Mit dem Elektrobus durch die steilen Gassen der Prager Kleinseite

Foto: Tomáš Adamec

Seit vergangener Woche ist der Prager Nahverkehr um eine Linie reicher: Die Busse mit der Nummer 292 verbinden den Kleinseitner Platz / Malostranské náměstí mit dem Krankenhaus am Laurenziberg / Petřín. Doch die 292 ist alles andere als eine gewöhnliche Buslinie: Sie fährt durch die ebenso engen wie steilen Gassen der Kleinseite und das emissionsfrei und nahezu geräuschlos. Zum Einsatz kommen nämlich kleine, batteriebetriebene Busse. Und auch sonst hat die Linie so manche Überraschung zu bieten.

Foto: Tomáš Adamec
Der Malostranské náměstí – zu Deutsch Kleinseitner Platz – ist die zentrale Straßenbahnhaltestelle auf der Prager Kleinseite. Wer von dort in die umliegenden Gassen wollte, die zum Teil steil ansteigend auf den Petřín / Laurenziberg und zur Prager Burg führen, dem blieb bisher nichts Anderes übrig, als sich ein wenig sportlich zu betätigen. Und je nach Wetter konnte das ganz schön anstrengend werden. Erst recht für die Patienten und Besucher des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern am Laurenziberg. Es liegt ganz oben, am Ende der Vlašská-Straße, und von der Straßenbahnhaltestelle ist man gut 15 bis 20 Minuten unterwegs. Für Gehbehinderte blieb da oft nur das Taxi. Nun gibt es eine bequeme Alternative: Seit vergangenen Mittwoch bedient die Buslinie 292 die Strecke im Viertelstundentakt, von 5 Uhr 30 bis 20 Uhr, 365 Tage im Jahr. Die Einführung einer solchen Linie sei bereits überfällig gewesen, findet der Bürgermeister des ersten Prager Stadtbezirks, Filip Dvořák:

Die Prager Kleinseite
„Das ist ein Projekt, das die Verkehrserschließung von Prag 1 ergänzt und den Bewohnern mehr Komfort bietet. Mit dieser neuen Linie wird das Krankenhaus am Petřín endlich an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen. Es war das letzte Prager Krankenhaus, das man nicht mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichen konnte.“

Eigentlich sollte die Buslinie auf der Prager Kleinseite schon im Oktober des Vorjahres in Betrieb gehen, doch es mangelte an geeigneten Fahrzeugen. Ursprünglich wollten die Prager Verkehrsbetriebe dieselben kleinen Busse einsetzen, die schon seit einigen Jahren auf anderen Linien, die ebenfalls durch enge Gassen führen, zum Einsatz kommen. Doch auch sie waren für die Kleinseite noch zu groß; außerdem erwies sich ihr Dieselmotor als zu schwach und zu laut. Man habe sich daher nach Alternativen umsehen müssen, sagt der Chef der Prager Verkehrsbetriebe, Martin Dvořák:

„Es war ein ziemliches Problem, einen Hersteller zu finden, der ein Fahrzeug liefern kann, das allen Anforderungen entspricht. Wir haben ihn gefunden, und nun werden wir in den kommenden Monaten und Jahren sehen, wie sich ein rein elektrisch angetriebener Bus im Prager Stadtverkehr bewährt.“

Martin Dvořák
Tatsächlich gleiten die Busse nahezu geräuschlos durch die Gassen. Das Fahrgeräusch auf dem Kopfsteinpflaster ist bei weitem lauter als das leise Summen des Motors. Hergestellt werden die kleinen Fahrzeuge, die trotz ihrer nur elf Sitzplätze wie ein richtiger Autobus aussehen und nicht bloß wie ein vergrößerter Minivan, von der italienischen Firma „Bredamenarinibus“. Bisher seien der Schwachpunkt solcher Fahrzeuge immer die Batterien gewesen, sagt Ingenieur Benvenuti, der im Auftrag des Herstellers die ersten Tage des Betriebes in Prag beobachtet. Einem hohen Gewicht stand nur wenig Leistung gegenüber. Nun habe man die bereits aus Kleingeräten wie Kameras oder Mobiltelefonen bekannte Akku-Technik erstmals auch im großen Maßstab für ein Fahrzeug anwenden können, sagt Benvenuti im Gespräch mit Radio Prag, das natürlich an Bord des Elektrobusses stattgefunden hat:

„Dieser Bus wird von einer Lithium-Ionen-Polymerbatterie gespeist. Die ist sehr kompakt und leicht und hat dennoch eine viel höhere Leistung als die herkömmlichen Blei-Akkumulatoren. Diese neuen Akkumulatoren haben auch eine viel höhere Gesamtlebensdauer als die alten Blei-Akkus, die sehr schnell an Leistung verloren haben. Unter den Prager Bedingungen haben die Busse eine Reichweite von 90 bis 100 Kilometer. Es hängt natürlich auch vom Verkehr und der Fahrweise der Lenker ab, wie lange die Batterie tatsächlich hält. Das sind wirklich innovative Fahrzeuge, die sehr ökologisch sind, weil sie keine direkten Emissionen produzieren. Neu ist auch das Ladesystem, das direkt an Bord eingebaut ist. Es reicht also eine Steckdose und nach sechs bis neun Stunden ist der Akku wieder voll aufgeladen.“

Foto: Tomáš Adamec
Um sicherzugehen, dass den Bussen nicht dennoch unterwegs der Saft ausgeht, haben die Prager Verkehrsbetriebe zwei Fahrzeuge angeschafft. Während einer auf der Kleinseite auf- und abfährt, hängt der andere an der Steckdose. Dazu hat man extra an der Endstation im Hof des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern einen leistungsfähigen Stromanschluss installiert. Zur Sicherheit sind in den ersten Betriebstagen auch Ingenieur Benvenuti und sein Kollege Lucio Cotti im Bus mit dabei. Über ein Notebook, das sie am Armaturenbrett des Busses angesteckt haben, verfolgen die beiden Mitarbeiter der Herstellerfirma Bredamenarinibus den aktuellen Betriebszustand:

„Es funktioniert bestens. Wir beobachten alles sehr genau, vor allem den Zustand der Batterie. Wir haben auch jetzt am Nachmittag noch genügend Strom. In Frankreich und in Spanien haben wir diese neuen Fahrzeuge schon seit einigen Monaten im Einsatz und auch dort gibt es keine Probleme. In Italien fahren ähnliche Elektrobusse schon seit einigen Jahren. Zum Beispiel in Rom, in Bologna, Catania oder in einigen Städten in den Abruzzen. Auch dort sind die Kunden zufrieden. Gerade in den historischen Stadtzentren mit ihren engen Gassen bewähren sich unsere wendigen Busse. Und die Verkehrsbetriebe verlangen immer öfter emissionsfreie Fahrzeuge“, erklärt Techniker Benvenuti.

Doch auf der Prager Kleinseite bieten sich den wendigen Kleinbussen dennoch einige Hindernisse. So sorgt der zeitweise recht starke Liefer- und Anwohnerverkehr für den einen oder anderen Stopp und bei Gegenverkehr in den schmalen Gassen ist das Geschick der Lenker und die Rücksichtnahme der anderen Verkehrsteilnehmer gefragt. Einen Zwangsstopp müssen die Busse der Linie 292 außerdem bei der Botschaft der Vereinigten Staaten einlegen. Aus Sicherheitsgründen wird dort jedes Fahrzeug von der Polizei angehalten und auf möglichen Sprengsätze kontrolliert. Zwar sind die verschiedenen Wartungsklappen der Busse extra plombiert, dennoch umrunden zwei Polizisten den Wagen und kontrollieren mit Spiegeln und Taschenlampen das Fahrgestell. Tag für Tag, alle fünfzehn Minuten aufs Neue. Innenraum und Fahrgäste werden hingegen nicht durchsucht. Dennoch schien der für einen Bus recht knapp bemessene Fahrplan in den ersten Betriebstagen zu halten, und dies trotz der verschneiten Straßen.

Die Fahrgäste sind auf jeden Fall begeistert von der neuen Buslinie, wie Radio Prag bei einem Lokalaugenschein feststellen konnte:

„Einfach phantastisch! Vor allem für Leute, die schlecht zu Fuß sind. Und erst recht bei dem Wetter. Ich bin heute zum ersten Mal gefahren und werde sicher öfter wieder einsteigen“, so diese Frau. Und eine Dame neben ihr pflichtet ihr bei:

Foto: Tomáš Adamec
„Ja, ich bin auch ganz begeistert. Ich komme seit sieben Jahren immer wieder hier herauf ins Krankenhaus. Meine Mutter lässt sich hier regelmäßig behandeln. Ich bin sehr froh, dass jetzt endlich der Bus fährt, besonders bei dem schlechten Wetter. Bisher bin ich von der Straßenbahn zu Fuß hinaufgegangen, und auf halbem Weg ist mir immer die Puste ausgegangen. Vor der deutschen Botschaft musste ich meistens eine kurze Rast einlegen.“

Bürgermeister Filip Dvořák verspricht, sein Stadtbezirk Prag 1 plane schon weitere Elektrobuslinien. Auf insgesamt fünf Strecken sollen die kleinen Busse in Zukunft durch die Prager Altstadt fahren und bisher nicht erschlossene Gebiete an das öffentliche Nahverkehrsnetz anbinden.