Kriegswaisen-Debatte: Solidarität und Skepsis
Premier Babiš hat mit seiner Ablehnung von Kriegswaisen für Streit gesorgt, in Teilen von Politik und Gesellschaft bleibt die Skepsis gegenüber der Aufnahme der Jugendlichen tatsächlich groß. Gleichzeitig zeigen sich viele Tschechen solidarisch.
„Genauso wie wir im Jahr 1938 leben diese Kinder in Angst und Ungewissheit. Außerdem fehlt es ihnen an einem Zuhause und genügend Essen. Ich muss zugeben, dass mir das Schicksal dieser Kinder nahegeht.“
Ruth Hálova unterstützt die Initiative Česko pomáhá, auf Deutsch heißt das so viel wie: Tschechien hilft. Die NGO verkündete am Montag auf ihren Social-Media-Kanälen, dass sie den Kriegswaisen ohne weiteres Obdach bieten könne. Auf Facebook schrieb Česko pomáhá:
„Wir haben eine Liste mit über 50 Familien, die eines der syrischen Waisenkinder bei sich aufnehmen würden. Viel mehr Menschen haben aber eine andere Art der Hilfe angeboten – das reicht von Freizeitaktivitäten, über Nachhilfe bis hin zu psychologischer Betreuung. Ein so reiches und selbstbewusstes Land wie Tschechien mit einer tief verwurzelten humanitären Tradition sollte das wirklich schaffen können.“Auch die Menschenrechtsorganisation „Verband für Integration und Migration“ hat bereits mit der Mobilisierung von Hilfe für die Kriegswaisen begonnen. Die Leiterin der NGO, Magda Faltová, sieht überhaupt keine Hindernisse für die Aufnahme der Kinder:
„Bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus Lagern in Italien oder Griechenland ist es jetzt schon so, dass sich die Staaten bestimmte Menschen aussuchen können. Beispielsweise Tschechien schickt eine Delegation oder Kommission dorthin und bestimmt, wer ins Land kommen darf. Diese Praxis funktioniert bereits seit Jahren.“
Dennoch bleibt die Skepsis in Tschechien gegenüber den Kriegswaisen aus Syrien groß. Helena Válková war unter Premier Bohuslav Sobotka Justizministerin für Babišs Ano-Partei. Sie verweist auf schlechte Erfahrungen aus Deutschland:
„Die ganze Sache ist absolut witzlos, denn wir können nicht einfach irgendwelche abstrakten Kriegswaisen aufnehmen. Da reicht ein Blick nach Deutschland, wo ich übrigens oft unterwegs bin. In teuren Verfahren wird da oft festgestellt, dass die ‚Kinder‘ oft schon über 20 Jahre alt sind.“Kritik an der Debatte kommt zudem direkt aus Syrien. Laut der tschechischen Botschafterin in Damaskus, Eva Filipi, dient der ganze Streit rein innenpolitischen Zwecken. Man sollte sich lieber mit den kulturellen Hintergründen Syriens und dem Stellenwert der Familie dort bekanntmachen, so die Diplomatin:
„Das Familienverständnis in Syrien ist ganz anders als in Tschechien. Die Bindungen sind dort viel stärker, ein Kind ist also nur in den seltensten Fällen wirklich verlassen. Die aktuelle Debatte in Tschechien ist auch daher abwegig.“
Gerade deshalb hält Filipi beispielsweise mögliche Adoptionen der Kriegswaisen durch tschechische Paare für eine schlechte Idee. All diese Zweifel versucht jedoch die christdemokratische Europaabgeordnete Michaela Šojdrová zu zerstreuen. Von ihr ging die Idee der Aufnahme von Kriegswaisen ursprünglich aus:„Bei einigen Kindern, die für die Übersiedlung nach Tschechien in Frage kommen, weiß man, dass es sich um Vollwaisen handelt. Bei anderen ist das tatsächlich nicht so klar, aber alles lässt sich überprüfen. Außerdem will ich noch einmal betonen: es soll um einen vorübergehenden Schutz gehen, und die Jugendlichen werden laufend unter Kontrolle sein.“