Mehr als Berge, Käse und Schokolade – der „Schweizer Frühling“ in Tschechien
Die Schweiz ist in Tschechien weniger präsent, als ihre deutschsprachigen Nachbarn Deutschland und Österreich. Dies soll sich beim „Švýcarské jaro“ (Schweizer Frühling) ändern. Rund 50 Veranstaltungen sind in neun verschiedenen tschechischen Städten geplant. Zum Programm gehören unter anderem Konzerte, Vorträge, Aufführungen und Ausstellungen. Auch die Verköstigung von Schweizer Spezialitäten darf nicht fehlen. Der Schweizer Frühling findet vom 28. Februar bis 27. März statt.
„Es ist für mich eine sehr schöne Gelegenheit. Ich war lange Zeit in Tschechien, als Chefdirigent der Prager Philharmoniker. Seit dieser Zeit ist Tschechien meine zweite Heimat. Außerdem fühle ich mich in der tschechischen Musik zu Hause. Natürlich gibt es viele Schweizer Komponisten, aber die meisten Stücke sind nach 1900 entstanden. Das ist alles zeitgenössische Musik und oft auch nicht für das ganz große Publikum gemacht. Jetzt das Eröffnungskonzert in Tschechien dirigieren zu dürfen, ist eine große Ehre für mich. Ich empfinde auch einen gewissen Stolz, den ich sowohl für Tschechien als auch für die Schweiz habe.“
Zehnder wird nicht nur in Prag, sondern auch in Brno / Brünn auftreten. Damit bei der Musik ein Hauch Schweizer Bergluft weht, spielt der Hornist Radek Baborák bei dem Eröffnungskonzert ein Alphorn. Für diesen Auftritt hat er extra die Anblastechnik für das hölzerne Blasinstrument gelernt. Doch nicht nur der Musiker musste sich vorbereiten. Der Schweizer Botschafter André Regli und sein Team haben insgesamt drei Jahre an der Entwicklung des Projekts gearbeitet. Den diplomatischen Vertretern der Schweiz wichtig, ein möglichst großes Fest mit vielen verschiedenen Veranstaltungen zu organisieren. André Regli:„Die umliegenden Länder in Europa und die USA haben natürlich den Vorrang. In diesen Ländern finden oft solche Events statt. In einem Land wie Tschechien ist es doch eher selten, solche Veranstaltungen zu organisieren. Ich bin unserem Ministerium sehr dankbar, dass es uns dabei unterstützt.“
Das vielseitige Programm bietet vor allem Einblicke in die Kultur und Gesellschaft des Landes. Unter anderem werden bei einem Schweizer Bauernmarkt, der an allen vier Samstagen im März in Prag stattfindet, Spezialitäten des Landes verkauft. Am 2. März wird zusätzlich die traditionelle Zubereitung des Alpkäses vorgestellt. Außerdem finden in Olmütz zwei Nordic-Walking-Workshops statt, bei denen die Technik des Sports erklärt wird. Zudem können die Teilnehmer an einem Quiz über die Schweiz teilnehmen. Eine weitere Veranstaltung heißt „Basler Fasnacht“. Am 13. März können sich Interessierte dabei ein Bild vom Schweizer Karneval machen. Mit bunten Masken und aufwändigen Kostümen feiert man in Basel jedes Jahr mit über 18.000 aktiven „Fasnächtlern“ 72 Stunden lang, von Montag bis Aschermittwoch. Mit dem vielseitigen Programm versucht die Schweiz, sich von einer anderen Seite zu zeigen:„Über einen Monat sind wir präsent mit verschiedenen Events. Dabei profitieren wir natürlich vom Marketing. Unter dem Hut des ‚Schweizer Frühlings’ finden eben all diese Anlässe statt - und man nimmt uns bestimmt anschließend besser wahr. In der breiten Bevölkerung kennt man die Schweiz häufig von ihren Klischees, wie den Bergen, der Schokolade und den Uhren. Eines der Ziele des Schweizer Frühlings ist es, gewisse spezifische Facetten unseres Landes hier zu präsentieren“, so Botschafter Regli.Ein Vortrag im Programm heißt sogar „Die Schweiz – das vielseitigste Land in Europa“. Zur Vielseitigkeit gehört sicher auch das politische System der Eidgenossen. Auch das wird in Tschechien erläutert, und zwar bei zwei Konferenzen. Sie finden in Liberec und in Prag statt und werden jeweils begleitet von einer Ausstellung mit dem Titel „Moderne direkte Demokratie“. Marianne Gerber Szabo ist Botschaftsrätin der Schweiz und freut sich auf diese Veranstaltungen:
„Ich kann mir vorstellen, dass unsere Ausstellung und die Konferenz über die direkte Demokratie für die tschechische Bevölkerung interessant sein könnten. Das denke ich nicht nur wegen der ersten Direktwahl des tschechischen Staatspräsidenten, die gerade stattgefunden hat, sondern auch in Hinsicht auf die Frage, was die direkte Partizipation der Bürger in einem demokratischen Staat bedeutet. Die Partizipation beinhaltet ja nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Wie kann man diese Pflichten wahrnehmen und was kann man machen? Ich bin überzeugt, dass dieses Thema auch Leute interessiert, die nicht aus der Politik kommen.“ Fast schon eigenes kleines Festival sind die Jazz-Konzerte mit Schweizer Interpreten, sieben Auftritte finden im Prager „Jazz Dock“ statt. Jakub Zitko ist Programmdirektor des Clubs und beschreibt die Schweizer Szene als sehr bunt und verschiedenartig. Die Musiker verharren nicht im Mainstream, sondern mischen Jazz mit Alternative Music, Klassik und Klangexperimenten.„Drei der Bands bei uns entsprechen genau diesem Geist. Da ist das Lucien Dubuis Trio. Die Musiker spielen Kontrabassklarinette, Bass und Schlagzeug. Sie machen einen Mix aus Punk, Elektronik und Jazz. Dann das Rusconi Trio. Das experimentiert mit dem Klang des Klaviers durch unterschiedliche Präparationen, dazu kommt ein akustischer Groove, der bis in die Rockmusik und Alternative Music hineinragt. Und schließlich möchte ich Andreas Schärer hervorheben. Das ist ein Sänger und Beatboxer, der bei uns im Jazz Dock auch schon einmal mit seiner eigentlichen Band aufgetreten ist. Ich finde ihn faszinierend. Diesmal kommt er mit Rom und Eberle im Trio. Diese Neuheit ist sehr interessant. Das Trio hat viel Humor - wirklich fantastisch“, so Jakub Zitko.
Ob Kaspar Zehnder eines der Konzerte im Jazz Dock besucht, hat er nicht verraten. Einige Veranstaltungen des Prager Frühlings hat er aber in seinem Kalender eingeplant:„Ich bin zwei Wochen hier in Brünn und in Prag. Ich werde also alle Ausstellungen besuchen und Schweizer Spezialitäten essen. Ich muss sagen, wir Schweizer haben sehr viel Mühe mit Patriotismus. In der Schweiz wird er oftmals ausgenutzt und missbraucht. Wichtig ist zu lernen, ein Heimatgefühl zu haben und zu seiner Heimat zu stehen. Man sollte versuchen, die guten Qualitäten seiner Heimat nach außen zu tragen - und nicht die rechtsextremen Strömungen und die demagogischen Versuche von rechtsextremen Parteien und Gruppierungen. Diese stellen die Schweizer in ein schlechtes und - meiner Ansicht nach - auch völlig falsches Licht.“
Auch der Botschafter ist der Ansicht, dass sich die Schweiz stärker nach außen präsentieren sollte. André Regli sieht dabei den Schweizer Frühling in Tschechien als einen Anfang:„Unser Ziel war, mit diesem Anlass einen Kick-off zu geben, uns zu präsentieren und vermehrt Visualität zu zeigen. Dank dem Dialog bin ich überzeugt, dass auch in Zukunft solche Events, vielleicht in einem kleineren Rahmen, stattfinden können.“