Nachrichten Samstag, 25. März, 2000

ENTSCHÄDIGUNG TSCHECHISCHER ZWANGSARBEITER

Tschechische Nazi-Zwangsarbeiter werden entschädigt. Die Aufteilung der deutschen Entschädigungsgelder für ehemalige Zwangsarbeiter der Nazis ist nach schwierigen Verhandlungen am Donnerstag in Berlin endgültig geregelt worden. Anhand dieser Regelung erhalten die tschechischen Zwangsarbeiter aus dem Topf mit der Summe von 10 Milliarden Mark insgesamt 423 Millionen Mark an Entschädigung. In einer ersten Reaktion, die der Vizepräsident des tschechischen Verbandes der Zwangsarbeiter Karel Ruzicka am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur CTK abgab, betrachte man diesen Betrag in Tschechien als ausreichend. Weitere Reaktionen zu diesem Thema hören sie in unserem anschließenden Tagesecho.

REGIERUNGSUMBILDUNG WIRD FORTGESETZT

Premier Zeman hat heute den neuen Minister ohne Portefeuille, Karel Brezina, ins Amt eingeführt. Der 27jährige Brezina ist der jüngste Minister des sozialdemokratischen Kabinetts. Gegenüber seinem Vorgänger Basta ist er jedoch mit bedeutend eingeschränkteren Vollmachten ausgestattet, da die Nachrichtendienste nicht mehr in seinen Kompetenzbereich fallen.

Im Anschluss an die Amtseinführung gab Premier Zeman die Namen weiterer Personen bekannt, die einige Minister in seinem Kabinett ersetzten sollen. Als neuen Verkehrsminister schlägt er den 53jährigen sozialdemokratischen Abgeordneten Jaromir Schling vor. Zum neuen Minister für regionale Entwicklung soll der Vizevorsitzende der CSSD und stellvertretende Oberbürgermeister von Ostrava (Mährisch Ostrau), Petr Lachnit ernannt werden. Die neuen Minister sollen aber erst Mitte April ihr Amt antreten. Zeman will es nämlich den scheidenden Ministern ermöglichen, ihre Gesetzte, die schon vom Abgeordnetenhaus gebilligt wurden, auch vor dem Senat verteidigen zu können. Auf Abberufung wartet des weiteren Innenminister Vaclav Grulich und seinen Rücktritt erwägt auch Justizminister Otakar Motejl.

PRÄSIDENT HAVEL TRIFFT SICH MIT DER OBERSTEN STAATSANWÄLTIN

Präsident Vaclav Havel ist heute mit der obersten Staatsanwältin Marie Benesova zusammengekommen. Thema ihres Gesprächs stellte die Lage der Prokuratur im Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität und das organisierte Verbrechen dar. Das Treffen ist ein weiteres in der Reihe von Havels Besuchen bei den Spezialpolizeieinheiten und Gesprächen mit Politikern, die die Verantwortung für diese Problematik tragen. Präsident Havel interessierte sich für die Untersuchung der Kriminalfälle im Banksektor, die nach der Beendung der Aktion "Saubere Hände" offen bleibt. Nach Aussage der Staatsanwältin Marie Benesova verzögere sich die Untersuchung von großen wirtschaftlichen Kriminalfällen nicht aufgrund politischen Drucks, sondern aus Mangel an Experten.

DEMONSTRATIONEN IN PRAG

Einen Tag vor dem ersten Jahrestag des Beginns der NATO-Luftangriffe auf Jugoslawien haben am Donnerstag in Prag zwei Kundgebungen stattgefunden. Auf dem Wenzelsplatz versammelten sich dabei rund 500 Menschen, um ihre Unterstützung für Serbien und das sozialistische Regime von Slobodan Milosevic zu bekunden. Auf Transparenten brachten sie ihre antiamerikanische und ihre Anti-NATO-Haltung ebenso zum Ausdruck wie ihre nationalistisch orientierte Gesinnung für ein "gemeinsames Interesse der slawischen Länder". Vor dem Gebäude der jugoslawischen Botschaft hatten zuvor etwa 30 junge Leute für das Recht der jugoslawischen Republik Montenegro auf Selbstbestimmung demonstriert.

TSCHETSCHENIEN-FLÜCHTLINGE IN PRAG

Die ersten zwei von 23 Flüchtlingen aus Tschetschenien, die am Mittwoch im Büro des UN-Flüchtlingshilfswerks in Prag Zuflucht fanden, haben wahrscheinlich schon das Gebiet der Tschechischen Republik verlassen. Es handelt sich um ein Ehepaar, das am Donnerstag seinen Asylantrag zurückgezogen hat und das Angebot zur Heimkehr nutzte. Weitere Flüchtlinge haben in dieser Institution um die Übersiedlung in ein Land ersucht, in dem man ihre Sicherheit garantieren könne. Die Gruppe, die hauptsächlich aus Frauen und Kindern besteht, hatte am Mittwoch das Flüchtlingslager Cerveny Ujezd bei Teplitz verlassen und das erwähnte UN-Büro in Prag besetzt. Im Lager -- so gaben die Besatzer an -- waren sie auf russisch wiederholt telefonisch bedroht worden, was sie aus Angst die Flucht nach vorn ergreifen ließ. Jetzt warten die Flüchtlinge, die sich in ihrer gegenwärtigen Zufluchtsstätte sehr ruhig verhalten, bis sie in ein anderes Flüchtlingslager versetzt werden.

TSCHECHISCHE AUSGABE VOM "MEIN KAMPF"

Für Unruhe sorgt derzeit die erste tschechische Ausgabe des Hitler-Buches "Mein Kampf", die seit Montag auf dem hiesigen Markt zu haben ist. Politiker verurteilen die unkommentierte Fassung des Buches, die unter den Paragrafen zu Verbreitung kommunistischer und faschistischer Ideologie fallen könnte. Der tschechische Verleger von "Mein Kampf", Michal Zítko, hat die umstrittene Herausgabe des Buches von Adolf Hitler jedoch verteidigt. "Jeder soll ein Recht auf freie Meinungsbildung haben und dieses Basiswerk jener Ideologie lesen dürfen, die die Geschichte des 20. Jahrhunderts nachhaltig änderte," sagte Zítko am Donnerstag vor Journalisten in Prag. Weiteres hören Sie im Tagesecho im Anschluss an die Nachrichten.

WETTER

Am Samstag soll eine Tiefdruckfront das Wetter in der Tschechischen Republik beeinflussen. Es soll überwiegend bewölkt sein, mit örtlichen Regenschauern muss gerechnet werden. Die Nachttemperaturen liegen zwischen 5 und 1 Grad, die Tageshöchstwerte erreichen 10 bis 14 Grad Celsius.

Soweit die Nachrichten. Durch das weitere Programm führt Sie mein Kollege Lothar Martin.