Havel und der "amerikanische Traum"

Der tschechische Staatspräsident Vaclav Havel, dessen Amtszeit in wenigen Tagen abläuft, ist insbesondere für seine Politik auf internationaler Ebene bekannt. Die Beziehungen zu einem Land stechen dabei besonders hervor: Die zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Gerald Schubert ging der Frage nach, wodurch Havels Beziehungen zu den USA besonders geprägt sind:

Vaclav Havel nach links, also in den Westen blickend, mit Sonnenbrille, in deren Gläsern sich die wehende Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika widerspiegelt. So sah vor wenigen Wochen das Titelblatt einer Beilage der Tageszeitung Lidove Noviny aus, die dem Abschiedsbesuch des Präsidenten in den USA ihren Hauptbeitrag widmete.

Havels Affinität zu den USA mag vielfältiger Natur sein. Seine Vorliebe für amerikanische Rockmusik etwa, die er seit der Wende des Jahres 1989 immer wieder offen zur Schau stellte, indem er diverse Stars anlässlich ihrer Pragkonzerte bei sich empfing, ist mittlerweile legendär. Doch wichtiger sind wohl auch hier prinzipielle demokratische Werte, auf denen die amerikanische Gesellschaft gegründet ist, und für die Havel im Verlauf seines Lebens so lange gekämpft hat. Dies gilt trotz der dunklen Punkte in der amerikanischen Geschichte.

Und im praktischem Sinne wurden Havels Beziehungen zu den USA wohl auch durch seine guten Kontakte zur ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright, einer gebürtigen Tschechin, geprägt.

Als Krönung des diplomatischen Lebenswerkes von Vaclav Havel wurde schließlich gar häufig die Tatsache bezeichnet, dass der Erweiterungs- und Transformationsgipfel der NATO, deren Mitglied Tschechien seit 1999 ist, im vergangenen November ausgerechnet in Prag abgehalten wurde. Dabei war Havels Sicht der Nordatlantischen Allianz, wie seine Sicht von Militärblöcken überhaupt, nicht immer so ausdrücklich positiv. Kurz nach der Wende des Jahres 1989 hat er sogar noch offen von einem blockfreien Europa geträumt. Radio Prag hat den Tschechischen Botschafter in Österreich, Jiri Grusa, der auch als langjähriger Weggefährte Havels gilt, nach den Gründen für diesen Wandel befragt:

"Wir haben für die Entwicklung der Demokratie zwei Modelle: Die französische Revolution und das amerikanische Modell. Die französische - und dann die europäische - Entwicklung landete doch in der Konkurrenz verschiedener Nationen. Die amerikanische Verfassungsideologie war Havel, soweit ich mich erinnere, immer ein bisschen näher als die europäische. Ich bin mir fast sicher, dass Havel nicht an eine spezifisch europäische, sagen wir pazifistische Entwicklung dachte. Deswegen sehe ich hier keinen großen Bruch, sondern eher eine partielle Entwicklung seiner Gedankengänge. Die gemeinsamen Werte sind etwas, das man letztendlich verteidigen muss. Und die Tradition des Dissens bei uns, das ist die der Verteidigung. Und sie nicht pazifistisch."