Regionjournal
Herzlich willkommen, verehrte Damen und Herren, bei der neuen Ausgabe von Regionaljournal. Auch in der Sommerzeit gibt es wieder reichlich an interessantem Geschehen in den verschiedenen Regionen der Tschechischen Republik, von dem wir Ihnen gerne erzählen möchten. Zu unserer Regionalrundfahrt laden Sie ein Lothar Martin und Dagmar Keberlova.
Unser erster Abstecher führt in das nordböhmische Turnov/Turnau. Wie Sie sich vielleicht vorstellen können, liebe Hörerinnen und Hörer, ist es heutzutage nicht leicht, in Tschechien ein Mäzene zu sein. Von reichen großherzigen Menschen, die hier mit ihrem Geld uneigennützig helfen wollen, werden Sie nicht sehr viele in Tschechien finden. Einige, die mit gutem Willen angefangen haben, haben nach einer gewissen Zeit aufgrund verschiedener Hindernisse wieder aufgehört. Ein paar gibt es dennoch. Meistens sind es Tschechen, die in die Welt gegangen und reich geworden sind. So einer ist der aus Turnov stammende Bohuslav Jan Horacek. Seine Aktivitäten begannen den Worten des Bürgermeisters von Turnov Milan Hejduk zufolge vor vier Jahren, wo er in einem naheliegenden Dorf für das Gemeindeamt das Gebäude zurück kaufte, in dem das Amt seinen Sitz hat, unter Denkmalschutz steht und das das Gemeindeamt im Rahmen der Restitutionen verloren hatte. Ein Jahr später begann er, auch die Stadt Turnov zu unterstützen. Die Bürger aus Turnov wollten den Brunnen des Hauptplatzes, der von den Kommunisten niedergerissen wurde, wieder aufbauen. Aber 200 000 Kronen, die sie gesammelt haben, waren für die Rekonstruktion eines historischen Denkmals zu wenig. So spendete Herr Horacek weitere 2 Millionen Kronen und der Brunnen steht. Der Bürgermeister von Turnov, Milan Hejduk, führt aus, an welchen Projekten sich heutzutage Bohuslav Horacek beteiligt:
"Herr Horacek und seine Stiftung unterstützen derzeit finanziell zwei große Projekte: die Rekonstruktion der Küche des hiesigen Spitals, das sonst geschlossen werden müsste und den Umbau von ehemaligen Kasernen, die der Handelsakademie und der Hotelschule anschließend zur Verfügung gestellt werden. In Karlovice baut er ein Altersheim, unterstützt die Rekonstruktion von einigen Kirchen in der Umgebung und am liebsten baut er Sportplätze. Seit dem letzten Jahr widmet er sich auch den Schülern des hiesigen Gymnasiums, für die er Sprachkurse finanziert und den besten von allen Schülern hat er auch einen kleinen Betrag für das Abiturzeugnis zukommen lassen."
Herr Horacek bekommt vom Rathaus Vorschläge verschiedener Projekte und sucht sich diejenigen aus, die er gerne unterstützen möchte. Er kennt sich sehr gut aus und denkt auch an die Zukunft, deshalb hat er eine Stiftung mit dem Namen Jan Horacek für das Böhmische Paradies gegründet, um auch nach seinem Tode seinen Geburtsort unterstützen zu können. Liebe Hörerinnen und Hörer, wenn es Ihnen unglaublich vorkommt, so können wir es nur bestätigen. Bürgermeister Hejduk hebte auch den Betrag hervor, den Herr Horacek bereits gespendet hatte - der Stadt ca. 24 Millionen und noch einmal soviel den umliegenden Dörfern. Hierzu die persönliche Meinung des Bürgermeisters Hejduk:"Ich persönlich halte die Hilfe des Herrn Horacek für etwas, was einem Wunder sehr nahe liegt und empfinde eine endlose Ehre zu diesem Menschen, der sich seines Geburtsortes erinnerte und versucht, dieser Gegend zu helfen. Ich kenne keinen so freigebigen Menschen, für seine Taten kann ich kaum Worte finden."
Der 75jähriger Wiener, der außer Wien in verschiedenen Orten Europas lebt, ist in seiner Heimatstadt fast unbekannt. Dies ist nämlich seine Absicht, im Hintergrund des Geschehens zu bleiben, er ist bescheiden und will keine Popularität. Aus diesem Grund können wir Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, kein Interview mit diesem Mann bieten, da er nie mit der Presse spricht und nie öffentlich auftritt. Er gibt nur gern sein Geld und möchte nichts dafür.
Von einem Mann, der keine Popularität erlangen möchte geht es nun zu einem anderen, der genau das Gegenteil davon ist. Es ist schließlich auch sein Beruf, denn er ist Komiker und ein guter noch dazu. An Boleslav Polivka ist besonders die Tatsache, dass er der erste Mann des Walachischen Königreiches ist. Und da werden wir auch unseren nächsten Halt machen, denn an seiner Farm ist am vergangenen Wochenende ein schwer einzuordnendes Festival zu Ende gegangen. Das Walachische Königreich ist nichts anderes als eine spaßhafte Bezeichnung der nordostmährischen Walachei, die man sich ausgedacht hat, um auf das Besondere an dem Wesen der Walachen aufmerksam zu machen. Das Festival bestätigt es auch. Boleslav Polivka hat dieses Jahr bereits zum sechsten mal verschiedene kleine Theaterszenen auf seine Farm eingeladen. In zwei Zirkuszelten haben viele Theatervorstellungen und Auftritte tschechischer Komiker stattgefunden, ein tatsächlicher Zirkus, der Joo-Joo Zirkus war auch dabei. Auch an kreatives Schaffen der Besucher hat man gedacht, so haben Kurse für Jongleure oder Seiltänzer stattgefunden, Kinder haben den Komiker Polivka gemalt oder Büsten modelliert. Dies kommt Ihnen vielleicht noch nicht so besonders vor und recht haben sie. Aber das ist noch nicht alles, denn diese Veranstaltung mit dem Titel Grand Manege geht traditionell am ersten Samstag im August mit einer seltsamen Weltmeisterschaft, mit Olsany Open zu Ende. So war im ersten Jahrgang die Weltmeisterschaft im Fliegenfangen dran, im zweiten Jahr dann die Weltmeisterschaft im Flinten ins Korn werfen, ein weiteres Jahr haben die Teilnehmer im Schattenwerfen ihre Kräfte gemessen. Dieses Jahr haben die Veranstalter nach Olsany Menschen eingeladen, die auch eine etwas unübliche Kunst beherrschen und zwar das Sägenspiel. Worum es bei der Weltmeisterschaft im Sägenspiel ging, dies erzählt Ihnen Ludek Horacek, der Veranstalter und PR Direktor Boleslav Polivkas Farm:
"Der Preis dieser Weltmeisterschaft war die goldene, silberne und bronzene Säge Stradivari Sandvik. Die Teilnehmer sind aus der ganzen Welt nach Olsany gekommen, die meisten aus Japan, weiter aus China, aus New Zeland, sowie Europäer wie Polen, Österreicher oder Deutsche. Im Finale hat dann ein Orchester gespielt, der von weiteren etwas verrückten Musikinstrumenten ergänzt wurde wie z. B. der Kuhglocke. Außerdem kam ein Musiker aus Spanien, der mit Gläsern oder Leitungsröhren musiziert hat."
Liebe Hörerinnen und Hörer, vielleicht haben Sie gar nicht gewusst, dass man die Säge auch zum Musizieren verwenden kann. Wie so ein Sägenspiel vor sich geht, verrät Ihnen Ludek Horacek:
"Im Grunde genommen gibt es spezielle Sägen dafür, die wie Handsägen aussehen. Man bewegt die Metallplatte der Säge und mit einem Bogen spielt man darauf wie auf einer Geige. Ein tschechischer Sägenmusiker, Petr Dopita hat sogar eine CD mit Weihnachtsmusik auf der Säge aufgenommen. Derjenige, der das Sägenspiel beherrscht, kann alles spielen. In China gibt es sogar eine Musikschule, in der es das Fach Sägenspiel gibt."
Wenn Sie traurig sein sollten, liebe Freunde, dass Sie die originelle erste Weltmeisterschaft im Sägenspiel versäumt haben, so können Sie sich vielleicht für nächstes Jahr einen Besuch in die Walachei einplanen, denn die Olsany Open wird auch im kommenden Jahr stattfinden, mit einem anderen Thema, denn das macht die Einzigartigkeit der ganzen Veranstaltung aus, dass es die Weltpremiere ist. Das Thema des nächsten Jahres soll Ludek Horacek zufolge noch ein Geheimnis bleiben, verraten kann er heute den Ungeduldigen nur das, dass es etwas mit Film zu tun haben wird.
Etwas, was Sie nicht versäumen können, sind die neu eröffneten wunderschönen Tropfsteinhöhlen in Moravsky Kras/ Mährischen Karst, wo wir heute unseren letzten Halt machen werden. Mährischer Karst ist ein ca. 30 Kilometer nördlich von der südmährischen Metropole Brno / Brünn gelegenes Kalksteingebiet. Seit Anfang Juni können die Sloupsko - sosuvske Tropfsteinhöhlen als viertes Grottenkomplex besucht werden. Nach drei Jahren Rekonstruktion, während der die Höhlen für die Öffentlichkeit geschlossen waren, gibt es hier einen 1400 m langen Weg für Rollstuhlfahrer. Somit hat der Höhlenkomplex von den insgesamt 12 der Öffentlichkeit zugänglichen Grotten in Tschechien den längsten Weg für Rollstuhlfahrer. Mit der Rekonstruktion wollte die Verwaltung des Mährischen Karstes die Höhlen soviel wie möglich in den ursprünglichen Zustand bringen. So wurden z. B. überflüssige Geländer und Zäune beseitigt. Die Besucher können dem Leiter der Verwaltung Miloslav Janicek zufolge nun um so stärker nicht nur die unterirdischen Schönheiten wahrnehmen, sondern auch ihre Atmosphäre. Die Sloupsko - sosuvske Höhlen wurden mit einer anderen Höhle verbunden, mit der Höhle Kulna, die der wichtigste Fundort der Überreste des Neandertalers in der Tschechischen Republik ist. Die ältesten Überreste, die in Kulna die Archeologen entdeckt haben, stammen aus der Zeit vor ca. 120 000 Jahren. Hier wurde vor kurzem auch eine Ausstellung eröffnet, die der prähistorischen Besiedlung gewidmet ist.Zu einer weiteren Besonderheit der Sloupsko- sosuvske Höhlen gehört der Elisabethdom, in dem die Besucher die Vangelis Komposition Die Eroberung des Paradieses genießen können.