Magische Nacht in Prag: Slavia kegelt Sevilla raus

Foto: ČTK / Kateřina Šulová

Es ist der Stoff, aus dem die Fans des runden Leders gerne schwelgen: Am Donnerstagabend konnten auch die Anhänger von Slavia Prag ein wahres Fußballwunder erleben. Denn in einem dramatischen Spiel der Europa League eliminierte ihr Verein den fünffachen Cupgewinner aus Sevilla mit 4:3 nach Verlängerung.

Foto: ČTK / Michal Kamaryt

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Für eine Sensation muss man hart arbeiten. Und bis zuletzt daran glauben. Das tun die Spieler von Slavia Prag im Rückspiel des Achtelfinales der Europa League gegen den FC Sevilla. Eine Minute vor dem Abpfiff der Nachspielzeit steht es 3:3 – das ist zu wenig für die Gastgeber nach dem 2:2 vor einer Woche in Andalusien. Fast 30 Meter vor dem Gästetor gibt es aber noch einmal Freistoß für Slavia, und nach diesem Standard fällt das Tor zum 4:3-Endstand.

„Ein Wunder ist passiert“, jubelt der tschechische TV-Reporter Jaromír Bosák, und gegenüber seinem Co-Kommentator fügt er hinzu:

„Ich habe dir schon gesagt, dass Slavia kein Traumtor schießen muss, Hauptsache der Ball geht noch einmal über die Torlinie. Und er wurde ja auch irgendwie reingemurmelt.“

Jindřich Trpišovský  (Foto: ČTK / Michal Kamaryt)
Nach dem Freistoß, der zunächst in der Abwehrmauer hängenblieb, gab es ein richtiges Tohuwabohu im Gästestrafraum. Mittelfeldspieler Benjamin Traore schoss als Letzter auf das Tor und die Abwehraktion von Sevillas Verteidiger Kjaer missglückte, so dass der Ball ins Tor kullerte. Danach gab es bei allen Rot-Weißen kein Halten mehr. Selbst Slavia-Trainer Jindřich Trpišovský sprintete über den halben Platz zu der Tortribüne, in der seine Akteure das Siegtor feierten. Nach der Partie war er nur noch stolz auf seine Jungs:

„Unser Team ist mental sehr stark, und so haben meine Spieler auch nie den Mut verloren. Alle wussten, wie gut Sevilla am Ball ist, doch mit ihrem unerschütterlichen Selbstvertrauen haben meine Männer den Gegner in die Knie gezwungen. Sie haben eine Leistung vollbracht, die wir selbst kaum für möglich gehalten haben.“

Lukáš Masopust  (links). Foto: ČTK / Kateřina Šulová
Gar völlig aus dem Häuschen war Trpišovskýs Co-Trainer Zdeněk Houštecký, als er in ein Mikrofon sprach:

„Ich bin total fertig, es ist unglaublich, was hier gerade passiert ist. Ich ziehe den Hut vor dieser Mannschaft, ansonsten fehlen mir einfach die Worte.“

Aber auch die Kicker selbst konnten das Geschehen auf dem grünen Rasen kaum in Worte fassen. Mittelfeldspieler Lukáš Masopust:

„Das ist etwas Unbeschreibliches und Phantastisches, was uns heute gelungen ist. Ich denke, daran werde ich mich stets gern erinnern.“

Ähnliche Worte fand auch Slavias Ballverteiler und Mittelfeldmotor Tomáš Souček, der per Elfmeter zum zwischenzeitlichen 2:1 getroffen hatte. Souček äußerte sich aber ebenso zur spielentscheidenden Phase, nachdem Teamkollege Mick van Buren in der 102. Minute zum 3:3 ausgeglichen hatte:

Mick van Buren  (rechts). Foto: ČTK / Kateřina Šulová
„Zum Glück haben wir noch in der ersten Hälfte der Verlängerung das Ausgleichstor erzielt. Das hat uns nochmal Kraft gegeben, zumal wir spürten, wie Sevilla immer ängstlicher wurde. Das hat uns angetrieben.“

Dass Slavia in der Endphase des Thrillers einfach besser war, bestätigte auch der Schlussmann der Gäste, der tschechische Nationaltorwart Tomáš Vaclík:

„In dem Moment, als wir in der Verlängerung das 3:2 erzielten, lagen wir quasi mit zwei Toren vorn. Doch leider haben wir den Vorsprung nicht gehalten, auch weil Slavia alles auf eine Karte setzte. Jetzt kann ich dem Gegner nur zum Weiterkommen gratulieren.“

Nach 19 Jahren stehen die Prager erstmals wieder im Viertelfinale eines europäischen Wettbewerbs. Wie die Auslosung am Freitag in Nyon ergab, treffen sie in der Runde der besten Acht auf den Londoner Verein FC Chelsea. In der ersten Begegnung am 11. April spielt Slavia vor heimischem Publikum.

Autor: Lothar Martin
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