Benediktinerkloster in Broumov
Im halbstündigen Programm von Radio Prag geht es nun weiter mit dem Regionaljournal. Diesmal laden Sie Gerald Schubert und Dagmar Keberlova in eine kleine Gemeinde in Nordostböhmen ein, die in letzter Zeit vor allem dadurch Berühmtheit erlangte, dass dort eine Kopie des Turiner Grabtuchs entdeckt wurde.
"Die Kirche weckt unsere Aufmerksamkeit durch die reiche und prächtige barocke Verzierung, an der sich bekannte Barockkünstler beteiligt haben. Die Kirche hat sechs Seitenkapellen, wobei die bedeutendste die des heiligen Kreuzes ist, weil hier im Jahre 1999 die einzigartige Kopie einer christlichen Reliquie, nämlich des Grabtuchs von Turin gefunden wurde. Es war ein unerwarteter Fund, denn das Grabtuch lag hier schon seit dem 17. Jahrhundert. Wir haben es durch einen Zufall entdeckt. Oberhalb der Kappelle befand sich die Aufschrift "Sankta Sindon", was darauf hinweist, dass dort etwas ist, was mit dem Tuch zusammen hängt. "Sankta Sindon" bedeutet Heiliges Totenhemd. Wir haben uns entschlossen, die Büchse aufzumachen und drinnen war die Kopie des Leichentuchs aus dem Jahre 1651."
Es gebe an die 40 Kopien in der Welt, diese sei aber eine Besonderheit in Mitteleuropa. Denn es sei die einzige oberhalb der Alpen ist, sagte uns Premysl Sochor.Schon 1213 kamen die Benediktiner aus Prag nach Broumov. Die ursprüngliche Festung bauten die Benediktiner in ein Kloster um. Die Kirche war ursprünglich gotisch, in die heutige barocke Gestalt wurde sie dann von Ignatz und Kilian Dientzenhofer umgebaut. Wichtig in der Geschichte des Klosters war auch sein Schulwesen, namhafte tschechische Persönlichkeiten - wie Balbin oder Jirasek - hatten hier seinerzeit studiert. Doch im 20.Jahrhundert wurde es geschlossen:
"Das Klostergymnasium wurde von den Nazis 1939 gesperrt. Nach 1945 wurden die Klosterbrüder ins bayerische Rohr ausgesiedelt und für kurze Zeit kamen Benediktiner aus Amerika. Nach der kommunistischen Machtübernahme 1948 wurden auch diese gezwungen, wegzuziehen. 1950 wird das Kloster zum Klostergefängnis gemacht. Es war eines der vielen Klöster, die von den Kommunisten zuerst aufgehoben und dann ausgeraubt wurden. Die Klosterschwestern lebten hier unter entsetzlichen Bedingungen, nach 1968 wurden die meisten entlassen, und es blieben nur Dominikanerschwestern, die hier Hostien gebacken haben. Diese sind dann 1990 nach Mähren gegangen. Das Kloster kam dann zu den Benediktinern zurück, aber es lebt derzeit kein Benediktinermönch hier, weil es in Tschechien überhaupt nur sehr wenige - ca. 20 - gibt, und ihr Hauptsitz Prag Brevnov ist."
Wir gehen aber weiter, weil wir noch viel vor haben, und der Vikar auf uns wartet. In der Bibliothek, die wunderschön wie wahrscheinlich alle Klosterbibliotheken sind, habe ich das Gefühl, dass diese Bücher eigentlich die verlassensten Bücher auf der Welt sind, und unser Führer nickt mir traurig zu. Über weitere Räumlichkeiten, Stockwerke und viele Schlüssel - es gibt im Kloster an die 300 Türen - gelangen wir schließlich zum berühmten Grabtuch. Da ahnen wir noch nicht, dass unser Führer selbst derjenige ist, dem man diese Entdeckung zu verdanken hat. Er verschwieg uns dies nämlich in seiner Bescheidenheit - wir erfahren es erst später aus dem Gespräch mit dem Vikar. Also geben wir dem Entdecker, dem die Neugierde die Augen öffnete, Premysl Sochor, das Wort:
"In dem Grabtuch wurde Jesus Christus im Grab eingewickelt und nach seiner Auferstehung hatte sich dort irgendwie sein Körper abgedrückt. Das Originaltuch wird in Turin aufbewahrt und es gibt sogar eine ganze Wissenschaft, die Sindologie heißt. Genauso wie beim Original sieht man den Jesus-Körper von vorne und von hinten. Klar sichtbar sind der Kopf, das Gesicht und die Beine, sowie der durchstochene Leib. In der Mitte sehen wir die Aufschrift 'Extraktum at originale'. Wir fanden es in einer Holzbüchse, die heute daneben ausgestellt ist."
Diese Kopie gehört zu einer der besten, sagt Premysl Sochor, weil man eben die einzelnen Teile so gut sieht. Seit der Entdeckung steige auch nachhaltig die Zahl der Besucher, die davon erfahren und nach Broumov kommen. Diese kommen auch wegen der Architektur und wegen des Klosters selbst, vor allem aus Polen, da die Polen ja ein sehr gläubiges Volk sind, aber auch aus Deutschland, Holland und weiteren Ländern. Die Tschechen würden ein Drittel davon ausmachen, sagt Herr Sochor. Als Attraktion sind derzeit in dem umfangreichen Keller 34 Mumien von bedeutenden Bürgern aus der Kirchenkrypta in Vamberk aufbewahrt, weil die Krypta hergerichtet werden muss und die Mumien hier die besten Bedingungen zum Überleben hätten.
Von Herrn Norbert Josef Zeman erfahren wir ebenfalls sehr viel, weil er schon seit 20 Jahren in der Region um Broumov lebe. Er wurde von den Kommunisten in diese abgelegene Gegend strafversetzt:
"In den 20 Jahren habe ich schon einiges erlebt. Damals hatten sie mich aus Hradec Kralove ins benachbarte Ruprechtice versetzt, wo ich sehr alleine war, aber das war für mich in Ordnung, weil ich das Alleinsein sehr gut vertrage. Aber die damaligen Herren, die mich scharf observierten, sahen, dass es mir eigentlich gut geht, und sie versuchten es anders, sie wollten mich überlasten und daher hatten sie mich hierher versetzt, und dazu behielt ich auch noch alle anderen Pfarrgemeinden zur Verwaltung. Mit Hilfe Gottes habe ich alles geschafft."Wie die Menschen hier sind, frage ich. Wie überall anders - es gebe gute und nicht so gute Menschen, wobei nicht alle guten in der Kirche säßen. Nach der Wende habe sich auch für ihn vieles verändert. Man begann, einiges zu organisieren wie die Tage der polnisch-tschechischen christlichen Kultur, die es bis heute gibt. Man begann mit der Rekonstruktion der Kirchen in der Region, und da gibt es noch Arbeit für Jahrzehnte. Dies wäre aber nicht sein wichtigster Job, denn das seien seine Gläubigen:
"Hier in Broumov und Umgebung ist die Situation nicht so traurig wie beispielsweise in Westböhmen, wo es verlassene Lokalitäten ohne Gläubige gibt. Wir haben hier zwar auch zwei Pfarrgemeinden, die praktisch tot sind, aber in den anderen gibt es christliches Leben. Wir haben am Sonntag in Broumov an die 150 Menschen in der Kirche, was nicht so viel ist, aber bei der Volkszählung haben sich 2000 zum katholischen Glauben bekannt, was umgerechnet auf die 8000 Einwohner wiederum nicht so wenig ist. Ich hoffe, dass sich in Zukunft die Zahl der Gläubigen nicht verringen wird."
Während wir auf die kurze Besichtigung einiger weiteren Kirchen waren - sehr beeindruckend war vor allem eine Holzkirche, die einzige, in der uns nicht kalt ist und die allerdings nur mehr zu Begräbnissen dient - haben wir den Bürgermeister verpasst, der Herrn Norbert Josef Zeman eingeladen hat, beim Besuch des EU-Botschafters Ramiro Cibrian in Broumov dabei zu sein. Er würde hingehen, das schon, aber im Referendum über den EU-Beitritt Tschechiens würde er mit nein stimmen. Warum, frage ich verwundert - denn von einem Menschen, der so gelitten hatte unter dem kommunistischen Terror, und der die Freiheit des Individuums zu schätzen weiß, hätte ich diese Antwort nicht erwartet. Jeder solle sich freiwillig entscheiden, er wäre gegen die Werte, die in der Union verteidigt werden, sowie dagegen, dass sich dort alles nur ums Geld drehe. Ja, Demokratie ist auch, nein sagen zu dürfen. Insgeheim hoffe ich, dass EU-Botschafter Cibrian auf seinen Regionalreisen noch einige solche Menschen überzeugen wird können.
Unsere Reise ist damit, verehrte Damen und Herren, zu Ende, und wir freuen uns, wenn sie auch in zwei Wochen wieder mit uns dabei sein werden. Danke fürs Zuhören sagen Gerald Schubert und Dagmar Keberlova.