Gewerkschaftsbeschlüsse: Anzeichen für politisch heißen Herbst verdichten sich

Böhmisch-mährische Gewerkschaftskonföderation

Die Anzeichen für einen politisch heißen Herbst, und strenggenommen auch schon für einen politisch heißen Spätsommer in der Tschechischen Republik verdichten sich immer mehr. Denn, wie wir bereits berichtet haben: Am Montag haben gleich zwei Gewerkschaftsverbände, und zwar die größten des Landes, konkrete Forderungen zur Abänderung der von der Regierung geplanten Finanzreform gestellt und diese mit der Androhung von Kampfmaßnahmen auch deutlich unterstrichen. Mehr zu den Beschlüssen der Gewerkschaften und den politischen Hintergründen hören Sie nun von Gerald Schubert:

Böhmisch-mährische Gewerkschaftskonföderation
Die Böhmisch-mährische Gewerkschaftskonföderation (CMKOS) und die Assoziation selbstständiger Gewerkschaften (ASO) haben gemeinsam über eine Million Mitglieder und sind somit im 10-Millionen-Staat Tschechien eine politische Größe, die man nicht unterschätzen darf. Vor allem dann nicht, wenn die Regierung im Abgeordnetenhaus nur über die hauchdünne Mehrheit von einer einzigen Stimme verfügt, wie dies derzeit der Fall ist, und wenn diese eine Finanzreform plant, die sowohl in- als auch außerhalb des Parlaments auf erheblichen Widerstand stößt.

Als daher am Montag beide Gewerkschaftsdachverbände ihre Beschlüsse präsentierten, da war einmal mehr klar, dass man sich hierzulande recht bald auf rasante innenpolitische Konflikte gefasst machen muss. Am 13. September nämlich planen die Gewerkschaften eine Großdemonstration gegen die Reformvorhaben. Ihre Hauptziele sind vor allem die Verhinderung bestimmter Änderungen beim Pensionsantrittsalter oder von Krankengeldkürzungen. ASO-Chef Bohumir Dufek meint dazu:

"Das Motto muss eindeutig sein: Die Abgeordneten der Regierungskoalition - denn die Opposition ist ohnehin grundsätzlich dagegen - müssen über diese Vorschläge, die das Kabinett ihnen vorgelegt hat, noch nachdenken. Und wenn sie das nicht tun, dann müssen sie mit dem schlimmsten rechnen. Wie etwa mit dem Sturz der Regierung."

Wie kommt Dufek zu dieser Annahme? Nun, wie gesagt, die Mandatsverhältnisse im tschechischen Unterhaus sind denkbar knapp. Die von den Sozialdemokraten angeführte Regierung mit Christdemokraten und Liberalen hat eine Mehrheit von 101 zu 99. Und nicht einmal die ist gut abgesichert. Denn ein sozialdemokratischer Abgeordneter ist bereits vor mehreren Wochen aus der Fraktion ausgetreten, weil er die Werte des Parteiprogramms in den Reformplänen nicht wiederzufinden meint. Die Gewerkschaften behaupten überdies, noch mehrere Abgeordnete auf ihrer Seite zu haben. Sollten also diverse Änderungswünsche vor den nächsten Abstimmungen über die Finanzreform kategorisch abgelehnt werden, dann könnte das vielleicht tatsächlich einige Regierungsabgeordnete dazu bewegen, gegen den Kabinettsentwurf zu stimmen. Premierminister Vladimir Spidla jedoch hat seinen Verbleib im Amt an die Verabschiedung der Reform geknüpft.

Einige Gewerkschafter, die derzeit also eines gutes Klima für ihre Forderungen wittern, drohten auch gleich mit dem notfalls äußersten Mittel, nämlich einem Generalstreik. Ob es aber letztlich im Interesse der Arbeitnehmervertretungen ist, die Regierung zu stürzen, das ist dann doch mehr als fraglich: Dann würde nämlich die Demokratische Bürgerpartei ODS in den Startlöchern warten. Und die kritisiert die Finanzreform vor allem aus einem Grund: Sie ist ihr nicht radikal genug.