Europa: Ja oder Nein?

Ramiro Cibrian

Anschließend hören Sie ein Regionaljournal, das nach dem Referendum gestaltet wurde und auf dessen Ergebnisse eingeht. Dagmar Keberlova hat den EU-Botschafter Ramiro Cibrian auf einer seinen Reisen in die tschechischen Regionen noch vor dem Referendum begleitet. Hören Sie hierzu ihre Reportage.

Diesmal ging es nach Nymburk, eine der vielen Bezirksstädte der Tschechischen Republik. Schon fast alle hat der EU-Botschafter besucht und sich dort mit Unternehmern, Politikern und Bürgern getroffen. Sein Ziel sei es, so Cibrian, den Menschen möglichst viele Informationen zu geben, so dass sie sich dann aufgrund ausreichenden Wissens entscheiden können:

"Das Ziel meiner regionalen Reisen ist, den tschechischen Bürgern Informationen zu geben, so dass sie sich im Referendum für die beste Möglichkeit entscheiden können. Deshalb versuche ich, in den Wochen vor dem Referendum möglichst viele tschechische Städte und Gemeinden zu besuchen und dort mit möglichst vielen Bürgern und Gemeinderäten zu sprechen."

Botschafter Cibrian ist seit dem vergangenen Jahr in den Regionen unterwegs. Haben sich seiner Beobachtung nach die Fragen der Bürger geändert?

"Ich habe das Gefühl, dass das Interesse an Informationen über die EU jetzt kurz vor dem Referendum steigt. Und nicht nur das, die Qualität der Fragen ist besser und die Fragen selbst sind fachspezifischer geworden. In der Vergangenheit hatten die Menschen nur nach Preisen gefragt. Heute sind es Fragen zu wichtigen Dingen wie der Einführung des Euros, den Schengen-Raum und über Möglichkeiten, ohne Einschränkungen im Ausland zu arbeiten und zu reisen. Das Informations-Niveau der tschechischen Bürger hat sich eindeutig verbessert."

Bei seinem Besuch in Nymburk ist auch der Bürgermeister der Stadt, Ladislav Kutik, anwesend. Ihn fragte ich, wie die Informationskampagne in Nymburk bisher verlaufen ist:

"Wie überall in Tschechien hatten wir offiziell praktisch nichts gemacht. Aber die Menschen debattieren, einer ist für den Beitritt, ein anderer wiederum dagegen. Ich glaube, dass alles von alleine vor sich geht, die Menschen informieren sich. Heute haben wir Zeugnisse übergeben und ein Schüler hat in seiner Dankesansprache alle Schüler zu überzeugen versucht, zum Referendum zu gehen und Ja zu sagen."

Mich hat interessiert, warum bis zum Besuch des EU-Botschafters nie eine Veranstaltung zum Beitritt organisiert wurde:

"Es ist nicht so, dass keine Nachfrage bestehen würde, vor allem unsere Informationen waren unvollständig. Erst jetzt vor einer Woche haben wir Material von den Bürgerdemokraten bekommen. Vom Außenministerium haben wir gar keine Infos gehabt."

Würde sich Bürgermeister Kutik trauen, abzuschätzen, wie das Referendum in seiner Stadt ausgeht?

"Ich hoffe, dass es bei uns ein Ja sein wird. Die Beteiligung allerdings würde ich nicht abzuschätzen wagen. Die älteren Wähler, die immer kommen, sagen diesmal, dass es sie nicht mehr betrifft. Dafür werden jetzt wahrscheinlich die Jungen kommen, die sonst eher nicht zu den Wahlen gehen."

Und welchen Ausgang wünscht sich der EU-Botschafter beim Referendum in ganz Tschechien?

"Ich möchte, dass möglichst viele Menschen abstimmen werden. Ich glaube, dass es sich um eine wichtige Entscheidung handelt und daher wäre es gut, wenn die Beteiligung hoch ist."

Botschafter Cibrian hat eine schwierige Arbeit hinter sich. Was wird er nach dem Referendum machen, bleibt er auch weiterhin im Lande?

"Nach dem Referendum wird langsam meine Tätigkeit in der Tschechischen Republik aufhören. Wahrscheinlich werde ich das Land im August verlassen."

Bei den auf dem Hauptplatz in Nymburk mit den Einwohnern geführten Gesprächen äußert Cibrian, dass er nicht überzeugen wolle, sondern hauptsächlich informieren. Wenn ein "Ja" zu Europa daraus wird, würde er sich freuen, sagt er. Die Menschen trauen sich nur selten, mit ihm persönlich zu sprechen. Meistens stehen sie um ihn herum und hören einfach nur zu. Einige nehmen auch das Infomaterial mit, den Kindern haben es die blauen Luftballons mit den 12 Sternen angetan. "Ja" oder "Nein", frage ich einige der Erwachsenen:

"Ich werde für den Beitritt stimmen. Ich habe zwar einige Vorbehalte, aber das Positive überwiegt."

"Wahrscheinlich dafür. Es wird für uns besser werden. Ich glaube nicht, dass es für uns am Anfang leicht wird, aber zumindest für unsere Kinder wird es eines Tages gut sein."

"Sicherlich gegen einen Beitritt. Die EU ist eine neue Sowjetunion. Wenn über etwas in Moskau, Entschuldigung, in Brüssel, entschieden wird, müssen es die einzelnen Mitgliedsländer dann in ihre Politik einbeziehen. Wir als kleines Land werden auf die Beschlussnahme keinen Einfluss mehr haben. Neulich habe ich in der Zeitung ein Feuilleton von Ludvik Vaculik gelesen, und der ist bestimmt ein vernünftiger Mensch. Er hat auch empfohlen, nicht beizutreten. Vielleicht können wir es nach einigen Jahren entscheiden, nachdem wir gesehen haben, wie die Polen und die Ungarn auf die Schnauze fliegen. Mit Abwarten können wir nichts verlieren."

"Positiv. Ich glaube, dass es zumindest für etwas gut sein wird. Für mich persönlich ist es das auf jeden Fall."

"Ja, ich werde mit Ja abstimmen. Ich glaube, dass wir keine andere Möglichkeit haben in Anbetracht der Situation bei uns."

"Ich habe mich noch nicht entschieden. Ich werde noch zu Hause überlegen. Informationen schöpfe ich vor allem aus dem Fernsehen und aus Zeitungen."

"Ich weiß es leider noch nicht, weil ich die Zusammenhänge nicht gut kenne. Ich bin noch am Überlegen. Derzeit eher ja, aber vielleicht entscheide ich mich noch anders."

Bei diesem Informationsstand wolle er sich nicht weiter informieren, weil er sich nicht positiv beeinflussen lassen will, er vertraue mehr dem Fernsehen, ergänzt mein letzter Gesprächspartner. Es gefalle ihm auch nicht, dass Ramiro Cibrian perfektes Tschechisch spricht. Meine Frage, ob er andere Sprachen spreche, um sich mit Botschafter Cibrian verständigen zu können, verneinte er. Und darin liegt vielleicht einer der häufigen Fehler, vor allem der älteren Tschechen: Sie warten nur misstrauisch darauf, was sie bekommen. Dass sie auch selber etwas tun müssen - und dies nicht nur bezüglich der Europäischen Union - ist vielen bis heute noch nicht klar.

Soweit das Regionaljournal, das vor der Austragung des Referendums aufgenommen wurde, auf einer der letzten Reisen von EU-Botschafter Ramiro Cibrian in die tschechischen Regionen.