Nachrichten Freitag, 05. März, 1999

VÁCLAV HAVEL PLÄDIERT FÜR EINEN PANEUROPÄISCHEN BUNDESSTAAT

Der tschechische Staatspräsident Václav Havel hat am Mittwoch in Paris für einen neuen paneuropäischen Bundesstaat mit einem Parlament aus zwei Kammern plädiert. Diese Union solle auch eine eigene Verfassung haben, sagte Havel in seiner Rede vor dem französischen Senat. Der französische Premier Lionel Jospin hatte dem tschechischen Gast zuvor wie schon am Vortag Staatspräsident Jacques Chirac die Unterstützung der Tschechischen Republik auf ihrem Weg in die EU zugesagt. Václav Havel weilte in dieser Woche zu einem dreitägigen Besuch in Frankreich, der am Donnerstag in Dijon zu Ende ging.

PRÄSIDENT HAVEL SCHLÄGT EINE FRIEDENSKONFERENZ IM KOSOVO VOR

Die Veranstaltung einer Friedenskonferenz direkt in der serbischen Provinz Kosovo schlägt Präsident Václav Havel für die Lösung des Kosovo-Konflikts vor. Die kürzlichen Gespräche in Rambouillet und weitere, die in Frankreich eröffnet würden, seien sehr wichtig, sie stellten jedoch nur den ersten Schritt dar, sagte Václav Havel am Donnerstag während seines Frankreich-Besuchs. Ein runder Tisch im Kosovo solle Vertreter aller verfeindeten Seiten versammeln. Als Beobachter sollten auch Repräsentanten der Anrainerstaaten Mazedoninen und Albanien dabei sein, auf die sich der Konflikt unmittelbar beziehe.

REAKTIONEN AUF HAVELS PANEUROPÄISCHE VISION

Der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses und der Demokratischen Bürgerpartei ODS, Václav Klaus, hat die Idee Vaclav Havels bezüglich einer Föderalisierung der Europäischen Union nachdrücklich abgelehnt. Klaus beanstandete darüber hinaus, dass Havel seine Meinung weder mit der Regierung noch mit dem Aussenministerium konsultiert habe. Nach den Worten von Aussenminister Jan Kavan allerdings könne man Havels Idee als eine langfristige Vision betrachten.

Die Christlich-demokratische Volksunion KDU-CSL begrüsst den Vorschlag von Präsident Václav Havel zur Bildung von sog. Vereinigten europäischen Staaten. Dies sei praktisch im Einklang mit der aussenpolitischen Doktrine der Partei, sagte der amtierende KDU-CSL-Vorsitzende Jan Kasal am Donnerstag. Zurückhaltener kommentierten dies der Vorsitzende des Senatsausschusses für Auswärtiges, Verteidgung und Sicherheit, Michael Zantovský, und der Abgeordnetenchef der Freiheitsunion US, Karel Kühnl. Zantovský sagte, das künftige Aussehen der EU und damit auch ganz Europas brauche seine Zeit. Man dürfe nichts überstürzen.

MINISTER BASTA INFORMIERT DIE SENATOREN ÜBER DEN BIS

Der für die Tätigkeit des zivilen Geheimdienstes BIS verantwortliche Minister ohne Portefeuille, Jaroslav Basta, und der einstweilige Chef dieser Organisation, Jaroslav Jíra, haben am Donnerstag die Mitglieder des auswärtigen Ausschusses des Senats über die aktuelle Lage informiert. Jíra bestätigte eine Abkühlung der Beziehungen zwischen dem BIS und britischen Spionagediensten infolge des kürzlichen Bekanntwerdens des Namens eines in Prag lebenden britischen Residenten sowie infolge der Affäre um die Abberufung des BIS-Direktors Karel Vulterin. Jíra erwartet jedoch eine Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen in etwa vierzehn Tagen. Minister Jaroslav Basta schloss ein Zerwürfnis mit der britischen Kontraspionage aus.

ZEMANS BRIEF AN DIE TEILNEHMER DES CSSD-PARTEITAGES

Der tschechiche Premier und Chef der sozialdemokratischen Partei CSSD, Milos Zeman, hat in seinem Bericht für den April-Parteitag der CSSD zu einer Diskussion über seinen Nachfolger aufgerufen, da er eine Spaltung der sozialdemokrateischen Partei befürchte. Zeman schreibt, dass er sich im Jahre 2002 aus der grossen Politik zurückziehen und sich 2001 nicht mehr um die Funktion des Parteivorsitzenden bewerben wolle. Zeman schlägt als seinen Nachfolger den amtierenden Arbeitsminister Vladimir Spidla vor.

Im Hinblick auf eine künftige politische Zusammenarbeit seiner Partei plädiert Zeman für verschiedene Formen der Kooperation mit der Demokratischen Bürgerpartei ODS, der Christlich-demokratischen Volksunion KDU-CSL, aber auch mit den reformierten Kommunisten.

EINE NOVELLE DES STRAFGESETZES VOM KABINETT GEBILLIGT

Das tschechische Regierungskabinett hat am Mittwoch eine Novelle des Strafgesetztes gebilligt, die Justizminister Otakar Motejl vorlegte hatte. Die Novelle soll das Strafverfahren in allen Phasen vereinfachen und beschleunigen. Die Minister verabschiedeten weiter eine von sozialdemokratischen Abgeordneten vorgelegte Novelle, die die Lustrationsgesetze konkretisiert. Dieser Novelle zufolge sollen künftig Personen, die vom Gericht vom Vorwurf der Zusammenarbeit mit dem ehemaligen kommunistischen Staatssicherheitsdienst freigesprochen wurden, wie Personen behandelt werden, die nie im Register der Staatspolizei STB registriert waren.

BEFEHLSHABER DER NATO-STREITKRÄFTE IN MITTELEUROPA INSPIZIERTE TSCHECHIEN

Im Rahmen seines zweitägigen Tschechien-Besuchs hat der Befehlshaber der Nato-Streitkräfte in Mitteleuropa, Klaus Reinhard, am Mittwoch die mechanisierte Brigade der tschechischen Armee im mährischen Praslavice inspiziert. In Olomouc informierte Reinhardt seine tschechischen Gesprächspartner über die Rolle, die die tschechischen Bodentruppen im Rahmen der Nato-Streitkräfte spielen werden. "Vor uns liegt ein langer Weg, doch unsere Ziele sind klar und wir werden sie zum geeigneten Zeitpunkt erreichen," sagte der deutsche General vor Journalisten.

WASSERSTAND AN TSCHECHISCHEN FLÜSSEN STEIGT

In Tschechien lässt das Tauwetter die Flüsse weiter anschwellen. Für mehrere Flüsse wurde am Donnerstag die dritte Hochwasser- Warnstufe ausgerufen. Zahlreiche Strassen mussten wegen Überflutung geschlossen werden.

WETTER

Zum Schluss bringen wir noch den Wetterbericht. Am Freitag wird sich eine Tiefdruckfront über das Gebiet der Tschechischen Republik ausbreiten. Es soll bewölkt bis bedeckt sein, vereinzelt kommt es zu Regenschauern, in den Bergen zu Regen- und Schneeschauern. Die Nachttemperaturen liegen zwischen plus 6 und plus 2, die Tageshöchstwerte steigen auf 6 bis 10 Grad Celsius.