Mit dem Kran auf Käferjagd

Vojtěch Novotný (Archiv von Vojtěch Novotný)
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Tschechische Forscher untersuchen die Käferwelt Papua-Neuguineas. Und das mit ungewöhnlichen Hilfsmitteln.

Vojtěch Novotný  (Archiv von Vojtěch Novotný)
Es braucht gute Ohren, um das Stimmengwirr im Urwald Papua-Neuguineas zu entknoten. Und einfach ist es tatsächlich nicht, denn ein Großteil der Insekten auf der Pazifikinsel ist schlicht unbekannt. Mehr Licht in den Dschungel wollen Insektenforscher der Universität in České Budějovice bringen, und das mit ungewöhnlichem Gerät.

Es ist ein rund 45 Meter hoher Baukran, der in diesen Tagen aus dem Bäume-Meer nahe der papuanischen Stadt Madang ragt. Die Forschungen leitet Vojtěch Novotný, er ist Ökologe und Entomologe – also Insektenforscher – an der Budweiser Universität:

„Wir haben dort einen ganz normalen Kran, wie man ihn in Tschechien auf Baustellen sieht. Wir heben damit aber nicht Ziegelsteine in ein nächsthöheres Stockwerk, sondern Wissenschaftler in die Baumkronen. Ein Kran bietet die besten Möglichkeiten, dort oben Experimente mit Messgeräten durchzuführen. Er hilft uns ganz einfach dabei, Wissenschaft zu betreiben.“

Manipulation der Nahrungskette

Natürlich könnte man auch mit einem Seil oder einer Leiter auf einen der Urwaldriesen klettern, meint Novotný. Da müsste man sich dann aber wahrscheinlich auf bloße Beobachtungen beschränken. Was ist aber das genaue Ziel der Budweiser Wissenschaftler?

„Aus einer Kabine am Kran heraus wollen wir sämtliche Käfer von den Blättern der Bäume sammeln, und das in einem Umkreis von rund einem Hektar. Wir wollen dabei zunächst feststellen, wie die Nahrungskette in diesem Biosystem ausschaut. Dadurch können wir dann besser verstehen, wie sie eigentlich funktioniert.“

Laut Novotný geht es um weit mehr als nur Beobachtungen:

„Unser Hauptziel sind aber Experimente, bei denen wir die Nahrungskette manipulieren. Beispielsweise können wir durch Netze verhindern, dass die Käfer von Vögeln gefressen werden. Dadurch sehen wir dann, wie sich bestimmte Insekten entwickeln, wenn ein bestimmter Fressfeind wegfällt.“

Foto: Offizielle Webseite entu.cas.cz
Dabei gilt es laut Novotný, viel zu probieren. Ein wichtiges Feld sind zudem die Beziehungen zwischen Fledermäusen und Käfern – oder der Unterschied zwischen tag- und nachtaktiven Krabbeltieren. Die Forscher sind aber nicht nur in Papua-Neuguinea unterwegs:

„Wir wollen langfristig nicht nur auf Papua-Neuguinea forschen, auch wenn das natürlich unser zentrales Forschungsgebiet bleibt. Wir wollen Vergleiche ziehen zu anderen Waldsystemen. Dabei interessieren uns nicht nur andere Tropenwälder, sondern ebenso unsere tschechischen, also Wälder in gemäßigten Klimazonen. Dazu wollen wir unsere Forschung ausweiten.“

Wie bekommt man aber einen handelsüblichen Baukran mitten in den Dschungel einer Pazifikinsel? Einfach sei das auf keinen Fall, gibt Novotný zu:

„Natürlich hatten wir keinen zweiten und höheren Kran, mit dem wir den unseren letztlich aufbauen konnten. Wir mussten also einen Hubschrauber benutzen, der uns die einzelnen Teile mit einem langen Seil an den richtigen Ort brachte. Zum Einsatz kam dabei eine bewährte Maschine vom sowjetischen Typ Mil. Nun muss man beim Bau eines Krans aber die Teile des Krans in Millimeterarbeit zusammenschrauben. Und im starken Wirbel, den die Rotorblätter des Hubschraubers verursachen, ist das alles andere als einfach. Um einen herum fliegen abgebrochene Äste, aber den Kran muss man doch irgendwie fertigbekommen.“

Stahlnetze und Stammeskriege

Der Hubschrauber kam auch deshalb zum Einsatz, da weite Teile des Urwalds nicht anders zugänglich sind. Das Team um Vojtěch Novotny musste die Infrastruktur erst einmal schaffen, die später bei der Expedition genutzt werden soll:

„Der ganze Bau war sehr ungewöhnlich und stellenweise wirklich abenteuerlich. Wir mussten Zugangswege schaffen, aber auch das Anlegen eines Fundaments für den Kran war sehr beschwerlich. Auf Papua-Neuguinea ist es nicht möglich, genug Beton für den Anker des Krans herzustellen. Wir mussten deshalb ein Netz aus Stahl-Planken schweißen, auf dem die ganze Konstruktion sicher stehen kann.“

Doch die technischen Aspekte waren nicht das einzige Problem der Expedition in den Regenwald bei Madang. Die tschechischen Forscher gerieten nämlich mitten in einen Stammeskonflikt:

„Das kam dadurch, dass ein Stamm den Lehrer eines anderen Stammes umgebracht hat. Sie haben ihm den Kopf abgeschlagen und wollten diesen für irgendwelche Rituale verwenden. Der Clan des getöteten Lehrers konnte das verständlicherweise nicht einfach so hinnehmen. Die Kämpfe weiteten sich schließlich auf die ganze Stadt aus, in der wir wohnten. Und unser ganzer technischer Zeitplan kam so durcheinander.“

Am Ende war der Kopf des Lehrers wieder im richtigen Dorf, und die Wissenschaftler konnten ihre Arbeit fortsetzen.

Foto: Offizielle Webseite entu.cas.cz

Ein Blick auf die Sprachenvielfalt

Die Forscher sind teils mitten im Dschungel, teils verbringen sie ihre Zeit auch in der nahegelegenen Großstadt Madang. Der Kontakt mit den Einheimischen ist da sehr intensiv. Dabei geht es nicht nur darum, wie man am besten bei Stammeskämpfen überlebt. Manchmal bekommt man da als Wissenschaftler auch Lust auf mehr:

„Wir haben bei unserem Aufenthalt noch eine ganz andere Richtung in unserer Forschung eingeschlagen. Neuguinea ist nicht nur in Flora und Fauna unglaublich vielfältig, sondern auch kulturell. Zusammen mit unseren papuanischen Kollegen vor Ort wollen wir in Zukunft die Verbreitung der Sprachen auf der Insel untersuchen und wie sehr diese bedroht sind. Insgesamt werden dort rund 1045 verschiedene Sprachen verwendet.“

Foto: Offizielle Webseite entu.cas.cz
So viele Sprachen auf so kleinem Raum gibt es nirgendwo anders auf der Welt. Die meisten Papuaner sprechen Englisch oder das sogenannte Tok Pisin, bei dem Englisch mit Elementen von Stammessprachen gemischt wird. Der Entomologe Vojtěch Novotný war gleich nach seiner Ankunft im Pazifik schwer begeistert davon. Er schildert, wie es im Umfeld des Forschungscamps in Madang zugeht:

„Die Sprachen-Vielfalt ist überwältigend. Unsere Mitarbeiter am Institut dort sprechen in der Regel acht verschiedene Sprachen. Geht man ans Gymnasium, wo einige von ihnen unterrichten, dann wird es noch interessanter. Manche Schüler sprechen da bis zu zehn Sprachen fließend.“

In einer Klasse haben die Forscher um Novotny einmal nachgefragt, wie gut sich die Schüler untereinander verstehen. Dabei hätten zwei Drittel der Gymnasiasten angegeben, dass ihr bester Freund oder ihre beste Freundin eigentlich eine ganz andere Muttersprache habe, erklärt der Naturforscher.