Nachrichten Donnerstag, 04. November, 1999

Willkommen, verehrte Hörerinnen und Hörer, bei der deutschsprachigen halben Stunde von Radio Prag. Die Nachrichten, der Block mit Informationen über das akutelle Geschehen in der Tschechischen Republik und das Wirtschaftsmagazin erwarten Sie in unserem heutigen Programm. Am Mikrophon begrüßt Sie Markéta Maurová. Die Meldungen.

PARLAMENTSINITIATIVE GEGEN DAS KABINETT

Die Christlich-demokratische Volksunion und die Freiheitsunion organisieren eine Initiative mit dem Ziel, dem Kabinett Milos Zeman das Misstrauen auszusprechen. Diese beiden Parteien verfügen aber nicht über die ausreichenden Stimmen für diesen Vorschlag. Sie wenden sich daher an Abgeordnete der oppositionellen Demokratischen Bürgerpartei ODS und der regierenden Sozialdemokraten, die mit der Situation im Lande nicht zufrieden sind, um den Vorschlag zu unterstützen. Der ODS-Parteichef Vaclav Klaus bezeichnete die Initiative als eine teatralische Geste. Seine Partei setze sich zwar die Regierungsneubildung als Ziel, sie werde sich diesem Vorschlag aber nicht anschließen.

ZEMANS BERATER NOVOTNY RESIGNIERT

Der Berater des tschechischen Regierungsvorsitzenden, Jaroslav Novotny, resiginiert in seiner Funktion. Premier Zeman schlug ihm selbst die Resignation vor. Novotny steht im Verdacht, dass er von dem Leiter des Kongresszentrums Stirin, Vaclav Hruby, forderte, falsche Dokumente gegen Ex-Außenminister Josef Zieleniec zu beschaffen. Zieleniec wurde vor einigen Monaten von Premier Zeman beschuldigt, Journalisten bestochen zu haben, bisher wurde aber kein Beleg für diese Behauptung vorgelegt. Wie der gegenwärtige Außenminister Jan Kavan erklärte, will er spätestens bis zum Jahresende die Untersuchung der Verträge beenden, die angeblich zwischen dem ehemaligen Außenminister Josef Zieleniec und einigen Journalisten zu dessen Propagation abgeschlossen werden sollten.

KEINE ERNSTEN FEHLER IM WIRTSCHAFTEN DES SCHLOSSES STIRIN

Dem Bericht über die Wirtschaftskontrolle des Konferenzzentrum Stirin zufolge werden keine ernsthaften Wirtschaftsdelikte angeführt, verteidigte sich dessen abberufener Direktor Vaclav Hruby. Der Bericht spreche nur von "kleineren und formalen Mangeln". Gerade die Inspektion im Zentrum Stirin wurde als der offizielle Grund für Hrubys Abberufung angeführt. Hruby wiederholte am Mittwoch seine Behauptung, dass er durch den Berater des Premiers Jaroslav Novotny vom Betriebsdirektor des auswärtigen Amtes Karel Srba erpresst wurde. Premier Zeman bezeichnete die "Stiriner Affäre" als eine Seifenblase, bei der die dem Schlossverwalter Hruby vorgeworfenen Wirtschaftsdelikte den politischen Kampf verschleiern sollen.

VORBEREITUNG DER KONFERENZ DES GESPRÄCHSFORUMS

Die Vorsitzenden des Koordinierungsrates des Tschechischen-Deutschen Gesrpächsforums, Pavel Tigrid und Staatsminister Christoph Zöpel, sind am Mittwoch in Prag zusammengekommen, um über das nächste Treffen des Forums, am 26. und 27. November dieses Jahres in Brno/Brünn, zu verhandeln. Zur Diskussion stehen in Brünn folgende Themen: Visionen von Europa, Strategien der Ost-Erweiterung und Welche Fragen bewegen Deutsche und Tschechen. All diese Aspekte sollen nach Aussage des Tschechisch-Deutschen Zukunftsfonds von hochrangigen Experten im Rahmen des Gesprächsforums erläutert werden.

KRITIK AN DER RESOLUTION DER CDU/CSU ZU BENES-DEKRETEN

Mehrere Abgeordnete des tschechischen Parlaments haben am Mittwoch die Resolution der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu den Benes-Dekreten kritisiert. Der sozialdemokratische Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des tschechischen Abgeordnetenhauses, Lubomir Zaoralek, bezeichnete das Vorhaben als "Torpedierung der tschechisch-deutschen Aussöhnungseklärung". Die Annahme des Vorschlags im Bundestag hält er für unwahrscheinlich. Nach Ansicht des Vorsitzenden des Ausschusses für Europäische Integration, Jaroslav Zverina von der oppositionellen ODS, kann Tschechien die Dekrete nicht einfach aus der Rechtsordnung streichen. Es handle sich um ein Ergebnis des Zweiten Weltkriegs. Der Christdemokrat Pavel Tollner erwartet eine innenpolitische Diskussion über die Dekrete als einen Bestandteil der tschechischen Vergangenheitsbewältigung.

FRAGE DER BENES-DEKRETE SEI VON EINER SYMBOLISCHEN BEDEUTUNG

Die Lösung der Frage der sog. Benes-Dekrete hat für die österreichische Öffentlichkeit einen symbolischen Wert. Die Vorsitzende des tschechischen Senats, Libuse Benesova, erklärte dies nach ihrem heutigen Treffen mit dem Vorsitzenden des österreichischen Bundesrates, Jürgen Weiss. Benesova erklärte ihrem Amtskollegen, dass die Dekrete einen Bestandteil des tschechischen Rechtssystems darstellen und daher nicht ihre Aufhebung, sondern eine öffentliche Feststellung zu erwarten ist, dass die Dekrete erloschen sind. Wie Benesova sagte, verstehe die österreichishche Seite gut, dass eine endgültige Erklärung seitens der Tschechischen Republik Zeit brauche.

KAMPFAGNE FÜR DEN EU-BEITRITT

Das tschechische Aussenministerium bereitet für das Ende dieses Jahres und für die kommenden Jahre eine grosse Kampagne zur Unterstützung des EU-Beitritts der Tschechischen Republik vor. Außenminister Jan Kavan erklärte am Mittwoch während des sog. Europäischen Tags im mährischen Prostejov, er rechne damit, dass im Jahre 2003 zwei Drittel der tschechichen Bürger diesen Schritt befürworten werden.

ABBERUFUNG VON GESUNDHEITSMINISTER DAVID GEFORDERT

Die Abgeordneten und Senatoren der oppositionellen Demokratischen Bürgerpartei ODS haben Premier Zeman aufgefordert, das Verbleiben von Gesundheitsminister Ivan David in seiner Funktion zu erwägen. Minister David, der mit mehreren Affären in seinem Ressort verbunden wird, sieht aber keinen Grund für seine Resignation. Die Sachen, die im vorgeworfen werden, könne er erklären, sagt David. Seinen Abgang aus der Regierung fordern neben den Vertretern der konservativen Parlamentsparteien auch einige Repräsentanten der medizinichen Öffentlichkeit.

FORUM DER MITTELEUROPÄISCHEN INITIATIVE IN PRAG

In Prag wurde am Donnerstag das zweite Wirtschaftsforum der Mitteleuropäischen Initiative eröffnet. Auf dem heutigen Programm stehen Themen, die sich auf das Herangehen der EU an die mitteleuropäische Region sowie auf die Rolle der internationalen Finanzinstitutionen als Stimulator des Wirtschaftswachstums beziehen. Am Ende der Woche wird ein Treffen der Regierungsvorsitzenden und der Außenminister der Mitgliedsländer der Mitteleuropäischen Initiative an das Forum anknüpfen.

NEUER BESITZER DER POLDI-HÜTTEN IN KLADNO

Die deutsche Firma Scholz Stahlzentrum-Ost hat mit der tschechischen Eisenhütte Poldi Kladno einen Mietvertrag mit Vorkaufsrecht geschlossen. Das bestätigte der Eigentümer der Scholz Edelmetall GmbH, Bernd-Ulrich Scholz der Nachrichtenagentur CTK. Einzelheiten des Geschäfts teilte er nicht mit.

UNION FÜR EINE GUTE NACHBARSCHAFT

Die Bilanz der bisherigen Tätigkeit und die Zukunftspläne werden auf einer zweitägigen Verhandlung der Union für eine gute Nachbarschaft der tschechisch- und deutschsprachigen Länder erörtert. Diese wird am Donnerstag im tschechischen Senat eröffnet. Die Union ist eine Bürgervereinigung, die zur Aufklärung der aus der tschechisch-deutschen Vergangenheit folgenden Fragen, zur Anknüpfung konkreter Kontakte und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beitragen will.

UMWELTPROTEST IN DOMAZLICE

Etwa fünfzehn tschechische Umweltschützer haben am Mittwoch vor dem Kreisamt der Stadt Domazlice (Taus) gegen die geplanten Hühner-Großfarmen in Westböhmen demonstriert. Die tschechische Firma Ceska drubez will in der Region insgesamt 1,8 Millionen Hühner ansiedeln. Bei der Protest-Aktion übergaben die Umweltschützer auch eine Petition mit 2000 neuen Unterschriften gegen den Bau. Damit ist die Zahl der Unterzeichner bereits auf 7000 gestiegen.

WETTER

Zum Schluss der Wetterbericht. Am Donnerstag soll es leicht bewölkt bis bedeckt sein, in den Morgenstunden ist Nebel zu erwarten. Die Nachttemperaturen liegen zwischen plus 2 und minus 2 Grad. Die Tageshöchstwerte erreichen 8 bis 12 Grad Celsius.

Soweit die Nachrichten. Es geht weiter mit dem Aktuellen Beitragsblock und Marcela Pozarek.