Mitfinanzierung der EU-Projekte durch Landkreise derzeit ungelöst
Seien Sie herzlich willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, zu einer neuen Ausgabe des Eurodomino. Nach den politischen Augustferien stürzen wir uns auf ein Thema, das sowohl regional- als auch europapolitischer Natur ist. Die tschechischen Landkreise warnen: Nach dem EU-Beitritt der Tschechischen Republik können Schwierigkeiten bei der Schöpfung der Gelder aus den EU-Fonds entstehen.
Die tschechischen Landeshauptmänner haben im Juli an der Beratung des Ausschusses der Regionen in Brüssel teilgenommen. Bei dieser Gelegenheit haben sie dort angemerkt, dass Tschechien nach dem EU-Beitritt Schwierigkeiten mit der Schöpfung von Finanzmitteln aus den EU-Fonds haben könnte. Gründe hierzu gibt es mehrere, sagte mir der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, der Landeshauptmann des mährisch-schlesischen Landkreises Evzen Tosenovsky, der ebenfalls in Brüssel anwesend war:
"Die eine Sache ist der administrative Teil, also die Frage, wie man hier vorgehen wird. Über dieses Thema verhandeln wir mit dem Ministerium für regionale Entwicklung, bzw. mit dem Finanzministerium. Das ist der eine Teil, der einfachere würde ich sagen. Hier hängt es nur davon ab, wie sich die Ministerien entscheiden werden, wie alles vor sich gehen wird und in welche Bereiche die Projekte gehören werden."
Der zweite Teil sei Landeshauptmann Tosenovsky zufolge weniger einfach:
"Der zweite Teil ist etwas schwieriger, weil er mit einer ziemlich bedeutenden Änderung der Gesetze zusammenhängt. Die Landkreise verfügen über Finanzmittel, die zur Mitfinanzierung der verschiedenen Projekte angewendet werden können. Derzeit werden die Landkreise entweder aus eigenen, geringen Steuereinnahmen finanziert, die allerdings nur 3 Prozent des Haushaltes ausmachen. Die zweite Finanzierungsmöglichkeit sind derzeit Zweckdotationen. Sollten wir die 30 oder 40 Prozent der Mitfinanzierung leisten, wäre dies sehr kompliziert, weil die Landkreise derzeit über diese finanziellen Mittel nicht verfügen. Daher legen wir jetzt - nach Zustimmung aller Landkreise - im Parlament ein Änderungsvorschlag vor, in dem 701 Millionen Kronen, die im Haushalt für das Ministerium für regionale Entwicklung bestimmt sind, für die Steuereinnahmen der Landkreise umdisponiert werden. Damit würde eine gewisse Summe geschaffen, die uns die Mitbeteiligung ermöglichen würde. Wenn wir diesen Geldbetrag nicht bekommen würden, wäre die Mitfinanzierung äußerst schwierig. Eine Möglichkeit wären vielleicht Kredite, was allerdings bei der Höhe der notwendigen Beträge ein Risiko für die Landkreise darstellen könnte."
Ich fragte Landeshauptmann Tosenovsky weiter, ob die fehlenden Finanzmittel der Landkreise auch bedeuten könnten, dass Tschechien nach dem EU-Beitritt nicht die finanziellen Mittel anwenden könnte, die ihr von der Union geboten werden. Landeshauptmann Tosenovsky antwortet:
"Dies könnte es auch bedeuten. Es würde aber eher noch mehr administrative Fragen bedeuten. Wir als Landkreise würden die konkreten Projekte vorlegen, und der Staat, oder das Ministerium oder die Regierung müssten dann die Mitfinanzierung sichern. In Frage bleibt, ob man im Staatshaushalt Geld für die Mitfinanzierung der Projekte finden würde. Dies alles würde sich nur in mehr Administration niederschlagen, in Verhandlungen mit den Ministerien, und wir alle kennen die Vetternwirtschaft, mit der in Tschechien vieles abläuft, wenn dann entschieden werden sollte, welches Projekt durchgeführt wird und welches nicht. Wir bleiben nur in der Rolle eines Administrators."
Laut Schilderung von Landeshauptmann Tosenovsky und weiterer seiner Kollegen, die sich zum Thema äußerten, will der tschechische Staat die meisten Entscheidungsbefugnisse für sich behalten. Dies würde doch auch die Grundprinzipien der Europäischen Union verletzen, denn eines der wichtigsten Regeln in der EU ist das Prinzip der Subsidiarität, also der Versuch, die Macht so nahe wie möglich am Bürger zu halten und auf der niedrigsten Ebene Entscheidungen zu treffen. Dem stimmt der Landeshauptmann zu:
"Genau. Das würde überhaupt nicht bedeuten, dass sich die Landkreise an diesem Prozess beteiligen können. Alle Entscheidungsmacht würde beim Staat bleiben und wir würden zu bloßen Verwaltern. Mir entgeht bei dem ganzen, warum die Landkreise also überhaupt geschaffen wurden."
Evzen Tosenovsky, Landeshauptmann des Mährisch-schlesischen Landkreises, hofft allerdings, sowie seine Kollegen aus anderen Landkreisen, dass man für dieses Problem noch eine bessere Lösung finden werde.
Ich fragte Landeshauptmann Tosenovsky auch, ob bei der Lösungssuche, und jetzt nicht nur bei diesem Problem, sondern im allgemeinen, die Kontakte und Besuche sowie die Zusammenarbeit mit Brüssel auf der einen und Partnerregionen auf der anderen Seite etwas helfen?
"An den Tagungen des Ausschusses der Regionen nehmen wir wirklich schon länger teil. Jetzt sind wir bereits zu Beobachtern geworden, also wir nehmen offiziell an den Tagungen teil, haben nur kein Stimmrecht. Wir können allerdings in vielen Dingen schon mitreden. Für uns ist es eine interessante Erfahrung, weil wir mit Menschen verhandeln, die dort schon sehr lange sind. Unsere Erfahrung ist die, dass es immer notwendig ist, Unterstützung anderer zu bekommen. Ich glaube, dass wir immer noch in der Lernphase und in der Phase der Kontaktaufnahme sind. Ich halte es für unsere Landkreise für äußerst notwendig, Erfahrungen und Partnerschaften zu gewinnen, sich in der neuen Umgebung zu bewegen und Verhandlungen zu führen."
Arbeiten die tschechischen Landkreise auf dem Brüsseler Feld zusammen oder sucht sich jeder Landkreis seinen eigenen Partner?
"Nein, die Zusammenarbeit unter den Landkreisen ist sehr eng, die Koordinierung unter uns ist größer als es in der Europäischen Union üblich ist. Die französischen Landkreise sind da eher schon in einer Konkurrenzstellung zueinander. Wir verhalten uns eher als Tschechische Republik als als einzelne Landkreise und ich glaube, dass dies für uns von Vorteil ist. Es verbindet uns die noch mangelnde Erfahrung oder die gemeinsame Suche nach einer Lösung. Wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit mit Frankreich, England, einigen Teilen Schwedens. Ich persönlich habe sehr gute Kontakte mit englischen, schottischen und dänischen Kollegen. Aber, wie ich schon gesagt habe, die Tschechische Republik hält als ganzes fest zusammen."
Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:
www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union
www.euroskop.cz
www.evropska-unie.cz/eng/
www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online
www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt