Nachrichten Donnerstag, 11. März, 1999

REAKTIONEN AUF DEN NATO-BEITRITT TSCHECHIENS

Am 23. April 1999 nehmen der Tschechische Staatspräsident Vaclav Havel, Aussenminister Jan Kavan und Verteidigungsminister Vladimir Vetchy am NATO-Summit in Washington teil. Dies ist ein Höhepunkt der Festlichkeiten anlässlich des NATO-Beitritts Tschechiens, zu denen auch das Hissen der tschechischen Flagge am NATO-Sitz in Brüssel am 16. März gehört. Premier Milos Zeman wird zu diesem Anlass eine Rede auf der Tagung des Nordatlantischen Rates halten. Im Rahmen der Feierlichkeiten wird NATO-Generalsekretär Javier Solana am 24. März in Prag erwartet. Im Zusammenhang mit dem Beitritt werden sowohl Telefonkarten und Briefmarken mit NATO- Motiven als auch die Zeitschrift NATO-Review auf den Markt gebracht.

Nach dem NATO-Beitritt kann man vor allem mit der Entwicklung der Infrastruktur in Tschechien rechnen. Ein Mitarbeiter des Aussenministeriums, Vladimir Sal, stellte fest, dass tschechische Flughäfen und Stra3en für NATO-Truppen je nach Bedarf rekonstruiert werden. Für diese Zwecke erhält die Tschechische Republik in den ersten Jahren finanzielle Mittel aus dem NATO-Budget.

Der Vorsitzende der Russischen liberal-demokratischen Partei Vladimir Zirinovsky sagte am Dienstag abend in einem Interview für das Tschechische Fernsehen, durch den NATO-Beitritt sei Tschechien zum Feind Russlands geworden, seine Partei und er selber werden sich im Parlament dafür einsetzen, dass Russland Tschechien gegenüber ein wirtschaftliche Blockade einführt. Es gäbe laut seiner Meinung keinen Grund für die Existenz der NATO, zumal es die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa 'OSZE) geben würde und die NATO gegen die ehemalige Sowjetunion gerichtet war. Die aber existiere mittlerweile nicht mehr und somit hätte auch die NATO ihre Existenzberechtigung verloren, sagte Zirinowski weiter.

Der amerikanische NATO-Botschafter Alexander Vershbow vertritt die Meinung, dass Tschechien, Polen und Ungarn nicht alle Kriterien erfüllt haben, die zum Zeitpunkt des Beitritts erforderlich waren. Dem Beitritt stünde aber trotzdem nichts im Wege, sagte er der Nachrichtenagentur CTK. Alle drei Länder würden z.B. bei der Modernisierung ihrer Luftwaffe nicht die Anforderungen erfüllen. Es sei wichtig - so Vershbow weiter, dass niemand denken darf, kaum habe man die Mitgliedschaft erreicht, könne man die Hände in den Schoss legen.

GREGR: ZWEI PROGRAMME ZUR REVITALISIERUNG DER INDUSTRIE

Die Regierung könne zwischen zwei verschiedenen Revitalisierungprogrammen für die Industrie auswählen, liess der tschechische Industrie- und Handelsminister Miroslav Gregr am Mittwoch der Nachrichtenagentur CTK gegenüber verlauten. Es gibt zwei Projekte, eines vom stellvertretenden Regierungvorsitzenden Pavel Mertlik und eines vom Industriemister Miroslav Gregr. Letzteres rechnet mit einer Revitalisierung der Industriebetriebe, während die Variante Pavel Mertliks von einer Revitalisierung der Banken ausgeht, denen die Industrieunternehmen Geld schulden.

SITZUNG DES TSCHECHISCHEN SENATS

Zu Beginn der dreitägigen Sitzung des tschechischen Senats legte am Mittwoch Dagmar Lastovecka von der Bürgerlich-Demokratische-Partei 'ODS) in einem feierlichen Akt ihren Senatseid ab, sodass die obere Parlamentskammer mit nunmehr 81 Senatoren komplett ist. Der Senatssitzung wird unter anderem auch Staatspräsident Vaclav Havel beiwohnen. Das Staatsoberhaupt will sich dabei vor allem mit dem aktuellen Stand des Geseztesentwurfs über den freien Zugang zu Informationen vertraut machen. Was den Beitritt Tschechiens zur Europäischen Charta der lokalen Selbstverwaltung anbelangt, wird der Senat voraussichtlich eine andere Beitrittsversion als die im Februar in der Parlamentskammer verabschiedete wählen. Der christdemokatische Senator Frantisek Kroupa machte auf Ungereimtheiten bei der Anzahl von Gesetzesartikeln aufmerkam, die die Tschechische Republik unterzeichnen soll.

ITALIENISCHER PREMIER ZU BESUCH IN TSCHECHIEN

Der italienische Premier Massimo D Alema wird ab Donnerstag zu einem Besuch in Tschechien erwartet, um mit seinem Amtskollegen Milos Zeman und Präsident Vaclav Havel in erster Linie über die italienisch-tschechischen Beziehungen und über den Prozess der EU-Integration Tschechiens zu sprechen. Von tschechischer Seite wurde vor allem grosses Interesse für die italienische Antikorupptionskampagne "Saubere Hände/mani pulite" angemeldet.

TSCHECHISCH-POLNISCHE ZUSAMMENARBEIT

Über eine gemeinsame Regierungskommission zum Austausch und Kauf von Erzeugnissen der Waffenindustrie, verhandelten am Mittwoch tschechische Parlamentarier aus dem Militärauschuss mit ihren Amtskollegen aus dem polnischen Parlament Sejm. Dem Vorsitzenden des tschechischen Auschusses Petr Necas zufolge, könnten sich beide Länder in der Produktion von militärischen Erzeugnissen gegenseitig helfen.

TSCHECHISCHE GESELLSCHAFT VERLOR NATIONALSTOLZ

Die tschechische Gesellschaft hat nach Aussage des Vorsitzenden der Vereinigung der Freiheitskämpfer, Jakub Cermin, keinen Nationalstolz. Im Zusammenhang mit der Okkupation Tschechiens durch die Hitlerarmee vor 60 Jahren am 15. März 1939 machte Cermin auf einem Seminar am Mittwoch in Prag darauf aufmerksam, dass ein Kleinstaat wie Tschechien mehr zusammenhalten müsse, um Ereignisse wie die damalige Okkupation künftig zu verhindern.

BLUTSPENDEN MIT DEM RUNDFUNK

Fast eintausend Menschen in sechs Städten der Tschechischen Republik haben am Mittwoch an der bereits zum 16. Male vom Tschechischen Rundfunk durchgeführten Aktion "Blutspenden mit dem Rundfunk" teilgenommen. In Prag, Pilsen, Ostrau, Königgrätz, Budweis und Olmütz machten insgesamt 963 Spender von dieser Möglichkeit Gebrauch, wobei 214 von ihnen erstmals kamen, um ihr wertvolles Blut zu spenden.

NEUES PROGRAMM ZUR ROMA-FÖRDERUNG GESTARTET

Die Stiftung zur Förderung der Bürgergesellschaft hat am Mittwoch ein neues Programm zur Roma-Problematik ins Leben gerufen. Unter dem Titel "Dzivas Jekhetane - Wir leben gemeinsam" wurde ein Projekt gestartet, dass Bildungs- und Erziehungsprogramme für Roma-Kinder unterstützen will mit dem Ziel, die Arbeitlosigkeit bei dieser Bevölkerungsgruppe zu vermindern und deren Qualifikation zu erhöhen.

SLOWAKISCHER KULTURMINISTER IN PRAG

Der slowakische Kulturminister Milan Knazko wird am Donnerstag in Prag einen Vortrag halten zum Thema "Sinn, Möglichkeiten und Grenzen der Nationalkultur im sich vereinigenden Europa". Knazko wird im Rahmen einer vom tschechischen Kulturministerium veranstalteten Vortragsreihe sprechen, in der künftig auch andere mitteleuropäische Kulturpolitiker zu Wort kommen sollen.