Tschechischer Mohn leidet am befleckten Ruf: Panscher verderben das Geschäft
Tschechischer Mohn ist ein Qualitätserzeugnis erster Güte. Nicht von ungefähr ist Tschechien der weltweit größte Exporteur von Lebensmittelmohn. Doch das kann sich schon sehr bald ändern, auch weil der Ruf des hierzulande gezüchteten Mohns zuletzt großen Schaden genommen hat. Der Rückgang der Qualität ist offensichtlich auf windige Geschäftsleute zurückzuführen, die dem Lebensmittelmohn immer öfter den billigeren, so genannten technischen Mohn beimischen.
Mohn ist nicht gleich Mohn. Man unterscheidet Mohnsorten insbesondere nach ihrer Verarbeitung – aus einigen wird schmackhafter Lebensmittelmohn hergestellt, andere führen in ihren Pflanzenteilen einen weißen oder gelben Milchsaft, der giftige Alkaloide enthält. Es sind morphinhaltige Alkaloide, aus denen die pharmazeutische Industrie wertvolle Medikamente gewinnt. Dafür sind einige Mohnsorten besonders geeignet, erläutert der Vorsitzende des Verbandes der tschechischen Mohnbauern (sdružení Český mák), Petr Šimek:
„Es sind Mohnsorten, die ausschließlich für die Gewinnung morphinhaltiger Alkaloide angebaut werden. Diese Alkaloide werden aus den Mohnköpfen isoliert, der Mohnsamen indes wird zum Abfallprodukt und ist für den Pharmahersteller somit nutzlos.“Eine Lagerung des Mohnabfalls verursacht zudem noch Kosten. Deshalb wird der überschüssige Mohnsamen auf den Markt gebracht und zu ziemlich niedrigen Preisen angeboten, sagt Šimek und ergänzt:
„Daraus haben natürlich einige geschäftstüchtige Leute die Chance erkannt, den ölhaltigen tschechischen Lebensmittelmohn, der weltweit einen guten Ruf hat, für ihre Geschäfte zu missbrauchen. Leider gelingt ihnen das auch schon seit einiger Zeit.“
85 Prozent des in Tschechien angebauten Lebensmittelmohns werden exportiert. Eine reichliche Menge, an der sich einiges verdienen lässt. Vor allem dann, wenn man dem Lebensmittelmohn noch den minderwertigen technischen Mohn beimischt. Diese Praxis hat sich hierzulande seit zwei, drei Jahren eingeschlichen, behauptet Šimek. Und der private Landwirt Jiří Kmínek ist überzeugt, dass dahinter ausschließlich unseriöse Händler stehen:„Ein einfacher Mohnbauer kommt gar nicht an das Abfallprodukt heran. Das machen eher die Händler. Sie importieren den pharmazeutischen Mohnabfall und vermischen ihn mit dem gekauften tschechischen Lebensmittelmohn.“
Und das ist ein Riesengeschäft, rechnet Zdeněk Kosek, der Geschäftsführer des Verbandes der tschechischen Mohnbauern, vor:„Anbau, Züchtung und Ernte unseres Mohns kosten 25 Kronen je Tonne. Die pharmazeutischen Mohnabfälle dagegen werden für 10, 15 oder 17 Kronen je Tonne importiert.“
Hat der Import des pharmazeutischen Mohnabfalls im Jahr 2009 noch relativ klein begonnen, so nimmt der Aufkauf des minderwertigen Mohns seitdem ständig zu. Der Präsident der tschechischen Agrarkammer, Jan Veleba, nennt aktuellere Zahlen:
„Im Jahr 2011 wurden aus Australien 1417 Tonnen importiert. Der zweitgrößte Lieferant von Mohnabfall nach Tschechien ist Spanien mit über 1000 Tonnen. Danach folgen Länder wie die Slowakei, Ungarn, die Türkei, Frankreich und andere.“Im vergangenen Jahr wurden daher bereits 4300 Tonnen des technischen Mohns eingeführt. Zum Vergleich: Im Jahr 2009 waren es lediglich 1672 Tonnen. Und die Tendenz ist weiter steigend, denn allein im Januar und Februar dieses Jahres wurden schon wieder 1400 Tonnen des pharmazeutischen Mohnabfalls angeliefert. Diese Entwicklung treibt die tschechischen Mohnbauern immer mehr in die Enge und hat unübersehbare Folgen, so Veleba:
„Diese Dinge führen zu einem rapiden Rückgang der Anbauflächen für Mohn. In diesem Jahr wurde Mohn in Tschechien auf einer Fläche von etwas über 18.000 Hektar angebaut. Im Jahr 2008 aber waren es noch 70.000 Hektar.“Der Rückgang der Anbauflächen sei ursächlich auf die Praktiken der Geschäftsleute zurückzuführen, die dem Lebensmittelmohn den minderwertigen Mohnabfall beimischen, ihn dann aber als tschechischen Qualitätsmohn weiterverkaufen, bedeutet Veleba:
„Der Absatz des tschechischen Mohns geht zurück, weil er seinen guten Ruf verliert. Die ausländischen Kunden verlieren immer mehr das Vertrauen in den Mohn aus Tschechien, dabei ist er eigentlich ein absolutes Spitzenerzeugnis.“Petr Šimek bestätigt, dass die Nachfrage nach tschechischem Mohn zurückgegangen ist:
„Natürlich ist das der Fall. Das hängt mit der Qualität und den kulinarischen Eigenschaften der Mischungen zusammen, die unter der Marke Tschechischer Mohn exportiert werden.“
Doch wie kann man den Qualitätsmohn von dem Mohngemisch unterscheiden? Für Jan Veleba ist das kein Problem:„Wenn man zwei Mohnschnecken – eine mit reinem Lebensmittelmohn und die andere mit dem Mohngemisch – verzehrt, wird man den Unterschied merken. Denn die Schnecke mit dem technischen Mohn schmeckt nicht so gut.“
Petr Šimek ergänzt, dass der technische Mohn ziemlich bitter schmeckt und in seiner Farbgebung mehr grau als dunkelblau sei. Andererseits ist er sehr froh, dass sich tschechische Institutionen wie die Landwirtschafts- und Lebensmittelinspektion der Problematik immer mehr annehmen:
„Die tschechischen Organe haben dazu einen sehr konstruktiven Standpunkt. Innerhalb der Europäischen Union sollen Standards erhoben werden, nach denen man ganz genau unterscheiden kann, was technischer Mohn und was Lebensmittelmohn ist. Daran arbeiten unsere Vertreter sehr intensiv.“Und auch auf nationaler Ebene soll die Legislative nachhelfen, den Mohn auf dem Markt zu kategorisieren. Dazu erklärte der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums, Jan Žáček:
„Wir haben entschieden, die Legislative so zu ändern, dass der Morphingehalt im Mohnsamen maximal 25 Milligramm je Kilo Mohn betragen darf.“
Der Präsident der tschechischen Agrarkammer, Jan Veleba, ist sich indes bewusst, dass der Preiskampf auch weiterhin unvermindert hart geführt wird:
„Der Druck auf die Senkung der Lebensmittelpreise geht weiter. Die Situation beim Mohn, wie wir sie jetzt in Tschechien haben, ist ein Ergebnis davon. Jetzt will man sie lösen. Ich bin selbst gespannt, ob nun auch die konkreten Namen von Firmen bekannt werden, die den Mohnabfall einführen und ihn dann beimischen. Ich bin nämlich der Meinung, dass ihr Tun nicht nur von der staatlichen Landwirtschafts- und Lebensmittelinspektion überprüft werden sollte, sondern auch in strafrechtlicher Hinsicht.“Ob all die genannten Vorhaben und Maßnahmen jedoch ausreichen werden, um der Tschechischen Republik auch weiterhin eine führende Weltmarktposition beim Mohnabsatz zu sichern, bleibt abzuwarten.