Tschechische Durchschnittslöhne steigen. Nach Meinung mancher Experten zu schnell.
In die gegenwärtigen Diskussionen um die von der tschechischen Regierung geplanten Finanzreform, die hierzulande die Gemüter erhitzt, platzte am Dienstag eine neue Nachricht aus dem Bereich der Wirtschaft: Das statistische Amt veröffentlichte die offizielle Lohnstatistik für das zweite Quartal des laufenden Jahres. Kernaussage: Die Durchschnittsgehälter sind weiter gestiegen. Und zwar, wie manche Ökonomen meinen, sogar zu schnell. Gerald Schubert berichtet:
Irgendwie wollen die am Dienstag veröffentlichten Zahlen des Statistischen Amtes auf den ersten Blick nicht so recht zu den momentanen Debatten um die Finanzreform passen. Gerade jetzt, wo sich ein politisch ausgesprochen heißer Herbst ankündigt und viele Menschen infolge der Reformvorhaben des Kabinetts Reallohneinbußen befürchten, gerade jetzt heißt es: Die Gehälter steigen weiter, und sie steigen möglicherweise sogar zu schnell. Knapp mehr als 17.000 Kronen betrug im zweiten Quartal der durchschnittliche Monatslohn in Tschechien, das sind nach aktuellem Wechselkurs etwa 520 Euro. Brutto wohlgemerkt. Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet das immerhin einen Anstieg von 6,8 Prozent. Nach Meinung mancher Experten ist dies jedoch zu viel. So meint etwa Vladimir Pikora, Finanzanalytiker der hiesigen Volksbank:
"Dieser Anstieg der Löhne übersteigt das Wachstum der Wirtschaft, und das wird sich in Zukunft ändern müssen. Die Unternehmen können sich nämlich bei der gegenwärtig schwachen Auslandsnachfrage einen so starken Lohnanstieg nicht leisten. Infolge dessen kann es dazu kommen, dass die Unternehmen gezwungen sind, einige Angestellte zu entlassen."
Petr Mach, Experte am Zentrum für Ökonomie und Politik, stößt in dasselbe Horn und nennt das Schreckgespenst der Beschäftigungspolitik auch gleich beim Namen:
"Das bedeutet, dass die Ausgaben der Firmen rascher wuchsen als die Einnahmen, was zu Entlassungen und zum Anstieg der Arbeitslosigkeit führen kann."
Die Gewerkschaften allerdings, die derzeit Änderungen in den Regierungsentwürfen für die geplante Finanzreform durchsetzen wollen und für September große Protestkundgebungen planen, meinen nicht, dass ihnen diese Zahlen den Wind aus den Segeln nehmen würden. Denn, so meint etwa Alena Vondrova, die Chefin des Gewerkschaftsverbandes der Staatsangestellten: Es würde ja nun bereits um das Budget für nächstes Jahr gehen. Und hier seien durch die vorgesehenen Sparmaßnahmen eben tiefe Einschnitte zu erwarten.
Und noch ein Punkt könnte die Angst vor einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und die damit einhergehende Meinung, die Löhne stiegen zu schnell, in ein anderes Licht rücken: Die Lebenshaltungskosten in Tschechien sind längst nicht mehr so gering, wie man das noch in den 90er Jahren kannte. Zwar stiegen die Verbraucherpreise im letzten Jahr nur um 0,1 Prozent, aber in der langfristigen Entwicklung der Kaufkraft der Krone in Tschechien gibt es dennoch Probleme, die man nicht wegleugnen kann. So etwa am Prager Wohnungsmarkt, wo die Monatsmiete für eine kleine Einzimmerwohnung etwa bei der Hälfte des Durchschnittslohns liegt.