Niederösterreichische Landesausstellung erstmals grenzüberschreitend
Im Jahr 1951 fand in Krems die erste niederösterreichische Landesausstellung. Seit 1973 ist sie eine fixe Institution im Kulturleben des größten österreichischen Bundeslandes und findet seither jährlich beziehungsweise in jüngster Zeit alle zwei Jahre statt. Dieses Jahr überschreitet die Ausstellung unter dem Titel „Österreich.Tschechien.Geteilt.Getrennt.Vereint.“ erstmals die Grenze. Und zwar nicht bloß eine Landes-, sondern gleich eine Staatsgrenze: Neben Horn und Raabs an der Thaya ist die Renaissance-Stadt Telč einer der Ausstellungsorte. Am 29. Januar wurde in Telč das gemeinsame Projekt präsentiert.
Auf der anderen Seite der Grenze ist der Landkreis Vysočina (Böhmisch-mährische Höhe) Partner der Ausstellung. Auch der neue Kreishauptmann Jiří Běhounek zeigt sich erfreut über die Zusammenarbeit der beiden Regionen:
„Der Kreis Vysočina ist eine schöne, ein malerische Gegend. Die vielen Kulturdenkmäler sind das Abbild der Jahrhunderte langen Zusammenarbeit mehrerer verschiedener Volksgruppen. Deshalb sind wir – der Kreis Vysočina und die Stadt Telč – sehr froh, dass wir an dieser ersten grenzüberschreitenden niederösterreichischen Landesausstellung teilnehmen dürfen.“Jedem Ausstellungsort ist ein Themenkreis zugeordnet: In der niederösterreichischen Bezirkshauptstadt Horn steht die Geschichte im Mittelpunkt, genauer gesagt das Thema „Zeitgeschichte zwischen hüben und drüben“. Dort wird das während der Jahrhunderte gemeinsam Erlebte in den Mittelpunkt gerückt. „Nicht einplaniert oder eingeebnet. Risse und Unterschiede werden sichtbar“, verspricht der Ausstellungsprospekt. Der Ausstellungsteil in Raabs an der Thaya ist der Grenze gewidmet. Dort will man das Leben an und mit der Grenze thematisieren, die „Grenze in den Köpfen“ ansprechen und zu ihrem Abbau beitragen. Uns was bekommen die Besucher in Telč geboten? Darüber habe ich mit einem der Ausstellungskuratoren, Michal Stehlík, Dekan der Philosophischen Fakultät der Prager Karlsuniversität, gesprochen:
Herr Dekan, sie sind Mitorganisator der Landesausstellung 2009, die in Telč, Raabs und Horn stattfinden wird. Was ist der tschechische Anteil an dieser Ausstellung?
„Die tschechische Seite hat sich entschlossen, die gemeinsame tschechisch-österreichische Geschichte aus dem kulturellen Blickwinkel zu zeigen. Wir haben a priori diese These über Grenzen und Barrieren abgelehnt. Wir wollen den gemeinsamen Kulturraum in den Mittelpunkt stellen: Kirche, Bürgertum und Adel. Die uns zeitlich näheren Jahrhunderte, also das 19. und das 20. Jahrhundert werden durch bedeutende Persönlichkeiten repräsentiert: Josef Hoffmann, Gustav Mahler zum Beispiel. Im 20. Jahrhundert geht es auch um den kulturellen Austausch über die – zeitweise nahezu dichte - Grenze hinweg: Etwa die Emigration von Pavel Kohout nach Wien, das Wiener Burgtheater, das Stücke von Václav Havel zeigt. Wir wollen also über die kulturellen Beziehungen sprechen, weniger über die Politik. Da zeigen wir einen Kontext auf, den wir in der Betrachtung der gemeinsamen Geschichte womöglich nicht sehen.“
Wie ist die Zusammenarbeit abgelaufen? Haben Sie auch in Österreich die Ausstellung mitgestaltet oder zeichnen Sie nur für Telč verantwortlich?„Ich möchte das gerne auf mehrere Ebenen aufrollen: Erstens stammt ein großer Teil der in Telč ausgestellten Objekte aus Österreich. Etwa ein Bild von Egon Schiele oder einer Reihe von persönlichen Gegenständen von Gustav Mahler. Wir haben aber auch Texte untereinander ausgetauscht und sie uns gegenseitig korrigiert, um unsere Sichtweisen ergänzt. Auf der anderen Seite haben wir auch viele Ausstellungsgegenstände nach Österreich verliehen. Sie sehen, es gibt jede Menge Verbindungen. Die Zusammenarbeit hat gut funktioniert.“
Arbeiten Sie auch auf anderen Ebenen mit dem Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung unter der Leitung von Professor Stefan Karner zusammen?
„Dieses Projekt steht in einem anderen Kontext. Für dieses Projekt hat mich der Landkreis Vysočina direkt angesprochen. Was die Folgen des Ersten und de Zweiten Weltkriegs betrifft, gibt es eine Zusammenarbeit zwischen Professor Karners Institut und dem Institut für Zeitgeschichte der Karlsuniversität. Vor allem die Zusammenarbeit den Zweiten Weltkrieg betreffend wollen wir vertiefen. Auch gemeinsame Projekte vor Doktoranden kann ich mir vorstellen. Wir werden sehen, was sich ergibt.“Um noch einmal auf die Ausstellung hier in Telč zurück zu kommen: Hier werden also die von ihnen schon genannten bekannten Persönlichkeiten aus Tschechien im Mittelpunkt stehen?
„Die Präsentation dieser Persönlichkeiten verläuft auf zwei Ebenen: Einerseits die wirklich weltberühmten. Das sind zwei: Josef Hoffmann, geboren in Brtnice, der in Wien arbeitete und später auch in Amerika sehr erfolgreich war. Und Gustav Mahler, zu dem wir eine Menge interessanter, bisher noch nicht ausgestellter Objekte zeigen können. Und dann präsentieren wir – unter Anführungszeichen – auch „regionale“ Persönlichkeiten. Auf der tschechischen Seite den Literaten Josef Florian und den Dichter und Grafiker Bohuslav Reynek, und als Vertreter Österreichs Robert Hamerling, der sein literarisches Schaffen in den Dienst der Politik gestellt hat. Diese Personen sollen auch für die Zeit stehen, in der sie gelebt haben und die Geschichte so erlebbar machen.“
Im Schloss Telč wird noch fleißig gearbeitet, Wände und Decken des Renaissancebaus sind bereits saniert. Zurzeit sind gerade die Bodenleger am Werk. Am 17. April wird die Landesausstellung eröffnet. Wie weit ist man eigentlich mit den Vorbereitungen in Niederösterreich? Wird man rechtzeitig fertig. Unter anderem darüber habe ich micht mit dem dem österreichischen Kurator und wissenschaftlichen Leiter der Landesausstellung 2009, dem Grazer Universitätsprofessor Stefan Karner unterhalten.
Herr Professor Karner, sie haben hier in Telč die erste große Präsentation der Niederösterreichischen Landesausstellung über die Bühne gebracht. Warum eigentlich gerade in Telč?
„Telč ist ganz bewusst gewählt. Es ist Weltkulturerbe, es ist jener Ort, der auch sehr nahe an der Grenze liegt und es ist jener Ort in dem sich sehr viel widerspiegelt von gemeinsamer Geschichte, vom gemeinsamen Schicksal der letzten hundert Jahre, aber auch weiter zurück.“
Ich nehme an, es liegt sehr viel Arbeit hinter Ihnen, es liegt aber sicher auch noch Einiges an Arbeit vor Ihnen bis zum April. Wie sieht es aus mit den Vorbereitungen in Niederösterreich?„Die niederösterreichischen Vorbereitungen sind komplett auf Schiene, die laufen sehr, sehr gut und ich darf auch sagen, dass die Vorbereitungen hier in Telč sehr gut laufen. Und wir sind gewiss, dass wir am 17. April nicht eine unfertige, sondern eine fertige Ausstellung eröffnen können.“
Herr Professor Karner, sie haben es schon angesprochen: Die Zusammenarbeit zwischen Tschechien und Österreich. Wie funktioniert die?
„Es war für uns beide eine neue Situation. Wir haben noch nie gemeinsam eine grenzüberschreitende Ausstellung gemacht, die ja naturgemäß viele Knackpunkte hat. Aber wir haben von vorne herein ein gutes Vertrauensverhältnis hergestellt und wir haben uns laufend getroffen. Wir haben viele Themen gemeinsam besprochen, gemeinsam auch dargestellt. Ein paar Themen nicht, und für diese paar Themen die wir nicht in einer gemeinsamen darstellen konnten, haben wir einen Ausstellungstrick angewendet, der die Wirklichkeit der Zeit nach dem Bau des Eisernen Vorhangs widerspiegelt. Das heißt, wir haben in der Ausstellung auch eine Art Eisernen Vorhang drinnen, durch den man nur schemenhaft das sehen kann, was auf der jeweils anderen Seite vor sich ging. Das ist die Abbildung der Realität, wie die Menschen hier, sowohl in Niederösterreich als auch in Tschechien durch 40 Jahre hindurch leben mussten.“Wie sieht es mit dem Begleitprogramm aus, werden im Rahmen dieser Landesausstellung auch weitere Kulturveranstaltungen geplant?„Wir haben Dutzende, wenn nicht über 200 parallele Veranstaltungen und wir haben viele, viele Begleitveranstaltungen. Sowohl in Telč, als auch in den zwei niederösterreichischen Städten Raabs und Horn. Das heißt, die Ausstellung ist der Kern eines riesigen gemeinsamen Kulturprogramms.“
Und können Sie sich auch eine weitere Zusammenarbeit vorstellen. Gibt es dafür vielleicht sogar schon Pläne für eine zukünftige Kooperation?
„Das ‚Follow Up’ wird jetzt schon besprochen, es wäre aber noch zu früh, der Öffentůichkeit hier schon Ergebnisse mitzuteilen, aber natürlich: Bei jeder großen Ausstellung wird die Nachnutzung, das ‚Follow Up’ immer mitbedacht. Und es werden ja viele Mittel, auch Geldmittel, eingesetzt und es ist daher nur normal, dass man sich jetzt schon überlegt, wie man diesen Schwung weiter zieht in den nächsten Jahren und wie man vor allem die Investitionen, die man getätigt hat, in den nächsten Jahren nutzbringend für die Regionen anwendet.“Wie sieht es aus mit zukünftigen gemeinsamen wissenschaftlichen Projekten zwischen der Karlsuniversität und ihrem Institut? Gibt es konkrete Pläne?
„Da haben wir jetzt ganz konkret wieder ein Projekt in Planung für das Jahr 2011: Es dreht sich um Wien als Konferenzstadt im Kalten Krieg. Wir beginnen mit dem Gipfeltreffen, dem „Vienna Summit“ 1961, von Kennedy und Chruschtschow.“
Die niederösterreichische Landesausstellung 2009 mit dem Titel „Österreich. Tschechien. Geteilt. Getrennt. Vereint.“ findet in Horn, Raabs an der Thaya und Telč statt. Sie läuft von 18. April bis 1. November 2009. Von Donnerstag bis Sonntag verbinden Shuttlebusse die drei Ausstellungsstandorte. Alle Informationen finden Sie auf www.noe-landesausstellung.at.