EC Prag-Berlin: Im Schneckentempo durch Europa

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Bahnhof Praha-Holesovice, Freitag Nachmittag. Die Anzeigentafel verspricht diesmal eine pünktliche Abfahrt des Eurocitys Vindobona nach Berlin. Vorausgesetzt, alles geht auch weiterhin planmäßig, besteht demnach die Aussicht, in etwa 5 1/2h am Ziel zu sein - was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von beachtlichen 65 km/h entspricht. Paradoxerweise reagieren dennoch Berliner Bekannte immer wieder positiv überrascht, wenn sie sich vergegenwärtigen, dass man mit dem Zug schneller in Prag als etwa in München ist.

Bahnhof Praha-Holesovice, Freitag Nachmittag. Die Anzeigentafel verspricht diesmal eine pünktliche Abfahrt des Eurocitys Vindobona nach Berlin. Vorausgesetzt, alles geht auch weiterhin planmäßig, besteht demnach die Aussicht, in etwa 5 1/2h am Ziel zu sein - was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von beachtlichen 65 km/h entspricht. Paradoxerweise reagieren dennoch Berliner Bekannte immer wieder positiv überrascht, wenn sie sich vergegenwärtigen, dass man mit dem Zug schneller in Prag als etwa in München ist.

Unter scheinbar endlosen Lautsprecheransagen auf Tschechisch, Englisch und Deutsch fährt der EC Vindobona in Holesovice ein und setzt seine Fahrt über Usti und Decin fort. Mit der Mehrsprachigkeit ist erst Schluss, als nach Bad Schandau das Team der Deutschen Bahn die Zugleitung übernimmt.

Inzwischen hat Vindobona bereits beträchtliche Verspätung. Als sich die Weiterfahrt aufgrund eines - so die Durchsage - "Personenschadens" weiter verzögert und der Fahrplan bereits um zwei Stunden überzogen ist, sehe ich mich plötzlich von zwei Spaniern und mehreren Skandinaviern umringt. Sie hatten vor, in Berlin den Anschluss-Nachtzug nach Stockholm zu nehmen und rätselten nun, wie - und vor allem wo - sie jetzt die Nacht verbringen sollten. Ob ich ihnen die soeben erfolgte Lautsprecherdurchsage übersetzen könnte. Darin hatte das DB-Personal den Fahrgästen auf deutsch gleichsam beiläufig, aber korrekt mitgeteilt, dass Weiterreisende nach Schweden in Berlin-Ostbahnhof aussteigen und sich beim Info-Point Hotelgutscheine für eine Übernachtung in Berlin abholen sollten. Meine Frage, warum diese nicht ganz unwesentliche Information in einem internationalen Zug nicht auch auf Englisch verbreitet würde, stieß beim Bahnpersonal auf betretene Ratlosigkeit. Dafür sei niemand im Zug ausgebildet, hieß es schließlich.

Ein Eurocity unterwegs zwischen zwei europäischen Hauptstädten - selbst wenn alles planmäßig und auf Englisch verlaufen wäre - 65km/h ist definitiv eine Geschwindigkeit, die mit dem sonstigen Tempo des EU-Erweiterungsprozesses nicht annähernd Schritt halten kann.

Auf der anderen Seite - wenn zwischen Prag und Berlin nur noch schnelle, zuverlässige und vollklimatisierte Züge verkehrten - würde man sich dann überhaupt noch Gedanken darüber machen, wohin und warum man eigentlich unterwegs ist? Und wann hätte man dann noch Zeit und Muße, sich zu fragen, was wohl mit dem EU-Beitritt Tschechiens im Januar 2004 alles anders wird?