Libor Rouček zu tschechisch-sudetendeutschen Beziehungen: „Wir zeigen, dass man sich versöhnen kann“

73. Sudetendeutscher Tag, Bernd Posselt spricht

Der Sudetendeutsche Tag findet traditionell am Pfingstwochenende statt. Während sich früher Tschechen und Vertriebene zu diesem Anlass nicht selten Polemiken lieferten, trat diesmal der tschechische Bildungsminister Mikuláš Bek (Stan) ohne Misstöne bei dem Treffen auf. Und der Sozialdemokrat Libor Rouček erhielt den Europäischen Karlspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft wegen seines jahrzehntelangen Engagements für die tschechisch-deutsche Verständigung.

Christian Schmidt,  Bernd Posselt,  und Libor Rouček mit Europäischen Karlspreis | Foto: Aleš Zápotocký,  ČTK

Mikuláš Bek war nicht der erste tschechische Minister, der auf dem Sudetendeutschen Tag gesprochen hat. Doch seine Rede am Sonntag bei dem Treffen in Regensburg kommentierte der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, so:

„Liebe Landsleute, ich gebrauche das Wort ‚historisch‘ nicht oft, aber das ist ein historischer Moment.“

Mikuláš Bek | Foto: René Volfík,  Tschechischer Rundfunk

Bek hatte die Sudetendeutschen ebenfalls mit „liebe Landsleute“ angesprochen. Er sagte, er sei der erste tschechische Minister, der für seinen Auftritt bei dem Treffen keinen Mut gebraucht habe. Und der Bildungsminister aus Prag rief Tschechen, Deutsche und Sudetendeutsche dazu auf, mit Blick auf die russische Aggression in der Ukraine gemeinsam für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit zu kämpfen.

Aber auch ein weiterer tschechischer Politiker sprach beim Sudetendeutschen Tag: der frühere stellvertretende Vorsitzende des Europäischen Parlaments Libor Rouček. Am Samstag erhielt er zusammen mit dem CSU-Politiker Christian Schmidt den Europäischen Karlspreis. Im Interview für Radio Prag International sagt Rouček, diese Auszeichnung sei für ihn eine große Ehre:

„Ich bin froh darüber, weil Christian Schmidt und ich seit vielen Jahren gemeinsam als Ko-Vorsitzende des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums an guten deutsch-tschechischen Beziehungen arbeiten. Für mich ist der Preis eine Ehre. Ich bin aber nicht erst seit den letzten Jahren aktiv, sondern eigentlich schon seit meiner Kindheit. Ich habe immer enge Kontakte zu Deutschland gehabt.“

Libor Rouček | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

1977 war Rouček aus seiner tschechoslowakischen Heimat nach Österreich emigriert. An der Universität in Wien studierte er Politologie, und das Thema seiner Doktorarbeit lautete „Die Tschechoslowakei und die Bundesrepublik Deutschland 1949 – 1983“.

Die Beziehungen zwischen beiden Staaten beziehungsweise dem heutigen Tschechien haben sich seit der politischen Wende von 1989 komplett gewandelt. Ist mittlerweile auch das Verhältnis zwischen Tschechen und Sudetendeutschen so harmonisch wie nie zuvor?

„Das lässt sich so sagen. Allgemein werden die deutsch-tschechischen und seit einigen Jahren auch die bayerisch-tschechischen Beziehungen als sehr gut angesehen. Und obwohl es länger gedauert hat, gilt das nun ebenso für die sudetendeutsch-tschechischen Beziehungen. Schritt für Schritt entdecken wir unsere gemeinsamen Wurzeln. Und wir versuchen zu zeigen, dass auch Völker, die Krieg gegeneinander geführt haben und verfeindet waren, sich versöhnen können. Dass sie sich für das damalige Unrecht entschuldigen, in die Zukunft schauen und friedlich und freundschaftlich zusammenarbeiten“, so Libor Rouček.

Dennoch sieht er noch Verbesserungsbedarf im Verhältnis zwischen Tschechen und Sudetendeutschen…

„Ich habe in meiner Rede auch gesagt, dass ich noch etwas vermisse. So zum Beispiel eine Erklärung des tschechischen Parlaments zu den Sudetendeutschen. In dieser sollte formuliert werden, dass sich nicht nur Tschechen, sondern auch Sudetendeutsche jahrhundertelang am Aufbau und der Prosperität der böhmischen Länder beteiligt haben.“

Bernd Posselt | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Außerdem sprach sich der Sozialdemokrat dafür aus, von tschechischer Seite irgendwann auch Bernd Posselt zu ehren. Rouček und er kennen sich seit einem Treffen der Sudetendeutschen mit Exil-Tschechen im Jahr 1978. Gerade in den vergangenen 15 bis 20 Jahren habe Posselt viel für eine Verbesserung des Verhältnisses erreicht, betont Rouček:

„Er hat es innerhalb der Sudetendeutschen Landsmannschaft nicht gerade einfach gehabt. Denn es gab noch Leute dort, die zum Beispiel Eigentum zurück wollten. Damals wurde zudem über die Beneš-Dekrete geredet. Aber es war Bernd Posselt, der nach und nach die Sudetendeutsche Landsmannschaft von ihrer Ausrichtung auf die Vergangenheit zu der auf die Zukunft geführt hat. Und ich habe mich um dasselbe auf tschechischer Seite gekümmert.“