Regierung plant Klage gegen Wochenzeitung "Respekt"
Zu unserer neuen Rubrik "Im Spiegel der Medien", die Sie ab sofort jeden Freitag im Anschluss an das Tagesecho hören können, begrüßen Sie jetzt aus dem Prager Studio Robert Schuster und Silja Schultheis.
Vielleicht, liebe Hörerinnen und Hörer, kommt Ihnen die folgende Situation ja bekannt vor: Sie wachen morgens in Ihrem Urlaubsort auf, gehen zum Frühstück in ein Cafe am Marktplatz, suchen sich einen Fensterplatz und beobachten neugierig das bunte Treiben draußen. Nach einer Weile beginnen Sie interessiert in den einheimischen Zeitungen zu blättern und haben dabei das angenehme Gefühl, für einen Moment in das Leben des Ortes und seiner Bewohner einzutauchen.
Weil wir der Meinung sind, dass sich der Zustand einer Gesellschaft zu einem guten Teil in den Medien widerspiegelt und umgekehrt die Medien ein wichtiger Spiegel für die Gesellschaft eines Landes sind, haben wir uns entschieden, Sie ab sofort jeden Freitag mit Kommentaren, Meinungen und Analysen der tschechischen Medien zum aktuellen Geschehen (sowie generell mit der hiesigen Medienlandschaft) vertraut zu machen.
Die Meldung ging Anfang vergangener Woche wie ein Ruck durch die tschechischen Medien und sorgte auch im Ausland für Aufsehen: Nach der Kabinettssitzung am Montag verkündete Premier Milos Zeman die Absicht seiner Regierung, durch eine gemeinsame Klage und siebzehn weitere zivilrechtliche Klagen jedes einzelnen Ministers in Höhe von insgesamt knapp 10 Millionen DM die kritische Wochenzeitung "Respekt" finanziell zu ruinieren.
Anlass hierfür war ein Artikel von Chefredakteur Petr Holub, in dem dieser konstatierte, die Regierung Zeman - die den Wahlkampf 1998 unter anderem mit dem Versprechen einer "Politik der sauberen Hände" gewonnen hatte - habe den Kampf gegen die Korruption verloren. Davon zeugten - so die genaue Formulierung, gegen die geklagt werden soll - "die Angaben von Transparency International sowie das korrupte Verhalten der Minister, angefangen bei dem jüngsten, Brezina, bis hin zum ältesten, Gregr."
Wie Holub im Gespräch mit Radio Prag äußerte, habe ihn die beabsichtige Klage der Regierung weder überrascht noch aus der Fassung gebracht. Mit derartigen gerichtlichen Klagen sähe sich seine Zeitschrift mehrmals pro Jahr konfrontiert, die meisten von ihnen gewinne sie. Entscheidend an der Angelegenheit sei etwas anderes:
"Das ist sicher Teil eines weiterreichenden Konfliktes, den die politisch-ökonomische Elite mit einigen Medien führt - vor allem mit denjenigen, die so offen wie möglich informieren wollen. Von Zeit zu Zeit kommt es zu Spannungen dieser Art, das ist auch in westeuropäischen Ländern üblich, das ist keine postkommunistische Spezialität. Was weitaus wichtiger ist, ist die Haltung Zemans und der Regierung, die diese Medien auf irgendeine Weise einschüchtern wollen. Und dagegen muss man sich entschieden und aktiv wehren."
Der Protest ließ nicht lange auf sich warten. Neben der tschechischen Öffentlichkeit sowie tschechischen und ausländischen Journalisten drückten auch der PEN-Klub und Präsident Vaclav Havel "Respekt" ihre Solidarität aus.
Der Präsident stellte in seiner Ansprache zum Staatsfeiertag am 28.Oktober das geplante Vorgehen der Regierung gegen "Respekt" in den größeren Zusammenhang der Auseinandersetzung der tschechischen Gesellschaft mit ihrer kommunistischen Vergangenheit. Es sei hierzulande immer noch verbreitet, einen monopolartigen Anspruch auf den Besitz der Wahrheit zu behaupten, so Havel, und allergisch auf Kritik zu reagieren. Der in Prag und Berlin tätige Medienexperte Jaroslav Sonka erkennt hierin ein typisches Merkmal posttotalitärer Gesellschaften:
"Es ist tatsächlich so, dass es in jeder Transformation - nicht nur bei uns - es dazu kommt, dass die Leute kommen und sagen: jetzt haben wir die neue Wahrheit - das war Vaclav Klaus damals. Deshalb ist alles Alte falsch, sie haben sofort eine bipolare Welt und sie lernen nie, sich anders zu verhalten als vorher. Sie benehmen sich gleich wie vorher nur schlagen sie auf jemand anders ein..."
Die Wochenzeitschrift "Respekt" war unmittelbar nach der Wende 1989 von ehemaligen Dissidenten gegründet worden und hat sich auch über die Jahre hinweg ihren nonkonformen Charakter bewahrt. In der Vergangenheit war "Respekt" massgeblich an der Aufdeckung verschiedener Affären beteiligt. Seit 1996 wird die Zeitschrift vom früheren Kanzleichef Vaclav Havels, Karl Schwarzenberg, herausgegeben. Auch dieser Umstand war bisher häufig Grund zu Angriffen auf Respekt. Neben Ministerpräsident Zeman gehört auch der Vorsitzende der opositionellen rechtsliberalen Bürgerpartei, Vaclav Klaus, zu den Kritikern der Zeitschrift. Beide Politiker sind häufige innenpolitische Gegner Havels und werfen deshalb "Respekt" vor, das Sprachrohr des Präsidenten zu sein.
Noch hat die Regierung Chefredakteur Holub und seiner Zeitung die Klage nur angedroht. Inzwischen haben sich einige Minister bereits davon distanziert und angekündigt, dass sie keine zivilrechtliche Klage gegen das Blatt erheben werden.
Was ein Verschwinden von "Respekt" und damit des Hauptsymbols für investigativen Journalismus in Tschechien für die hiesige Medienlandschaft bedeuten würde, fragten wir Petr Holub:
"Respekt ist gegenwärtig nicht das einzige Periodikum mit einer offenen Berichterstattung, der Verlust wäre also nicht in dem Sinne fatal, dass es niemand mehr gäbe, der das tun würde. Die Tageszeitungen sind in dieser Richtung relativ unabhängig, auch im Rundfunk und Fernsehen gibt es immer noch genug Leute, die sich darum bemühen. Aber die "Respekt"-Affäre wäre ein exemplarischer Fall und jeder würde sich bemühen, wesentlich vorsichtiger zu sein."
Jaroslav Sonka betrachtet die Frage nach dem möglichen Verschwinden von "Respekt" als eine internationale Angelegenheit:
"Also, ich würde von dieser Variante überhaupt nicht sprechen. Es ist so, dass die oberste Instanz in diesem Falle überhaupt nicht ein Gericht in Tschechien ist, sondern es ist Straßburg, dort gibt es den Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte, und das Recht auf Information gehört dazu. Und auf jeden Fall, möglicherweise sogar auf direktem Wege, kommen die dort zu Wort."
Als Printmedium, so Petr Holub, könne "Respekt" wohl kaum ein solches Maß an Aufmerksamkeit erregen wie die Krise um das Öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen Ende vergangenen Jahres. Doch eins steht für ihn fest:
"Dieser Streit muss jetzt zuende geführt werden, allein schon aus Verantwortung gegenüber denjenigen, die "Respekt" unterstützen.
Soweit, verehrte Hörerinnen und Hörer, die erste Ausgabe unseres Medienspiegels. Wir sind nicht nur gespannt auf Ihre Kritik, sondern möchten Sie ausdrücklich darum bitten, uns Ihre Meinungen, Anregungen, Verbesserungsvorschläge zu schreiben. Schließlich handelt es sich um eine neue Rubrik und da ist uns Ihr Echo besonders wichtig.