Misswirtschaft droht Betrieb in Tschechischer Armee lahmzulegen
Am Mittwoch stattete der tschechische Präsident dem Generalstab der Tschechischen Armee einen Besuch ab. Doch es war, wie sich schnell herausstellte, alles andere als ein Routinebesuch. Jahrelange Misswirtschaft hat nämlich dazu geführt, dass die tschechischen Streitkräfte in allergrößten finanziellen Schwierigkeiten stecken. Wie groß sie sind, dazu mehr im folgenden Beitrag von Lothar Martin.
Die Tschechische Armee hat den Notzustand ausgerufen. Allerdings nur - wenn man das so sagen darf - was ihre wirtschaftliche Seite anbelangt. Doch die ist angespannt genug. Milliarden von Kronen sind in schlechten Geschäften versickert und schlagen sich nun negativ auf den Betrieb in den Kasernen nieder.
"In diesem Jahr fehlt uns eine Milliarde Kronen im Budget, doch im nächsten Jahr werden es derer schon drei Milliarden sein," zeichnet der neue ökonomische Chef im Verteidigungsministerium Jaroslav Tvrdik in einem Gespräch für die Tageszeitung "Mlada fronta Dnes" das derzeit düstere Bild. Das Haushaltsdefizit hat nämlich zur Folge, dass es zu radikalen Einschnitten bei der Ausbildung der Soldaten kommt, was natürlich die NATO-Zentrale in Brüssel alles andere als erfreut, ergänzt Tvrdik.
Wie konnte es zu dieser Situation kommen? In seinen Ausführungen legt Tvrdik dar, dass die Tschechische Armee durch viele schlecht vereinbarte Geschäftsaufträge inzwischen Verluste von mehreren Milliarden Kronen angehäuft hat, die beginnen, die hiesigen Streikräfte lahmzulegen. So seien zum Beispiel für die Installierung eines logistischen Informationssystems 1,2 Milliarden Kronen geflossen, allerdings ohne sichtbare Gegenleistung. "Denn das System funktioniert nicht," sagt Tvrdik und verweist darauf, dass bis zu dessen Fertigstellung weitere Hunderte Millionen erforderlich seien, die das Ministerium aber nicht habe.
Und das Verzeichnis schlechter Einkäufe in noch länger. So ließ Tvrdik zum Beispiel die Geschäfte mit der Gesellschaft Omnipol eingestellen, die der Armee defekte Raketen für 80 Millionen Kronen geliefert hat. "Das Geld müssen sie zurück zahlen," erklärt der neue Chefökonom, den Verteidungsminister Vladimir Vetchy als Rettungsanker in das schon unterzugehende Schiff geworfen hat. "Schade nur, dass er sich zu diesem Schritt erst entschlossen hat, als er Angst um seinen Stuhl bekam," wird ein hoher Offizier in der "Mlada fronta Dnes" zitiert.
Dass die radikalen Eingriffe, die Jaroslav Tvrdik vorzunehmen hat, vonnöten sind, steht außer Frage. Nicht zuletzt hat auch die NATO-Zentrale in Brüssel schon längere Zeit ihre merkliche Verstimmung zur Entwicklung in der Tschechischen Armee geäußert. Deshalb sieht man in Prag dem bevorstehenden Besuch von NATO-Generalsekretär George Robertson auch schon mit einem flauen Gefühl in der Magengrube entgegen. Dieser Besuch, so wird gemunkelt, hat Verteidigungsminister Vetchy bisher den Kopf gerettet. Wenn er ihn ganz aus der Schlinge ziehen will, muss er vermutlich noch mehr unternehmen, als fünf vor Zwölf seinen für den wirtschaftlichen Bereich verantwortlichen Stellvertreter auszuwechseln.