Ein Blick in Regionen: Das Referendum in der Grenzstadt Jablunkov

Referendum (Foto: CTK)

Um den Verlauf des EU-Referendums nicht nur von Prag aus zu verfolgen, ist Dagmar Keberlova bis an die Ostgrenze der Tschechischen Republik gefahren. Hören Sie ihre Reportage darüber, wie die Bürger in der Grenzstadt Jablunkov gewählt haben.

Foto: CTK
In dieser Kleinstadt kommt man sich nicht wirklich wie in Tschechien vor. Die meisten Schilder sind zweisprachig, was vielleicht in anderen Ländern normal ist, hierzulande aber nicht. Viele Menschen sprechen einen Dialekt, der sich für Unkundige mehr wie Polnisch und Slowakisch als Tschechisch anhört. Ganze 25% der Bürger bekennen sich zur polnischen Nationalität. In so einer Region, wo die Menschen unter dem Einfluss von drei verschiedenen Kulturen leben, würde man ein klares 'Ja' zu noch mehr Europa erwarten. Doch dem war nicht so. Auch viele Nein-Stimmen waren unter den Antworten, die ich am Ausgang eines der sechs Wahllokale in Jablunkov gesammelt habe:

"Ich habe nein gewählt. Mir kommt es seitens der Europäischen Union für uns noch ungünstig. Für mich sind mehr Nachteilte als Vorteile vorhanden. Aus diesem Grund würde ich noch abwarten."

"Ich sehe in dem Beitritt für uns normale Menschen keine Vorteile. Der EU-Beitritt ist nur für reiche Leute gut, nicht für normale Menschen."

Nichtsdestotrotz waren doch die Mehrheit der Antworten positiv, darunter auch viele Leute aus der älteren Generation, die angaben, dass sie vor allem für ihre Kinder so gewählt hätten, sie selber würden nur noch wenig von den Folgen des EU-Beitritts erleben:

"Ich habe mich selber entschieden und nach dem, was ich selber meine. Wir müssen endlich in unserem Europa sein!"

"Damit unsere Kinder ein besseres Leben haben. Ich sage jedem, der Nein wählen wollte, du willst doch nicht mehr mit den Russen leben, mit denen haben wir schon gelebt. Jetzt wollen wir nach Europa."

Der Bürgermeister der Stadt, Petr Sagitarius, ist eindeutig für den Beitritt. In diesem Sinne hat er sich vor dem Referendum mehrmals an die Bürger gewandt und versucht, ihnen die Gründe für ein 'Ja' zum EU-Beitritt nahe zu bringen. Für legitim hält er auch die Tatsache, dass die Tschechen bei ihrer Entscheidung wahrscheinlich vom Ergebnis des Referendums in Polen und der Slowakei beeinflusst waren:

"Ich sage es weniger formell: Ja. Alle anderen haben schon Ja gesagt, und ich könnte mir gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn wir der Union nicht beitreten würden. Wir würden uns isolieren und ich glaube, dass auch dieser Druck - so eine Art Prestige: "Sie sind drinnen, so müssen wir es auch sein" - gut ist. Das ist in Ordnung, so muss das sein."

Bürgermeister Sagitarius könne sich die Zukunft für seine Region, die bereits heute, elf Monate vor dem tatsächlichen EU-Beitritt, alles schon als EU Region geplant hat, ohne die Europäischen Union gar nicht vorstellen.