Prager Stadtverkehr im Ersten Weltkrieg: Frauen im Einsatz und Transport von Toten und Verwundeten

Vor 110 Jahren ist der Erste Weltkrieg in Europa ausgebrochen, der das Alltagsleben aller Menschen grundlegend verändert hat. Auch der öffentliche Personennahverkehr wurde davon beeinflusst. Eine neue Ausstellung im Museum für ÖPNV in Prag zeigt die Zusammenhänge auf.

Die Ausstellung „Der Prager Stadtverkehr im Ersten Weltkrieg“ | Foto: Foto: Sabina Vosecká,  Tschechischer Rundfunk

Historische Straßenbahnen, einzigartige Fotos und bewegende Geschichten über eine Epoche, die das Leben nicht nur auf den Schienen veränderte. Dies alles zeigt die Ausstellung „Der Prager Stadtverkehr im Ersten Weltkrieg“. Bei der Vorbereitung wurde aus verschiedenen Quellen die bisher umfangreichste Materialsammlung zum Thema zusammengetragen. Sie ein präsentiert Bild des Prager Straßenbahnverkehrs während des Ersten Weltkriegs und auch in den Jahren unmittelbar davor und danach.

Die Männer mussten nach dem Kriegsausbruch an die Front ziehen und wurden von Frauen ersetzt. So arbeiteten damals 400 Frauen bei den Prager Elektrizitätsbetrieben, und zwar nicht nur als Schaffnerinnen in den Trams, sondern auch als Wartungstechnikerinnen. Petr Malík leitet das Museum für öffentlichen Nahverkehr im Straßenbahndepot im Prager Stadtteil Střešovice:

Erste Frauen bei den Prager Elektrizitätsbetrieben  (1915) | Foto: Archiv von DPP

„Die Frauen waren sehr populär. Der wohl bekannteste Liedermacher jener Zeit, Karel Hašler, schrieb sogar ein Couplet mit dem Titel ‚Die Prager Kondukteurin‘. Die Schaffnerinnen wurden oft auch fotografiert. Nach dem Kriegsende, etwa 1919, 1920 wurden sie aber entlassen. Sie kehrten im Zweiten Weltkrieg wieder in den Dienst zurück.“

Erste Frauen bei den Prager Elektrizitätsbetrieben  (Straßenbahndepot im Prager Stadtteil Strašnice,  um 1916) | Foto: Archiv von DPP

Die Straßenbahnen übernahmen in der Kriegszeit ganz neue Aufgaben. Denn die Pferde, die bis dahin genutzt wurden, wurden für den Einsatz an den Fronten requiriert. Und in den elektrischen Straßenbahnen wurden nun Güter wie Kohle und Müll befördert, in Sanitätsstraßenbahnen Kranke und Verwundete, und es gab auch Bestattungsstraßenbahnen, die die Leichenwagen ersetzten. Petr Malík:

„Hier sehen wir das Interieur einer Sanitätsstraßenbahn, die zum Transport der Verwundeten diente. Wir können uns die riesigen Zahlen kaum vorstellen. Die Sanitätsstraßenbahnen haben etwa im Jahr 1916 insgesamt mehr als 170.000 Personen befördert. In jeder Straßenbahn standen nur acht bis zehn Plätze zur Verfügung, sie mussten daher immer wieder hin- und herfahren.“

Während des Ersten Weltkriegs verkehrten in Prag Güterstraßenbahnen | Foto: Archiv von DPP

Der Kurator der Ausstellung wollte nicht nur die Fahrzeuge zeigen, sondern auch erzählen, wie die Menschen in Prag in der Kriegszeit lebten. Er sprach daher den Gründer des Verlags Pražské příběhy (Prager Geschichten), Dan Hrubý, an. Der sagt:

„Straßenbahnen haben viele Fans, die sich in den technischen Details auskennen. Wir wollten die Ausstellung aber auch für diejenigen machen, die nicht so begeisterte Anhänger der Technik sind. Wir zeigen den Straßenbahnverkehr im Kontext der Zeit. Wir weisen etwa darauf hin, dass es Menschen gab, die sich keine Fahrkarte leisten konnten, um mit der Straßenbahn zu fahren. Die Zeit war sehr kompliziert.“

An der Erstellung der Ausstellung beteiligte sich auch der Experte für die Geschichte des öffentlichen Stadtverkehrs, Ondřej Láska. Er macht im Folgenden auf ein Bild aufmerksam, auf dem der Hof des Straßenbahndepots im Prager Stadtteil Žižkov zu sehen ist. Die Uhr in der Depothalle zeigt fünf Minuten vor zwölf und viele Straßenbahnen warten dort, um loszufahren. Eine davon habe eine spannende Geschichte, erzählt Láska:

Die Ausstellung „Der Prager Stadtverkehr im Ersten Weltkrieg“ | Foto: Foto: Sabina Vosecká,  Tschechischer Rundfunk

„Das Fahrzeug wurde vor dem Ersten Weltkrieg hergestellt. Während des Krieges diente es als Sanitätsstraßenbahn und im Anschluss daran wieder als Personenverkehrsmittel. Die Straßenbahn hat auch den Zweiten Weltkrieg überlebt. Danach schien es schon, dass sie außer Betrieb gesetzt wird und verschrottet wird. Schließlich wurde sie aber in die slowakische Stadt Košice gebracht und war dort noch viele Jahre in Betrieb. Nachdem sie ausgedient hatte, hat ein Mitarbeiter der dortigen Verkehrsbetriebe sie als Hütte genutzt. Es gab Versuche, die Straßenbahn wieder fahrbar zu machen. Dies ist bisher nicht gelungen, aber das Wrack der Fahrzeugs existiert bis heute.“

Die Ausstellung „Der Prager Stadtverkehr im Ersten Weltkrieg“ dauert bis 17. November. Das ÖPNV-Museum ist bis zum Ende der Sommerferien mittwochs, samstags und sonntags von 9 bis 17 Uhr geöffnet, ab September dann an Wochenenden und Feiertagen von 9 bis 17 Uhr.

Autoren: Markéta Kachlíková , Alžběta Havlová
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