Endspurt der Kampagne vor dem EU-Referendum
Herzlich willkommen, verehrte Damen und Herren, zu einer weiteren Ausgabe von Eurodomino. Nicht einmal fünf Wochen bleiben bis zum tschechischen Referendum über den EU-Beitritt, das zum letzten schwerwiegenden Hindernis im Beitrittsprozess werden könnte. Am 1. Mai wurde die abschließende Phase der Regierungskampagne gestartet, mit der in den kommenden Wochen die tschechische Bevölkerung vor allem über die Medien verstärkt erreicht werden soll. Dies ist unser heutiges Thema, die Sendung hat für Sie Dagmar Keberlova vorbereitet. Am Mikrophon begrüßen Sie Silja Schultheis und Gerald Schubert.
Das ist einer der EU-Werbespots, die gegenwärtig täglich im Fernsehen zu sehen sind. In dem Spot erklärt u.a. ein Ire, dass die Iren kein Vertrauen in Bürokratie jedweder Art haben. Dies hänge u.a. mit der Angst um den Erhalt der irischen Sprache zusammen und sei eine Lehre aus der eigenen Geschichte. Im Referendum war das irische Ja nur knapp, aber letztendlich hätte die Union die Iren wieder auf die Beine gestellt. Irisch werde jetzt in den Schulen und auf den Ämtern gesprochen. Und das Bier sei nach wie vor hervorragend ...
Inwieweit sich die unentschlossenen Tschechen noch bis zum 13. Juni von diesem Iren, von einem griechischen Kaffeehausbesitzer oder einer Finnin beeinflussen lassen, wird sich erst bei der Abstimmung selbst zeigen. Wir haben die Leiterin der tschechischen EU-Kampagne - Jana Adamcova aus der Kommunikationsabteilung des tschechischen Außenministeriums - nach dem Verlauf der Kampagne in ihrer Endphase gefragt:
"Der letzter Teil der Kampagne besteht aus drei Phasen: Die erste begann am 1. Mai und steht unter dem Motto "Willkommen in der Gemeinschaft". In dieser Phase wollten wir die Europäische Union als eine Gemeinschaft von normalen Menschen vorstellen. Grund dazu ist die Tatsache, dass in der Tschechischen Republik von der Union immer als von einer bürokratischen Institution gesprochen wird und die EU wird dann als so ein unmenschlicher Riese wahrgenommen. Daher wollten wir die Union etwas menschlicher machen. In der zweiten Phase werden wir uns -zwei Wochen vor dem Referendum - auf das Datum konzentrieren, also die Menschen an das Referendum erinnern, damit sie es nicht vergessen und zur Abstimmung kommen. Die letzten zwei Juniwochen kann man als Dankphase bezeichnen, in der wir uns für die Teilnahme an der Abstimmung bedanken werden."
Bisher wird die Gestaltung der Kampagne in den Medien und von Werbe-Experten gut bewertet. Das einzige, was an ihr kritisiert wird, ist, dass sie zu emotional sei und zu wenige Argumente liefere. Was sagt Jana Adamcova dazu?
"Das ist auch das Ziel der Kampagne. Wissen Sie, die ganze Kommunikationsstrategie hat viele Bausteine, seien es regionale Informationszentren, Beilagen in den Zeitungen, an die 20 Broschüren, an die 350 Treffen, die seit Anfang des Jahres stattgefunden haben. Die Kampagne in den Medien, die zur letzten Phase zählt, spricht die meisten Menschen an, aber selbstverständlich beinhaltet sie die wenigsten Informationen. Sie ist nur das letzte Steinchen im Mosaik. Es wird selbstverständlich mit dem Image der Union gearbeitet sowie mit einfacher Information: Im Mai lautet diese "Willkommen in der Gemeinschaft", im Juni dann "Vergessen Sie nicht abzustimmen".
Weiter wollte ich von Jana Adamcova wissen, ob man sich bei der Gestaltung der Kampagne von anderen Ländern inspirieren ließ, die erst vor kurzem der EU beigetreten sind und daher mit einer solchen Kampagne bereits Erfahrung haben:
"Wir, das Außenministerium, waren der Auftraggeber der Kampagne und mit den Agenturen haben wir dann stundelange Gespräche darüber geführt, wie die Diskussion aussehen sollte. Aus diesen Debatten ist jetzt diese Kampagne entstanden. Es ging dabei nicht darum, ein Muster aus dem Ausland anzuwenden, es ging vielmehr darum, was wir eigentlich sagen wollen. Und das sind unsere Botschaften: die EU ist eine Gemeinschaft von normalen Menschen, die Menschen müssen vor einer europäischen Bürokratie keine Angst haben."
Abschließend benennt Jana Adamcova die drei wichtigsten Zielgruppen der Kampagne:
"Die Kampagne richtet sich an drei strategische Gruppen: Das sind erstens ältere Menschen, zweitens Hausfrauen und drittens die Unentschiedenen, das sind zumeist eher junge Leute. Die ersten zwei Gruppen haben die meiste Angst vor dem Beitritt - da dadurch ihrer Meinung nach alles teurer wird und die Lebensqualität sinken wird. An sie richtet sich der erste Teil der Kampagne. An die Jungen, für die Wählengehen nicht so wichtig ist, dann der zweite Teil, in dem sie aufgefordert werden, sich an der Abstimmung zu beteiligen."
Parallel zu dieser Kampagne arbeiten auch fast alle Parlamentsparteien mit Ausnahme der Kommunisten auf ein 'Ja' der Tschechen zur Europäischen Union hin - mit Ausnahme der Kommunisten, die ihre Wähler dazu auffordern, Nein zu sagen. Die Kommunisten könnten in dem Moment eine Gefahr werden, wo die Wahlbeteiligung niedrig ist, sagte unlängst der tschechische Premier Vladimir Spidla. Die offizielle Regierungskampagne baut weiter auf die Hilfe verschiedener nichtstaatlicher Organisationen, die sich an der Kampagne beteiligen. Sehr rege wirbt auch der EU-Botschafter der Delegation in Prag, Ramiro Cibrian, der vor allem in die tschechischen Regionen fährt und dort mit Gemeindevertretern und Bürgern spricht. Es gibt neben den Kommunisten auch einige wenige Vereinigungen und vereinzelte Intellektuelle, die sich offen gegen den Beitritt der Tschechischen Republik aussprechen, aber diese sind bei weitem in der Minderheit. Die Umfrageergebnisse ändern sich in letzter Zeit nicht und sind seit Jahresbeginn mehr oder weniger konstant - 52 Prozent für den Beitritt und 19 dagegen. Bei den Unentschlossenen schwankt die Zahl um die 25 Prozent. Auf das Endergebnis müssen wir noch bis Mitte Juni warten. Mit dem Wunsch, dass Freitag der 13. hoffentlich die Hand der Wähler nicht negativ beeinflussen wird, verabschieden sich am Mikrophon Silja Schultheis und Gerald Schubert.
Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:
www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union
www.euroskop.cz
www.evropska-unie.cz/eng/
www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online
www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt