115. IOC-Session in Prag: Vancouver erhält Zuschlag für die Spiele 2010
Ahoi und willkommen zum Sportreport von Radio Prag, bei dem wir uns noch einmal mit dem sportpolitischen Ereignis der vergangenen Woche befassen wollen - der 115. Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die vom 1. bis 4. Juli im Prager Hilton Hotel durchgeführt wurde. Eine IOC-Session, bei der wie so oft Freud und Leid sehr eng beieinander lagen, da die im Zwei-Jahres-Rhythmus durchgeführte Vergabe des Austragungsrechts einer Olympiade immer nur einen Sieger kennt. Die anderen Olympiabewerber müssen trotz vorbildlichen Einsatzes und zumeist glänzender Präsentationen unverrichteter Dinge wieder heimwärts ziehen. Und es war auch eine IOC-Session, die wieder einige Neuerungen auf den Weg brachte, nach denen vor allem der Kampf gegen das Doping weiter intensiviert und koordiniert werden soll. Gleich erfahren Sie mehr.
"Leere, innere Leere muss ich sagen."
Und auf die Frage eines österreichischen Kollegen, woran es gelegen habe, wo doch die abschließende Präsentation von allen Seiten mit viel Lob überschüttet wurde, sagte Schuen:
"Ja, wie schon vorher gesagt, wie haben sehr oft den Satz gehört: ´You have the best bite, but´, und wie es aussieht war das ´but´ größer als das Argument der besten Bewerbung."
Der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zeigte sich zwar ebenso enttäuscht, trug aber die Niederlage mit Fassung und hob folgenden Gedanken hervor:
"Ich glaube an die olympische Idee, und die olympische Idee hat eigentlich unglaublich viel erreicht. Ich hab es auch in meiner Präsentation heute gesagt, wir haben hier Wettbewerb anstelle von militärischen Kämpfen, wir haben Kooperation statt Konfrontation, wir haben hier den Frieden und die Zusammenarbeit gegen den Hass, und diese Idee ist viel, viel wichtiger als die Frage, ob jetzt jemand die Nase vorn hat oder nicht."
Im nächsten Atemzug warf Schüssel aber schon einen Blick voraus auf die Winterspiele 2010 und äußerte kämpferisch:
"Wir werden uns ganz sicher sportlich revanchieren, unsere Athleten werden bei dieser Winterolympiade so motiviert sein wie bei keiner anderen und wir werden sportlich zurückschlagen."
Eine aufmunternde Reaktion an die Salzburger Organisatoren kam auch von einem, der die Kandidatur der Alpenländler befürwortet hatte, und das aus gutem Grund. Die Rede ist vom deutschen "Fußball-Kaiser" Franz Beckenbauer, der seit über 20 Jahren im nahe gelegenen Kitzbühel wohnt und daher gebeten wurde, den Bewerb der Festivalstadt zu unterstützen.
"Ja ich bin enttäuscht, klar, wie die gesamte Delegation. Indem man sich ein Ziel steckt und man erreicht es nicht, dann ist man enttäuscht. Aber ich glaube die Enttäuschung sollte man nicht allzu groß werden lassen, denn die Salzburger haben einen erstklassigen Eindruck hinterlassen, das haben alle bestätigt. Also die Bewerbung hat sich gelohnt, und deswegen meine ich, man sollte sich noch einmal bemühen 2014 die Spiele zu bekommen, denn da wären die Chancen sicherlich realistischer."Selbst die helfende Hand der "Lichtgestalt", die ansonsten immer andere erblassen lässt, war diesmal nicht von Erfolg gekrönt. Blieben also noch zwei Kandidaten übrig, von denen sich Vancouver dann im zweiten Wahlgang nur denkbar knapp mit 56:53 Stimmen durchsetzen konnte. Doch Stimmenmehrheit bedeutet Sieg und dementsprechend riesig war der Jubel bei den Kanadiern. Zum Beispiel beim Premierminister der kanadischen Provinz British-Columbia Gordon Campbell, der Radio Prag gegenüber äußerte:
"Ich bin sehr glücklich, das ist wunderbar für uns. Für mich ist das die erste Goldmedaille der Olympischen Winterspiele 2010, die Vancouver da gewonnen hat. Ich habe hier einen kleinen Eindruck von dem bekommen, wie aufgeregt ein Athlet sein muss, der lange Zeit gearbeitet und trainiert hat. Und ich kann Ihnen nur sagen: Das Team, das wir hatten, angeführt von Jack Pool, war einfach phänomenal. Ihnen gebührt der ganze Dank. Jack, seinem Team und all den Freiwilligen, die diese Arbeit geleistet haben. Und in Kanada: Quer durch unser ganzes Land sind die Kanadier hinter uns gestanden. Ich konnte das heute fühlen, und daher war auch der Druck so groß."
Auch bei den populären Sportlern, die die Bewerbung von Vancouver unterstützt haben, herrschte nach der Verkündung des Abstimmungsergebnisses ausgelassene Freude. Der beste NHL-Eishockeyprofi aller Zeiten, nämlich kein anderer als "The great one", der heute nicht mehr aktive Wayne Gretzky, sagte u.a. in die bereitstehenden Mikrofone:
"Als ich gefragt wurde, ob ich nach Prag kommen will, um hier teilzunehmen, da dachte ich: Na ja, ich bin ja nur ein kleiner Stein in dem Puzzle. Aber ich muss ehrlich sein: Ich war extrem nervös. Es passiert nicht jeden Tag, dass man hier hereinmarschiert, vor 120 Leuten spricht und weiß, dass die ganze Nation dabei zusieht. Und, wie meine Frau gesagt hat, als ich am Morgen wegging: Ich will nicht, dass du derjenige bist, wegen dem Kanada die Olympischen Spiele nicht bekommt. Aber wissen Sie, ich bin sehr stolz auf Kanada. Und ich wollte in meiner Rede nur sagen: Wir haben sicher nicht alle Antworten auf alle Fragen der Welt, aber wir sind ein stolzes Land. Und wir fühlen, dass Vancouver hervorragende Spiele 2010 veranstalten und ein großartiger Gastgeber sein wird."
Gute Gastgeber, das waren auch das Nationale Olympische Komitee der Tschechischen Republik und die Prager Organisatoren, die die mehrtägige IOC-Vollversammlung im Hilton Hotel ohne Fehl und Tadel über die Bühne brachten. Dementsprechend zufrieden war auch der Vorsitzende des tschechischen NOK, Milan Jirásek, als ich ihn nach seiner Einschätzung der IOC-Session und über seinen Traum, einmal Olympische Sommerspiele auch in Prag auszurichten befragte:
"Hier auf dieser Vollversammlung ging es uns nur darum, dass die IOC-Mitglieder von Prag die besten Eindrücke mit nach Hause nehmen, dass sie vermittelt bekommen, wie gut hier die Organisation klappt, und dass sie in uns das Vertrauen gewinnen, dass wir fähig sind, auch einmal Olympische Spiele zu veranstalten. Um etwas anderes ging es uns nicht, um keine irgendwelchen Versprechen und dergleichen. Das ist alles noch weit entfernt, und wenn wir uns im Frühjahr nächsten Jahres dazu entschließen sollten, eine Olympiabewerbung in Angriff zu nehmen, dann hätten wir noch etwa dreieinhalb Jahre Zeit zur Ausarbeitung der Projekte, die dann rund zwei Jahre lang von einer Gutachterkommission des IOC beurteilt würden, und erst im Jahr 2009 würde man darüber abstimmen. Das ist noch alles weit entfernt."Den Worten von Jirásek war also zu entnehmen, dass man hierzulande in gewisser Weise doch schon über eine Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele 2016 nachdenkt. Und wie auf Bestellung verkündete der Prager Oberbürgermeister Pavel Bém einen Tag später, dass man dieses Vorhaben in der Tat ernsthaft in Angriff nehmen will. Falls sich für die Spiele 2012 allerdings eine europäische Stadt bei der Abstimmung durchsetzen sollte, sei eine Bewerbung für das Jahr 2020 realistischer, hieß es. Doch man kann sich ja schon mal einstimmen, zum Beispiel mit der vom kanadischen Popstar Bryan Adams interpretierten Begleitmusik der erfolgreichen Vancouver-Bewerbung. Und mit diesen Klängen verabschieden wir uns vom heutigen Sportreport.