Nachrichten Montag, 25. September, 2000
Von Marcela Pozarek
NGO´S BEDANKEN SICH BEI PRÄSIDENT HAVEL
Internationale regierungsunabhängige Organisationen bedankten sich am Samstag bei Staatspräsident Vaclav Havel für seine Bemühungen, Globalisierungsgegner und Befürworter auf der Prager Burg an einen Tisch zu bringen. Ann Pettifor von Jubilee 2000 hielt fest, dass die Vertreter des IWF und der Weltbank den Globalisierungsgegnern endlich zuhören mussten, "Sie haben zugegeben, dass sie Fehler machen, aber Verantwortung übernehmen sie keine und entschuldigen tun sie sich erst recht nicht", meinte Pettifor. Pavel Prikryl von der ökologischen Bewegung Regenbogen, Hnuti Duha hielt fest, dass die Diskussion durch die Abwesenheit von Aktivisten limitiert gewesen sei, welche die tschechische Ausländerpolizei wegen befürchteter Ausschreitungen nicht die Staatsgrenze überschreiten liess. Diesen Umstand kritisierte auch die Initative gegen die ökonomische Globalisierung INPEG.
AUSSENMINISTER KAVAN SPRICHT SICH FÜR DIALOG AUS
Der tschechische Aussenminister Jan Kavan gab am Sonntag Vormittag während einer Fernsehdebatte sein Verständnis für die Forderungen der Globalisierungsgegner zum Ausdruck. Einige ihrer Kritikpunkte seien laut Kavan durchaus legitim. Er wies auf die immer grösser werdende Kluft zwischen armen und reichen Ländern hin. Die Weltbank würde Kredite zudem eher nach ökonomischen Kriterien verteilen, so dass Diktatoren wie Suharto in Indonesien unterstützt würden. Falls der tschechische Staat Globalisierungsgegner nicht ins Land lasse, würde das dem Ruf Tschechiens im Ausland schaden und wäre im Widerspruch zur Demokratie, merkte Kavan an.
POLIZEI MUSSTE VORERST NICHT EINSCHREITEN
Der tschechische Polizeipräsident gab am Samstag Abend bekannt, dass die tschechischen Ordnungshüter bislang noch kein einziges Mal gegen Demonstranten vorgegangen seien, da deren Manifestationen Ausdruck einer demokratischen Gesellschaft seien. Man würde die Lage nur beobachten, damit es nicht zu Kollisionen käme. Eine Gruppe Anarchisten hatte auf dem Prager Hauptbahnhof am Samstag Nachmittag einige Skinheads zusammengeschlagen. Der Sprecher der INPEG, Viktor Piorecky gab diesbezüglich bekannt, dass er den Vorfall zwar nicht mit eigenen Augen gesehen habe, es aber notwenig sei, gegen Faschismus nötigenfalls auch mit Gewalt vorzugehen. Filip Vara von der rechtsextremen Bewegung Narodni odpor, Nationaler Widerstand machte vor der Presse geltend, dass die Polizei den ultrarechten Demonstranten Schutz zugesichert hätte.
Ganz ohne Konflikte ging die Demonstration der Organisation Jubilee 2000 am Sonntag vor sich, an der rund 600 Teilnehmer sich für den Schuldenerlass für arme Länder aussprachen.
BUNDESENTWICKLUNGSMINISTERIN FÜR KONSTRUKTIVE KRITIK
Die deutsche Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul hat im Gespräch mit rund 20 ostmitteleuropäischen Initiativen am Sonntag in Prag, auf die wichtige Rolle der regierungsunabhängigen Organisationen NGO bei der Gestaltung der Globalisierung hingewiesen. Bei der Debatte kritisierten NGO- Mitglieder die Politik der grossen Finanzorganisationen als nicht transparent genug. Die Ministerin will den Dialog mit konstruktiven Kritikern fortsetzen, Forderungen nach einer Auflösung der Weltbank und des IWF wies sie jedoch zurück.
TEMELIN: AKTUELLER GESPRÄCHSSTOFF FÜR UMWELTMINISTER
Die Umweltminister Tschechiens und Österreichs, Milos Kuzvart und Wilhelm Molterer, haben sich an einem Treffen im südmährischen Mikulov am Samstag bezüglich des Atommeilers Temelin für einen konstruktiven Dialog ausgesprochen. Das grenznahe Kraftwerk soll trotz internationaler Sicherheitsbedenken in den kommenden Tagen angefahren werden. Ihre Zusammenkunft habe eher "informativen Charakter" gehabt, sagte Kuzvart nach dem vierstündigen Treffen. "Ich habe Verständnis für die Befürchtungen der österreichischen Bevölkerung geäussert", betonte Kuzvart. Gleichwohl habe er seinen Wiener Kollegen gebeten, dass die österreichischen Umweltschützer von weiteren Blockaden der gemeinsamen Grenzübergänge absehen. Kuzvart meinte der CTK gegenüber, die Diskussion über Temelin sollte auf Expertenebene geführt werden.
GRENZPOLIZEI WEIST ITALIENISCHE AKTIVISTEN AB
Tschechische Grenzbehörden haben am Sonntag einem italienischen Sonderzug mit etwa 520 Globalisierungsgegnern aus verschiedenen Ländern die Weiterfahrt am südböhmischen Grenzübergang Horni Dvoriste verweigert. Die Polizei habe vier italienischen Staatsbürgern wegen angeblich fehlerhafter Dokumente keine Einreiseerlaubnis erteilt, meldete die CTK. Innenminister Stanislav Gross sagte in diesem Zusammenhang, die vier italienischen Aktivisten würden für ihre Proteste im amerikanischen Seattle strafrechtlich verfolgt und dürften deshalb tschechisches Territorium nicht betreten. Vor dem Innenministerium in Prag protestierten am Sonntag spontan etwa 150 Demonstranten gegen das Einreiseverbot. Nach Horni Dvoriste begab sich ein Vertreter der italienischen Botschaft um die Lage zu klären. Der Zug ist am Montag 2 Uhr in Prag eingefahren, nachdem man die einzelne Aktivisten nicht ins Land liess.