Erste tschechische Reaktionen zum Wahlausgang in Österreich
In so gut wie allen tschechischen Tageszeitungen fand sich am Montag der Ausgang der österreichischen Nationalratswahlen auf den Titelblättern, wenn nicht gar in den Schlagzeilen wieder. Dies liegt nicht nur daran, dass es sich bei Österreich um ein Nachbarland und einen wichtigen Wirtschaftspartner handelt. Vielmehr sind es die zuletzt nicht immer spannungsfrei verlaufenen Beziehungen zwischen den beiden Staaten, die hierzulande das große Interesse an dieser Wahl hervorriefen. Zu den ersten tschechischen Reaktionen auf den österreichischen Urnengang hören Sie folgenden Bericht von Gerald Schubert:
Ein Sensationserfolg für Kanzler Wolfgang Schüssel und seine Volkspartei. Zugewinne auch für die Sozialdemokraten, die aber dennoch - zum ersten Mal seit 1966 - nicht auf Platz eins landen konnten. Ebenfalls Gewinne für die Grünen, wenngleich in geringerem Ausmaß als allgemein erwartet. Und schließlich ein veritables Debakel für die Freiheitliche Partei, die, vor allem durch verbale Rundumschläge des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider, immer wieder innen- und außenpolitische Eklats provoziert hat. Das sind in Kürze die Ergebnisse der vorgezogenen Nationalratswahl in Österreich, die diesen Sonntag abgehalten wurden.
Vor allem im Lichte der bevorstehenden EU-Erweiterung war die österreichische Wahl von tschechischer Seite besonders interessiert verfolgt worden. Denn die Freiheitliche Partei, die Anfang des Jahres 2000 als Koalitionspartner von Kanzler Wolfgang Schüssel in die österreichische Regierung eingetreten war, hatte immer wieder durch EU-kritische Töne auf sich aufmerksam gemacht und war insbesondere der Erweiterung stets skeptisch gegenübergestanden. Die Tschechische Republik sah sich dabei von freiheitlicher Seite mit häufigen Veto-Drohungen konfrontiert, und zwar in erster Linie im Zusammenhang mit dem südböhmischen Kernkraftwerk Temelin und den sogenannten Benes-Dekreten.In einem Interview für den Radiosender BBC zur Bedeutung des österreichischen Wahlausgangs für das bilaterale Verhältnis hat nun der tschechische Außenminister Cyril Svoboda, der übrigens auch Parteivorsitzender der christdemokratischen KDU-CSL ist, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern als ohnehin gut bezeichnet. Seit einigen Monaten, also seit der Wahl in Tschechien, sei man um gute Kontakte besonders bemüht. Und konkret auf Temelin und Benes-Dekrete angesprochen meinte Svoboda:
"Was Temelin betrifft, so ist diese Sache für mich schon lange gelöst. Und zwar dadurch, dass auf akademischem Boden die Debatte über die Kernenergie fortgeführt wird. Die Temelin-Frage halte ich also für abgeschlossen - was aber natürlich auch bedeutet, dass das Abkommen von Brüssel und der Melker Prozess auf Punkt und Beistrich eingehalten werden müssen. Darüber gibt es gar keinen Zweifel. Und die Frage der Benes-Dekrete, die wurde, was die rechtlichen Analysen betrifft, bereits durch die Frowein-Kommission und durch andere Dokumente gelöst. Diese Sache hat sich meiner Meinung nach in der europäischen politischen Szene insgesamt in eine gute Richtung weiterbewegt. Ich habe also keine Befürchtungen, dass nun mit einer neuen Regierung in Österreich irgendwelche Komplikationen entstehen könnten."
Welche Koalition künftig in Österreich regieren wird, das ist bisher noch sehr ungewiss. Denn eigentlich haben sich alle möglichen Koalitionspartner der ÖVP im Falle ihres nunmehrigen Abschneidens auf die Oppositionsrolle festgelegt. Doch das aus tschechischer Sicht wichtigste kann man wohl schon jetzt ziemlich klar konstatieren: Selbst wenn Schüssel die FPÖ wieder ins Boot holen sollte, dürfte ein österreichisches Ja zur EU-Erweiterung Koalitionsbedingung sein.