass es gelingen wird ein neues Staatsoberhaupt zu wählen. Tschechien könnte also für eine gewisse Zeit ohne seinen höchsten Repräsentaten dastehen. Eine Situation, die nach der Meinung von Kritikern einer Parlamentswahl des Präsidenten künftig vermieden werden könnte - etwa durch die Einführung einer Direktwahl, wie es sie in zahlreichen Ländern Mitteleuropas gibt.

Einen weitaus radikaleren Vorschlag brachten in diesen Tagen die tschechischen Monarchisten ein. Auf einigen Happenings und einem grossen Rockkonzert in der Prager Lucerna-Halle forderten sie, wie nicht anders zu erwarten, gar die Abschaffung des Präsidentenamtes und die Wahl eines Königs durch das Parlament. Zur Begründung gaben die Monarchisten an, dass sich das höchste Staatsamt nicht als Spielball verschiedener Partei- und Politikerinteressen eigne und von jemandem ausgeübt werde sollte, der sein ganzes Leben lang auf die Repräsentation des Staates vorbereitet wurde.

Die undurchsichtigen Verhandlungen der Politiker und deren Parteien während des ersten Wahlgangs vom vergangenen Mittwoch und deren Feilschen um jede Stimme scheinen somit einen der Hauptvorbehalte der Monarchisten zu bestätigen. Radio Prag unterhielt sich im folgenden mit dem Historiker und Schriftsteller Petr Placak, der zu den bekanntesten Sprechern der tschechischen Monarchie-Bewegung gehört. Wie beurteilt er den bisherigen Verlauf der Präsidentenwahl?

"Also ich verstehe ehrlich gesagt nicht den Sinn des Präsidentenamtes im heutigen Verfassungssystem, weil alle zwar meinen, dass das eine ausgesprochen repräsentative Funktion ist, dabei waren alle Kandidaten von Parteien nominiert und sind mit mehr oder weniger klarem Programm angetreten. Das ist doch nicht normal - da sagen die Kandidaten auf der einen Seite, sie wollten den ganzen Staat vertreten, sind aber parteiisch. Diese Situation ist meiner Meinung nach völlig absurd."

Erstmals traten die tschechischen Monarchisten noch vor der Wende in Erscheinung, als sie unter der Bezeichnung "České d"ti" - auf Deutsch "Böhmische Kinder" ein Manifest veröffentlichten in welchem das Ende des kommunistischen Systems und die Wiedereinführung der Monarchie gefordert wurden. Von der Mehrheit der Bevölkerung werden jedoch solche Forderungen bislang eher belächelt, wie eine kürzlich von der Inlandsredaktion des Tschechischen Rundfunks durgeführte Umfrage zeigte. Die Jüngeren unter den Befragten reagierten auf die Frage, ob sie einer Wiedereinführung der Monarchie zustimmen würden zurückhaltend, bis leicht positiv. Die mittlere und ältere Generation lehnte jedoch diese Idee grundlegend ab. Wie wollen also die tschechischen Monarchisten angesichts eines seit mehr als 80 Jahren fest verankerten Republikanismus Unterstützung für ihr Vorhaben bekommen? Petr Placak meint dazu im folgenden:

"Es gibt natürlich schon eine Art mentale Blockade in dieser Frage, aber das hängt eher damit zusammen, dass die Menschen sich fast ausschliesslich um ihre täglichen Dinge kümmern, wobei Angelegenheiten mit einer längerfristigeren Zeitbezogenheit ihnen als völlig unreal und unaktuell vorkommen. Die Idee des Böhmischen Königreiches ist aber nichts destotrotz immer gegenwärtig, sei es in verschiedenen Bauten, der Geschichte. Und nicht zu vergessen: Als es vor zehn Jahren zur Trennung zwischen Tschechen und Slowaken gekommen ist, standen die Menschen bei frostigen Temperaturen stundenlang Schlange, nur um einen Blick auf die tschechischen Kronjuwelen blicken zu dürfen. Für mich bedeutet das also mehr, als nur ein schönes, mit Edelsteinen geschmücktes, Stück Gold."

In erster Linie gehe es den Monarchisten, so Placak weiter, nicht darum eine bestimmte Politik durchzuführen, sondern die Idee des böhmischen Königreichs mit neuem Leben zu erfüllen. Das Königreich wäre stets ein Symbol von Freiheit und Unabhängigkeit des Landes gewesen, ebenso hätte es auch die nationale Identität garantiert. Ziel der Monarchisten sollte es also laut Placak viel mehr sein, in der Bevölkerung dieses Bewusstsein zu stärken und vielleicht auch eine Alternative für die Zukunft aufzuzeigen.

Obwohl die tschechischen Monarchisten, wie bereits erwähnt, schon vor 1989 auf sich aufmerksam machten, ist es in der Folgezeit um sie still geworden und sie traten seither nur vereinzelt auf. Warum versuchten die Monarchisten nicht sich z.B. als eigenständige politische Kraft in der tschechischen Politik zu etablieren? Dafür hat der Historiker Petr Placak eine einfache Begründung:

"Na, weil jene Monarchisten, die ich persönlich kenne, starke Individualisten sind, es sind also keine Leute, die sich in irgendwelche festgestickte Strukturen einordnen liessen und unentwegt Druck ausüben würden. Viele von denen sind Künstler, Schriftsteller und kommen deshalb nur von Zeit zu Zeit zusammen. In Tschechien gibt es eine monarchistische Partei, die sich "Böhmische Krone" nennt und die Wiedererrichtung eines Königreiches im Programm hat, aber diese ist leider nicht ausreichend aktiv, um überhaupt von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden."

Dem Ziel, eine konstitutionelle Monarchie in Tschechien errichten zu wollen, haben sich gleich mehrere Gruppen verschrieben. Wie jedoch in solchen Fällen oft üblich, gibt es unter ihnen fast gar keine Zusammenarbeit. Kann man also überhaupt sagen, wieviele Mitglieder diese Gruppen umfassen? Petr Placak versucht eine Einschätzung vorzunehmen:

"Also in diesen Gruppen lassen sich einige Hundert bis Tausend Anhänger finden, aber ich meine, dass die Idee des Böhmischen Königreiches, die eigentlich massgeblich im Jahre 1848 zum Tragen kam, als auf dem Gebiet der böhmischen Länder die moderne Politik entstanden ist, sich alle politischen Richtungen das Ziel setzten die Unabhängigkeit des böhmischen Königreiches wieder herzustellen und zwar entweder im Rahmen des Habsburger-Reiches oder aber als selbstständigen Staat. Und auch das spätere politische Programm bewegte sich in diesem Rahmen. Auch die erste Tschechoslowakische Republik 1918 lehnte sich stark an diese historische Argumentation an. Ich meine wir sollten diesen Grundsätzen treu bleiben und es liegt nur an uns, ob wir damit was anfangen, oder es bleiben lassen."

Eine der meistgestellten Fragen, die die Monarchisten im Zusammenhang mit ihren politischen Zielen bekommen, ist die Frage nach der Herkunft eines künftigen tschechischen Königs. Viele lehnen die Idee einer konstitutionellen Monarchie auch aus dem Grund von vornherein ab, weil sie befürchten, dass das automatisch zu einer Rückkehr der Habsburger führen müsste. Wer sollte also gemäss den Vorstellungen der Monarchisten auf den tschechischen Thron Platz finden? Abschliessend kommt noch einmal Petr Placak zu Wort:

"Nach der alten böhmischen Landesverfassung, die jedoch nicht niedergeschrieben war und sich aus mehreren Gesetzen zusammensetzte, oblag die Wahl eines Königs für den Fall, dass es keine direkten Nachkommen gab, dem Landtag, also dem Parlament. Diese Vorgangsweise sollten auch wir einhalten. Was dessen Herkunft angeht, habe ich keine eindeutigen Präferenzen, es sollte sich um ein Mitglied der bestehenden europäischen Königsdynastien handeln. Diesen Weg wollte übrigens auch einer der Väter der Tschechoslowakei beschreiten, deren späterer Präsident Masaryk, der zu Beginn des ersten Weltkriegs überlegte die böhmische Krone jemanden aus der englischen, dänischen oder belgischen Königsfamilie anzubieten. Das wäre ein idealer Weg, denn wenn wir uns bei der Suche nur auf heimische Kandidaten beschränken würden, kämen wir zu keinem eindeutigen Ergebnis. Und die Hauptaufgabe eines Königs ist ja das Land nach aussen zu vertreten und zu einen."

Liebe Hörerinnen und Hörer, damit sind wir am Ende unserer heutigen Schauplatz-Sendung angelangt. Für Ihre Aufmerksamkeit bedanken und auf ein Wiederhören freuen sich Gerald Schubert und Robert Schuster.