Seit der Katastrophe von Tschernobyl sind 15 Jahre vergangen
Tschernobyl - am 26. April 1986 erlangte der Name des ukrainischen Atomkraftwerks traurigen Weltruhm - der bisher grösste Unfall in einem Kernkraftwerk mit bis heute ungeahnten Folgen ereignete sich vor genau 15 Jahren. In der damaligen Tschechoslowakei hatte die Bevölkerung Probleme, sich über die Folgen dieser Katastrophe ein genaues Bild zu machen, wie Katrin Bock im folgenden berichtet:
Am 30. April 1986, vier Tage nach der Havarie im Atomkraftwerk Tschernobyl, erfuhren die Bewohner der Tschechoslowakei erstmals von ihrer Regierung, dass es überhaupt zu einem Unfall gekommen ist - die Worte des damaligen Regierungsvorsitzenden Lubomir Strougal klangen beruhigend:
"Auf dem Gebiet der CSSR werden kontinuierlich Messungen durchgeführt, während der gesamten Beobachtungszeit wurden keine erhöhten Werte an Radioaktivität festgestellt."
Doch diese Angaben beruhten auf keinerlei reelen Messungen - im Gegenteil. Erst am Nachmittag des 29. April hatte die Regierung überhaupt regelmässige Messungen der radioaktiven Strahlung veranlasst - und bei diesen waren gleich erhöhte Werte festgestellt worden. Die Regierung informierte die Bevölkerung falsch und auch in den folgenden Tagen waren nur beruhigende Meldungen in der Presse zu finden. Dass damit die Bevölkerung einer Bedrohung ausgesetzt war, steht für die Mitarbeiter der Behörde zur Dokumentation und Untersuchung kommunistischer Verbrechen fest. 1995 leitete sie deshalb Untersuchungsverfahren gegen drei Personen ein, den damaligen Regierungsvorsitzenden Lubomir Strougal, den damaligen tschechoslowakischen Konsul in Kiev, Zdenek Novak, und den damaligen Vositzenden des tschechoslowakischen Sportbundes, Antonin Himl. Die jeweiligen Gründe zur Aufnahme der Verfahren erläutert Jan Srb, Sprecher der Behörde:
"Gegen den Regierungsvorsitzenden geschah dies eindeutig wegen der Erklärung vom 29. April 1986, die er dem Pressebüro zu einem Zeitpunkt übermittelte, zu dem er wusste, dass sie falsch ist. Gegen den Konsul in Kiev wurde das Verfahren eingeleitet, weil ihm das Wohl der Studenten und Bürger der CSSR, die sich in diesem Gebiet aufhielten, unterlag. Tschechoslowakische Studenten wurden unter der Androhung, vom Studium ausgeschlossen zu werden, gezwungen in Kiev zu bleiben. Gegen den Vorsitzenden des Sportbundes wurde das Verfahren eröffnet, weil er, obwohl er genaustens über die Lage hier und in der Ukraine informiert war, ein Radfahr-Team in die Ukraine entsandte, das am Eröffnungsrennen der Internationalen Friedensfahrt teilnahm."
Die Verfahren wurden allerdings vertagt - zum einen waren die Taten bereits verjährt zum anderen fielen sie unter eine Amnestie von Präsident Havel aus dem Jahre 1990. Sollte es der tschechischen Gauckbehörde jedoch gelingen, Beweise zu erbringen, dass die drei vorsätzlich handelten und tschechoslowakische Bürger bewusst einer Todesgefahr ausgesetzt haben oder sollte es gelingen, nachzuweisen, dass aufgrund von Tschernobyl und der hierzulande unterlassenen Information die Zahl der Krebsfälle bzw. Missbildungen Neugeborener stieg, dann könnten die Verfahren wieder eröffnet werden.