Nachrichten Freitag, 06. Oktober, 2000

Von Martina Schneibergova

Präsident Havel: Ablehnung der Wahlresultate in Jugoslawien ist unzulässig

Der tschechische Staatspräsident Vaclav Havel hält das Verhalten der Staatsmacht in Jugoslawien für unzulässig, die es ablehnt, die offensichtlichen Wahlresultate zu akzeptieren. Dies erklärte Präsidentensprecher Ladislav Spacek am Donnerstag Nachmittag gegenüber der Nachrichtenagentur ctk. Der Präsident würdige - so der Sprecher - die überlegte, aber nachdrückliche Haltung der Demokratischen Opposition Serbiens, die auf die Manipulierung der Präsidentschaftswahlen verweist. Havel zufolge hat das serbische Volk auf eine entscheidende Weise die Sehnsucht nach Änderungen zum Ausdruck gebracht. Der tschechische Präsident hofft, dass die Staatsmacht wird ihre Interessen nicht mit Gewaltanwendung durchsetzen wollen. Dies würde bedeuten - so Havel - gegen den Willen des serbischen Volkes zu handeln. Der tschechische Präsident hofft, dass Milosevic auf seinen Posten gewaltlos verzichten wird - ähnlich wie es die Kommunisten 1989 in der damaligen Tschechoslowakei getan haben, erklärte der Präsidentensprecher.

Tschechisches Außenministerium sprach sich zur Lage in Jugoslawien aus

Das tschechische Außenministerium hat am Donnerstag Abend die Versuche des jugoslawischen Staatspräsidenten Slobodan Milosevic verurteilt, die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in Jugoslawien umzustoßen. Außenminister Jan Kavan erklärte nach der Tagung des staatlichen Sicherheitsrates, das Außenministerium hoffe, dass die Krise gewaltlos gelöst werde. Der Sprecher des tschechischen Außenministeriums Ales Pospisil stellte fest, das Ministerium betone erneut seine Unterstützung für Vojislav Kostunica als Wahlsieger.

Kabinett stellt weitere 140 Mio. Kronen für die Kosten der IWF-Tagung

Das tschechische Kabinett hat auf seiner Sitzung am Mittwoch beschlossen, weitere 140 Millionen Kronen vom Staatshaushalt für die Deckung der Kosten bereitzustellen, die mit der Prager Tagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank zusammenhängen. Darüber informierte Regierungssprecher Libor Roucek. Höhere Kosten sind seinen Worten zufolge vor allem durch Erhöhung der Sicherheitsausgaben von 27 auf 124 Millionen Kronen verursacht worden.

Die Regierung beschloss des weiteren, die CEZ AG - die tschechischen Elektrizitätswerke - gemeinsam mit sechs Vertriebsgesellschaften zu privatisieren. Nach Informationen von Premier Milos Zeman hat das Kabinett auch Kriterien für die Privatisierung der Stromproduktion festgelegt.

Haushaltsdefizit für 2000 um 5 Mrd. Kronen höher

Statt der geplanten 35 Milliarden Kronen wird das Haushaltsdefizit für das Jahr 2000 nach neuesten Schätzungen um etwa 5 Milliarden Kronen höher ausfallen. Der tschechische Finanzminister Pavel Mertlik führte dies am Donnerstag auf einer Pressekonferenz auf die hohen Treibstoffpreise zurück, die sich wiederum auf die Einnahmen aus den Verbrauchsteuern negativ auswirken. Das Haushaltsdefizit nach den ersten neun Monaten des laufenden Jahres bezifferte Mertlik auf 17,3 Milliarden Kronen.

CEZ beantragte die Erlaubnis zur Inbetriebnahme des AKW Temelin

Im Atomkraftwerk Temelin wurden in der Nacht zu Freitag alle vorgeschriebene Tests der dritten Stufe beendet. Der Betreiber von Temelin - die Aktiengesellschaft CEZ beantragte am Freitag bei der Staatlichen Aufsichtsbehörde für die nukleare Sicherheit die Erlaubnis für die Inbetriebnahme des Reaktors.

Österreichische Kernkraftgegner begannen mit der Grenzblockade

Österreichische Atomkraftgegner begannen am Freitag um 6 Uhr morgens mit der Straßenblockade entlang der gemeinsamen Grenze mit Tschechien. Mit der Blockade wollen die Aktivisten gegen die geplante Inbetriebnahme des südböhmischen Atomkraftwerks Temelin protestieren. Zwischen 6 Uhr morgens und 19 Uhr sollen alle 15 Grenzübergänge blockiert werden. Die österreichische Außenministerin Benita Ferrero-Waldner forderte am Donnerstag die Tschechische Republik auf, die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Temelin hinauszuschieben und forderte tschechische Politiker zu Verhandlungen auf.

Ausführlicher befassen wir uns mit dem Thema AKW Temelin im Tagesecho im Anschluss an die Nachrichten.

Pflüger für die Festlegung des Datums der EU-Erweiterung

Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für die EU-Angelegenheiten, Friedbert Pflüger, hat am Donnerstag in Prag die Festlegung eines konkreten Datums der Erweiterung der EU unterstützt. Nach den Gesprächen mit den Mitgliedern des tschechischen Abgeordnetenausschusses für die europäische Integration machte Pflüger die Journalisten darauf aufmerksam, dass historische Momente in der EU-Geschichte immer an konkrete Daten gebunden waren. Pflüger deutete an, dass das Datum der EU-Erweiterung auf der EU-Konferenz festgelegt werden sollte, die im Dezember in Nizza stattfinden wird.

Vizepremier Rychetsky in Litauen

Der tschechische Vizepremier Pavel Rychetsky hat am Mittwoch in der litauischen Hauptstadt Wilna auf der Tagung des Internationalen Forums über die den Holocaust-Opfern geraubten Kulturgegenstände über die Tätigkeit der Tschechischen Republik bei der Linderung des den Holocaust-Opfern zugefügten materiellen Unrechts informiert. An den Verhandlungen nimmt auch Jiri Sitler, Mitglied der zuständigen tschechischen Regierungskommission, teil. Die Teilnehmer des Forums diskutierten über die Notwendigkeit, die Tätigkeit der Kommissionen aus verschiedenen Ländern zu koordinieren und zu zentralisieren, die sich mit der Rückgabe des den Holocaust-Opfern geraubten Eigentums befassen.

Der tschechische Vizepremier hat am Donnerstag in Wilna mit dem litauischen Premier Andrius Kubilius über den europäischen Integrationsprozess und über die Bemühungen der beiden Länder diskutiert, der EU beizutreten. Während der Gespräche mit dem litauischen Staatspräsidenten Valdas Adamkus erklärte Rychtetsky, dass Tschechien Litauen mit seinen Vorbereitungen auf den NATO-Beitritt helfen wird. Rychetsky hat am Mittwoch eine Vertretungsbehörde der NATO in Litauen geöffnet, die zwei Jahre lang in den neuen Räumlichkeiten der tschechischen Botschaft in Wilna arbeiten wird.

Der tschechische Staatspräsident Vaclav Havel hat den Teilnehmern der Tagung in der litauischen Hauptstadt eine Grußbotschaft übermittelt. Darin brachte er u.a. die Meinung zum Ausdruck, dass die Menschheit nicht genug dafür unternehme, um Lehren aus dem tragischen Schicksal der jüdischen und der Roma-Opfer zu ziehen. Der Präsident erinnerte an das Projekt "Phänomen Holocaust", an dessen Entstehung er teilnahm und das die Lücken in dem Wissen der Öffentlichkeit über den Holocaust der Juden und der Roma ausfüllen soll. Vaclav Havel übermittelte außerdem seinem litauischen Amtskollegen Valdas Adamkus einen persönlichen Brief.

Kommunisten verhinderten die Rückkehr der in die UdSSR verschleppten Menschen

Tschechoslowakische Kommunisten haben bereits vor dem kommunistischen Putsch im Februar 1948 die Rückkehr tschechoslowakischer Bürger in die Tschechoslowakei verhindert, die auf ihrem Gebiet am Ende des Zweiten Weltkriegs gesetzwidrig von sowjetischen Sicherheitsorganen verhaftet worden waren. Diese Menschen wurden in Konzentrationslager in der Sowjetunion verschleppt. Darauf machten Historiker aufmerksam, die am Donnerstag in Prag an einem Seminar über das Schicksal der verschleppten Menschen teilnahmen. Die Historiker behaupten, es sei unbekannt, wie viele Menschen auf diese Weise in die UdSSR deportiert wurden. Unter ihnen waren unter andere russische und ukrainische Emigranten, die nach der bolschewistischen Revolution 1917 aus Russland in die Tschechoslowakei flüchteten und die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft bekamen.

Vaclav Havel traf mit Umberto Eco zusammen

Präsident Vaclav Havel hat nach einer Viruserkrankung seine Amtsgeschäfte wieder aufgenommen. Am Donnerstagvormittag unternahm er mit dem italienischen Schriftsteller und Historiker Umberto Eco, der zu Besuch in Prag weilt, einen Spaziergang durch Prag. Umberto Eco wurde am Donnerstag Nachmittag der Preis der von Vaclav Havel und seiner Gattin Dagmar errichteten Stiftung Vize 97 verliehen - für seinen Beitrag zur Semiotik.

Proteste in Jirikov-Neugersdorf

An die 200 Menschen aus Neugersdorf haben am Mittwoch Abend für eine Stunde den Grenzübergang für die LKW im nordböhmischen Jirikov blockiert. Der Bürgermeister von Neugersdorf Michael Krannich machte bei dieser Gelegenheit auf die unerträgliche Lage in den Grenzgemeinden auf deutscher Seite der Grenze sowie auf tschechischer Seite im nordböhmischen Rumburk aufmerksam, wo jeden Monat mehr als 10.000 LKW durchfahren.

Internationale Musiktage in Decin

Fast 1200 Mitwirkende aus Deutschland, Polen, der Schweiz und Tschechien werden am kommenden Wochenende an den Internationalen Musiktagen im nordböhmischen Decin teilnehmen. Konzertveranstaltungen werden auch in anderen Städten der Region veranstaltet - u.a. in Rumburk, Varnsdorf, Ruzova und in Janov.