Die Europäische Union und die sog. Benes-Dekrete
Die Europäische Union macht die Aufhebung der sog. Benes-Dekrete nicht zur Bedingung für den EU Beitritt Tschechiens. Dem tschechischen EU-Chefunterhändler Pavel Telicka, der darüber in Brüssel verhandelte, versicherten dies Vertreter der Europäischen Union. Dagmar Keberlova berichtet.
Die Benes-Dekrete gehören nicht zu den Beitrittsverhandlungen der Tschechischen Republik mit der Europäischen Union. Dies haben am vergangenen Freitag der Erweiterungskommissar Günter Verheugen, am Montag der Sprecher der Europäischen Kommission Jean Christophe Filori und letztlich auch weitere EU-Vertreter bestätigt. Vizeaußenminister Pavel Telicka, der im außenpolitischen Ausschuss der Europäischen Parlaments den Abgeordneten Rede und Antwort stand, argumentierte mit den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz, die seiner Meinung nach die Vertreibung gebilligt hatten und bei weitem nicht nur die damalige Tschechoslowakei betrafen. Es handele sich dabei um einen tragischen Abschnitt der tschechischen Geschichte, für den sich Tschechien entschuldigt hätte. Für jedwede Verhandlungen zu diesem Thema hält Telicka die Tschechisch-deutsche Deklaration aus dem Jahre 1997 für grundlegend. Weiter informierte er, dass die tschechische Regierung den Vorschlag des Chefs des tschechischen Parlaments Vaclav Klaus, die Benes-Dekrete zum Teil der Beitrittsverhandlungen machen, abgelehnt hatte. Telicka reagierte auch auf die jüngste Forderung des ungarischen Premiers Viktor Orban nach Aufhebung der Dekrete. Hierzu meinte Telicka:
"Wir haben von Seiten der Europäischen Union nie gehört, dass die Benes-Dekrete ein Verhandlungs- oder Beitrittsthema wären. Und plötzlich hören wir dies, um es etwas vereinfachend zu sagen, von dem Premier eines Landes der Visegrader Staatengruppe, eines Landes, das uns meiner Meinung nach in vielen Punkten sehr nahe steht und mit dem wir viele Werte teilen."
Prag will mit Budapest über diese Frage verhandeln, um festzustellen, was Ungarn sich damit zum Ziel setzt, so Telicka. Über die Benes-Dekrete werden bereits am Donnerstag die Außenminister Tschechiens und Ungarns inoffiziell in Brüssel Gespräche führen. Schon jetzt steht aber fest, dass Ungarn an der Fortsetzung der Zusammenarbeit im Rahmen der Visegrader Staatengruppe, die letzte Woche durch Orbans Aussagen beträchtlich gestört wurde, interessiert ist. Der ungarische Außenminister Janos Martonyi ließ aus Budapest verlauten, dass die Visegrader Zusammenarbeit fortgesetzt werden müsse, um die Beitrittsgespräche der Kandidatenländer möglichst bald abschließen zu können.