Ladislav Adamec - Der letzte kommunistische Premier in der Tschechoslowakei und die Samtene Revolution
Über sechzig Jahre seines Lebens hat er dem Kommunismus gewidmet. Zunächst lange als Parteifunktionär mit verschiedenen Ämtern. In die Geschichte eingegangen ist Ladislav Adamec als letzter kommunistischer Regierungschef der Tschechoslowakei, aber auch als erster mächtiger Kommunist, der mit einer oppositionellen Gruppe verhandelt hat. Am Samstag vergangener Woche ist Ladislav Adamec im Alter von 80 Jahren gestorben. In unserem heutigen Geschichtskapitel geht es um die Rolle, die Adamec während der Samtenen Revolution in der Tschechoslowakei gespielt hat.
"Die Rolle von Premier Adamec war durchaus positiv. In dieser angespannten Situation, die er nicht erwartet hatte, begriff er sehr schnell, dass die öffentlichen Proteste gegen das Regime so stark sind, dass es nicht möglich ist, weiter so zu tun, als seien keine Reformen nötig. Ich sehe seine Rolle auch deshalb positiv, weil er sehr schnell Kontakt mit der Opposition knüpfte und mir ihr verhandelte. Außerdem hat er die Anwendung weiterer Gewalt verhindert."
Ladislav Adamec wurde am 10. September 1926 im ostmährischen Frenstat pod Radhostem in einer Bergarbeiterfamilie geboren. Ein Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs trat er im Alter von 20 Jahren in die Kommunistische Partei ein. Dort stieg er allmählich auf und wurde 1966 Mitglied des ZK, das er bis 1989 blieb. Während des Prager Frühlings gehörte Adamec nicht zu den Reformkommunisten und konnte deshalb in den siebziger Jahren seine politische Karriere ungehindert fortsetzen. Den Höhepunkt seiner Karriere erreichte er aber erst, als das kommunistische Regime bereits am Ende war. 1988 wurde Ladislav Adamec Ministerpräsident der Tschechoslowakischen Regierung.
Am 17. November 1989 gingen die Studenten in Prag auf die Straße. Anlass war der 50. Jahrestag der Schließung der Universitäten und der Ermordung des tschechischen Studenten Jan Opletal durch die Nationalsozialisten. Der Tschechoslowakische Rundfunk berichtete über staatsfeindliche und antisozialistische Äußerungen im Verlauf der Demonstration.
Diese Demonstration wurde durch Polizei und Sicherheitskommandos brutal zerschlagen. Als Protest gegen den rücksichtslosen Eingriff der Polizei kam es in den anschließenden Tagen in vielen Städten der Tschechoslowakei zu Demonstrationen. Damit war der Zusammenbruch des totalitären Regimes endgültig eingeläutet. Am 19. November 1989 wurde im Schauspiel-Klub in Prag das Bürgerforum gegründet. Am selben Abend gab es auch den ersten Kontakt zwischen Ministerpräsident Ladislav Adamec und Oppositionellen. Er empfing die beiden prominentesten Vertreter der Initiative Most, Michal Horacek und Michael Kocab. Zu dieser Initiative Jan Bures:"Die Initiative Most wurde eigentlich von zwei Künstlern gegründet und zwar von dem Journalisten Michal Horacek, und dem Musiker Michael Kocab. Sie riefen diese im Sommer 1989 ins Leben und wollten versuchen, einen Kontakt zwischen der Opposition und Vertretern der Staatsmacht herzustellen. Premier Adamec war ein zugänglicher Mensch und stand auch Diskussionen über die Notwendigkeit von Reformen in der Tschechoslowakei offen gegenüber. Schon im Jahr 1988 hatte er sich bemüht, bestimmte, wenn auch gemäßigte Reformen durchzusetzen. Allgemein war er von den kommunistischen Repräsentanten für die Opposition noch am ehesten akzeptabel", so Bures.
Michal Horacek, einer der Gründer der Initiative Most zu Adamec Rolle im November 1989:
"Er war wirklich zur Tat fähig. Er hat die Opposition empfangen, anstatt die Polizei auf sie zu hetzen. Ich glaube, dass er ernsthaft dazu beigetragen hat, dass der November-Wechsel nicht von blutigen Ereignissen begleitet wurde. Und wenn wir ihm das zuschreiben können, dann glaube ich, ist das wirklich nicht so wenig", meint Horacek.
Ein Treffen mit Vaclav Havel lehnte Adamec im November 1989 zunächst strikt ab und verhandelte am 21. November mit anderen Vertretern des Bürgerforums. Jan Ruml war als Mitglied des Bürgerforums bei den ersten Gesprächen mit Adamec dabei. Er bezeichnet den Regierungschef als blassen kommunistischen Technokraten, der von den Ereignissen überrollt wurde. Auch glaubt Ruml nicht, dass der Dialog mit der kommunistischen Macht ohne Adamec wesentlich schwieriger verlaufen wäre. Der ehemalige Berater von Adamec, Oskar Krejci, betont wiederum, dass der Premier durchaus fähig zu Reformen gewesen sei. Deshalb sei er in der kommunistischen Partei isoliert gewesen."Er stellte die große Ausnahme in der kommunistischen Parteiführung dar", sagt Krejci.
In der kommunistischen Partei der Tschechoslowakei gab es in den achtziger Jahren keinen wirklichen Reformflügel. Adamec gehörte in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre zu den wenigen reformwilligen Kommunisten in der Parteiführung. Dazu noch einmal der Soziologe Jan Bures:
"Ich glaube, dass Ladislav Adamec in der Tschechoslowakei, seitdem Michail Gorbatschow in der Sowjetunion die Macht übernommen hatte, eine ähnliche Rolle spielen und eine Art tschechoslowakischer Gorbatschow werden wollte. Er hat sich dann immer als ein Mann präsentiert, der das Vertrauen Moskaus beziehungsweise das Vertrauen Gorbatschows hatte. Gorbatschow hat wohl auch in den letzten zwei Jahren vor 1989 von allen kommunistischen Repräsentanten am meisten Adamec vertraut. Er sprach lieber mit ihm, als mit dem Generalsekretär der tschechoslowakischen Kommunisten, Milos Jakes. Und das, weil Adamec fähig war, in der Tschechoslowakei darüber zu diskutieren, welche Probleme es im Land gibt."
Ladislav Adamec verhandelte im November 1989 mit dem Bürgerforum ohne Zustimmung der kommunistischen Parteiführung. Seine Bereitschaft, mit der Opposition zu sprechen, nahmen ihm viele seiner kommunistischen Parteikollegen übel, wie der Historiker Jiri Suk erläutert:"Aus den Äußerungen des ehemaligen kommunistischen Generalsekretärs Milos Jakes nach 1989 wissen wir, dass er Adamec als Verräter der kommunistischen Sache betrachtet hat."
Nach einer Einigung mit dem oppositionellen Bürgerforum sprach Adamec am 26. November 1989 auf der Prager Letnafläche vor Millionen Menschen, die einem Aufruf des Bürgerforums gefolgt waren. Dort konnte er aber nicht überzeugen:
Die dort versammelten Menschen pfiffen ihn aus und forderten seinen Rücktritt. Die neue Regierung, die Adamec am 3. Dezember 1989 vorstellte, bestand zu drei Viertel aus Kommunisten und wurde vom Volk nicht anerkannt. Auch die Unterstützung Gorbatschows hatte Adamec zu diesem Zeitpunkt verloren. Fünf Tage später trat er zurück.
Nach 1989 war Adamec Abgeordneter der tschechoslowakischen Föderalversammlung und für kurze Zeit Vorsitzender der Kommunistischen Partei. Nach dem Zerfall der Tschechoslowakei zog sich Adamec fast ganz aus der Politik zurück. Nur im Jahr 1996 kandidierte er noch einmal, und zwar bei den Senatwahlen für die Kommunisten. Er blieb aber erfolglos. Am 14. April starb Ladislav Adamec in seiner Wohnung in Prag.