Nachrichten Sonntag, 05. April, 1998
Sozialdemokraten für Parteichef Zeman
Am Sonntag wurde die Tagung der Sozialdemokraten anlässlich der Feierlichkeiten zum 120. Gründungsjahr in Prag fortgesetzt. Hauptpunkt war das Rücktrittsgesuch von Parteichef Milos Zeman , das dieser im Zusammenhang mit der sog. Bamberg Finanzaffäre der Partei am Freitag ausgesprochen hatte. In geheimer Wahl wurde Zeman das Vertrauen ausgesprochen. Zeman erklärte im Anschluss, er respektiere die Entscheidung des Ausschusses und werde alles daran setzen, dass die gefälschten Dokumente von einer unabhängigen Seite untersucht und ihr Ursprung geklärt würden.
Der Exekutivausschuss stimmte ausserdem dem Beschluss von Zeman zu, nach den Wahlen auf keinen Fall mit der Freiheitsunion zusammenzuarbeiten. Einer Koalition mit den Christdemokraten dagegen sei vorstellbar. Diese jedoch wollen auf eine solche nur im Rahmen einer grossen Koalition mit der Freiheitsunion eingehen.
Am Samstag starteten 8 Miniautobusse der Sozialdemokraten in alle Wahlkreise der Republik nach dem bewährten Muster des sog. Zemak- Busses in den vergangenen Wahlen (1996).
KDU-CSL verschickt Ostergrüsse
Die Christdemokratische Partei KDU-CSL hat am Samstag im Vorfeld der offiziellen Wahlkampagne rund vier Milionen Karten mit Ostergrüssen an die Bürger in der Republik verschickt und damit laut ctk rund 13 Prozent ihres für die Wahlen aufgestellten Finanzlimits ausgeschöpft.
Exkommunist will in CSSD
Der Chef der "Partei des demokratischen Sozialismus", Vasil Mohorita, hat am Samstag auf der Landestagung der Partei die Auflösung der Partei, seinen Übertritt zu den Sozialdemokraten sowie die Überführung der Parteigelder auf das Wahlkonto der Sozialdemokraten vorgeschlagen. Der Parteiausschuss lehnte den Vorschlag ab, stimmte jedoch dem Rücktrittsersuch von Mohorita zu.
Mohorita ist der 2. postkommunistische Vorsitzende einer Partei, der um Mitgliedschaft in der CSSD ersucht. Erste Reaktionen aus sozialdemokratischen Reihen auf Mohoritas Ankündigung, in die CSSD zu wechseln, waren negativ. Der Vizechef der Sozialdemokraten, Zdenek Skromach, meinte, er sei bereit, alles zu tun, um einen Beitritts Mohoritas zu verhindern.
ODA mit offiziell neu gewähltem Chef
Der Abgeordnete Daniel Kroupa ist am Sonntag zum neuen Vorsitzenden der konservativen Partei der Demokratischen Bürgerallianz ODA gewählt worden und hat damit die Nachfolge von Jiri Skalicky angetreten, der in Folge eines Finanzskandals im Februar zurückgetreten war und nicht mehr Mitglied der Partei ist.
Tschechisch-deutsche Gespräche in Jihlava
In Jihlava (Iglau) verlaufen seit Freitag die 7. traditionellen Iglauer-Gespräche, organisiert von der Prager Bernard Bolzano- Stiftung und der deutschen Ackermann-Gemeinde. Zu den 150 Teilnehmern aus Tschechien, Deutschland und Österreich gehören u.a. Senatsvorsitzender Petr Pithart, Pavel Tigrid, einer der Vorsitzenden des Koordinationsrates des tschechisch-deutschen Zukunftsfonds, und der deutsche Botschafter Michael Steiner. Ein Thema der Diskussion war die Zusammenstellung des 40-Mann-starken Koordinationsrates des Gesprächsforums. Es wurde der Vorwurf erhoben, dass bei dessen Zusammenstellung allzu "kabinettsmässig" vorgegangen sei. Vertreter der Jugend und der im tschechisch- deutschen Dialog erfahrenen nicht staatlichen Organisationen seien zu wenig berücksichtigt worden. Die konstituierende Sitzung des Rates sollte nach Ansicht von Pavel Tigrid nach den Wahlen in Prag stattfinden, eine Folgesitzung dann im Oktober in Berlin.
Roma-Minderheit zeigt guten Willen
Ein Bürgerinitiative romischer Bürger der tschechischen Grenzstadt Most hat am Wochenende in Abstimmung mit der Stadtvertretung mit Aufräumungs- und Verbesserungsarbeiten in der Stadtrandsiedlung Chanov begonnen, die wegen ihres asozialen Zustand zu trauriger Berühmtheit gelangt war. Die Aktion ist der Beginn einer Reihe weiterer freiwilliger Frühjahrsputze in von überwiegend Roma bewohnten Stadtsiedlungen der ganzen Republik.
Demonstrationen gegen Rassismus
Am Samstag fanden im nordmährischen Krnov und der Hauptstadt Prag Demonstrationen gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Faschismus statt. In Prag werden diese bereits seit dem Tod des sudanesischen Studenten vor vier Monaten regelmässig jeden Samstag durchgeführt.
Kirche ruft zur Versöhung auf
Mit einer Messe in der Kirche "U Salvatore" in Prag endete der mehrtägige Besuch des Vorsitzenden des Evangelischen Kirchenrats in Deutschland, Manfred Kock, in Tschechien und der Slowakei. Bu3e und Versöhnung sind die einzige Chance eines Neubeginns der tschechisch-deutschen Beziehungen und der Zukunft eines vereinten Europas, meinte Kock. Kock traf sich u.a. mit dem Prager Erzbischof, Kardinal Miloslav Vlk, Vertretern der Präsidentenkanzlei sowie dem Vorsitzenden der Ökomenischen Kirchenrates, dem Synodenältesten Pavel Smetana.
Tschechien - EU - Hochwasser
Laut Nachrichtenagentur ctk musste die Europäische Kommission unlängst konstatieren, dass die Rekonstruktionsarbeiten in den hochwasserbetroffenen Gebieten in Tschechien trotz der von der EU freigemachten Fördermittel in Höhe von 4,5 ECU nur langsam fortschreiten, und man den Eindruck habe, dass sie in Polen vergleichsweise schneller vorangehen.
Und was bringt die kommende Woche?
Uno-Sanktionen ignoriert?
Premier Josef Tosovsky hat am Freitag den Abschlussbericht der von der Regierung eingesetzten Untersuchungsgruppe im Fall der tschechischen Hotelgruppe erhalten, die von einer aus Gesellschaft Malta mit angeblich lybischem Kapital aufgekauft wurde. Es besteht damit der Verdacht, dass sowohl tschechische Rechtsnormen als auch internationale Verpflichtungen, die sich aus den UNO-Sanktionen gegen Lybien ergeben, gebrochen wurden. Der vertrauliche Bericht soll kommenden Mittwoch dem Kabinett vorgelegt und die Ergebnisse anschliessend bekanntgegeben werden.
Das waren die Nachrichten. Und nun viel Spass mit unserem weiteren Programm.