In Sachen Mohn ist Tschechien Weltmacht
Tschechien ist weitläufig bekannt als das Land des Bieres. Aber neben dem Hopfen es gibt noch eine andere Nutzpflanze, mit der das Land weltweit einen Spitzenplatz einnimmt: Mohn. Neben der Türkei wird im globalen Vergleich hierzulande der meiste Mohn angebaut und konsumiert.
Mohn macht doof – so lautete eine dieser Lebensweisheiten, die unsere Großeltern noch auf Lager hatten. Damit sich dies bewahrheitet, müsste man schon sehr viel von den kleinen Kügelchen essen – wesentlich mehr jedenfalls, als die knapp 470 Gramm, die jeder Mensch in Tschechien jährlich durchschnittlich konsumiert.
Denn erst in übermäßig großer Menge würde der geringe Opiatanteil der Pflanze wirksam werden. Dieser ist es jedoch nicht, an dem die Bäcker und Konditoren in Tschechien interessiert sind. Vielmehr sind Mohnsamen hierzulande eine beliebte Zutat, weil sie ein angenehm nussiges Aroma haben und wertvolle Öle enthalten. Vor allem für Buchteln und Kolatschen geben sie eine leckere Füllung ab. Dies sei eine eher regionale Leidenschaft, erläutert Jiří Vaněk. Er ist Vorstandvorsitzender beim westböhmischen Landwirtschaftsunternehmen Úněšovský statek:
„Dies gilt für die slawischen Staaten, aber auch für deutschsprachige Länder. Zudem wird Mohn in der jüdischen Kultur eingesetzt. In Tschechien ist allerdings nicht die Mohnhülse wichtig – sie ist bei uns eher ein Abfallprodukt. Aber für alle anderen Züchter in Europa ist gerade sie das Hauptprodukt, weswegen Mohn überhaupt angebaut wird.“
2021 lag die Jahresmohnproduktion in Tschechien mit knapp 30.000 Tonnen zuletzt am höchsten. Mehr als 80 Prozent der Ernte gehen in den Export. Russland und auch Weißrussland waren dabei lange Zeit wichtige Märkte, für die derzeit aber die Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs gelten. Entsprechend geht die Produktion in Tschechien gerade deutlich zurück. Die Schätzung des tschechischen Statistikamtes (ČZÚ) für 2023 liegt nur bei 14.700 Tonnen Mohn.
Wichtige Abnehmer sind nach wie vor Polen, die Slowakei und die Ukraine, Österreich, Deutschland oder die Niederlande. Auch in die USA wird ein Teil der Ernte verschickt. Europaweit sind etwa 50 Mohnarten registriert. Die Bäcker in Tschechien verwenden meist Blaumohn. Angebaut wird aber auch Weißer Mohn. Dazu die Bäckereitechnologin Aneta Frydrychová:
„Im Backgewerbe wird dieser Rohstoff üblicherweise nicht benutzt. Weißer Mohn ist zum einen sehr teuer, und zum anderen muss den Kunden sein ausgeprägtes Nussaroma nicht unbedingt schmecken. Er ist also kein Ersatz für den klassischen Blaumohn. Die weiße Variante ist allerdings reich an Öl sowie Eiweiß und hat damit sehr gute Nährwerte hinsichtlich von mehrfach ungesättigten Fettsäuren.“
Auch die allgemein verwendeten Mohnsamen sind gut für die Gesundheit. Sie helfen gegen Schlaflosigkeit oder Ekzeme und beugen Schlaganfällen vor. Außerdem sind sie gut für Knochen, Gelenke, Zähne, Nerven, Haare und Augen. Und damit ist Jan Hůrka, leitender Agrarwissenschaftler beim Unternehmen Úněšovský statek, bei der Aufzählung der Vorteile noch lange nicht am Ende:
„Mohn ist eine der besten Pflanzen, was den Kalziumgehalt angeht. Ich habe sogar gelesen, dass sie für den Menschen zehnmal besser sein soll als Kuhmilch.“
Das sind doch gute Argumente, sich ein Stück Mohnstrudel zu gönnen – oder eben den in Tschechien so typischen Kolatschen. Marie Hebíková, ebenfalls von der Firma Úněšovský statek, beschreibt die Herstellung der traditionellen Füllung:
„Der Mohn wird gemahlen und muss mit kochender Milch übergossen werden. Dann wird Zimt hinzugefügt, zerbröselter Lebkuchen und natürlich Zucker. Das Ganze muss fest genug sein, damit es auf den Kuchen hält und beim Backen nicht hinunterläuft.“
In vielen Haushalten in Tschechien ist eine Mohnmühle selbstverständlich vorhanden. Backfans sind sich einig, dass die Masse frisch, also kurz vor der Zubereitung gemahlen, einfach am besten ist. Wer sich die Arbeit sparen will, kann backfertigen Mohn natürlich auch hierzulande im Geschäft kaufen.