Alles oder nichts: Tarifverhandlungen für öffentlichen Sektor in Tschechien vorerst gescheitert

Die mehrmonatigen Verhandlungen über eine Gehaltserhöhung für die staatlich Angestellten in Tschechien sind vorerst gescheitert. Was die Regierung als noch in diesem Jahr finanzierbar vorgeschlagen hat, lehnen die Gewerkschaften brüskiert ab. Die Rede ist sogar von Erpressung.

Eigentlich sollten die Gehälter schon ab September steigen. Mit diesem Ziel hatten Arbeitnehmervertreter und Regierung in Tschechien im Juni ihre Verhandlungen aufgenommen. Die Gewerkschaften forderten zunächst einen generellen Zuschlag für alle Tarifgruppen im öffentlichen Sektor. Schnell wurde aber deutlich, dass dafür nicht genügend Geld in der Staatskasse vorhanden ist. Also habe man sich kompromissbereit gezeigt, sagte Pavel Bednář. Der Sprecher des Gewerkschaftsbundes für den öffentlichen Sektor gab dazu am Donnerstagmorgen ein Interview in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Ganz am Anfang haben wir eine 15-prozentige Erhöhung der Tarifgehälter für den gesamten öffentlichen Sektor gefordert. Das haben wir dann noch einmal überdacht und sind auf zehn Prozent runtergegangen – auch in Rücksicht auf den schlechten Stand der öffentlichen Finanzen. Am Dienstag stimmten wir dann sogar einem weiteren Kompromiss von sieben Prozent zu. Sie sehen also, dass wir uns bemüht haben, uns mit der Regierung einig zu werden.“

Pavel Bednář | Foto: Tschechisches Fernsehen,  ČT24

Für diese waren die Ansprüche der Gewerkschaften aber immer noch zu hoch. Am Mittwoch schlugen die Minister deshalb vor, den Angestellten der niedrigeren Gehaltsklassen drei bis fünf Prozent mehr zu geben. Dann hätten etwa 350.000 Beschäftigte ab September mehr Geld gehabt. Bednář erläutert:

„Die Regierung wollte lediglich einigen Angestellten in der Tariftabelle Nummer eins den Lohn erhöhen. Dies sollte auch nur für die erste bis siebte Gehaltsklasse gelten, die für Reinigungskräfte, Schulhausmeister und andere Arbeiterberufe gelten. Für sie sollte es fünf Prozent mehr Geld geben. Zudem sollten die Gehaltsklassen acht bis zwölf, in denen sich etwa Beamte bewegen, nur um drei Prozent erhöht werden. Alle anderen Angestellten dieser Tariftabelle Nummer eins, also die Gehaltsstufen 13 bis 16, hätten dabei gar nichts abbekommen.“

Dies sei absolut inakzeptabel gewesen, fügt Bednář hinzu und betont, dass diese Entscheidung schmerzhaft gewesen sei. Abgelehnt wurde somit eine Erhöhung um durchschnittlich 900 Kronen (36 Euro) brutto monatlich, was der Gewerkschaftssprecher als „wiederum keine so hohe Summe“ einschätzt.

Und darum wird ab September nun bei niemandem draufgelegt. Die Regierung setzt ihren Vorschlag nämlich nicht allein von sich aus durch, weil die Zustimmung der Gewerkschaften als Bedingung galt. So sagte Marian Jurečka (Christdemokraten), der Minister für Arbeit und Soziales, nach den Verhandlungen am Mittwoch:

„Wir haben heute dargelegt, was wir in der Lage zu zahlen sind. Aber dann hätten wir uns mit den Gewerkschaften darauf einigen müssen, dass sie diese Entscheidung respektieren. Außerdem hätten sie den Kompromiss jenen Beschäftigten im öffentlichen und im staatlichen Dienst überbringen und erklären müssen, für die es keine Tariferhöhung gibt.“

Marian Jurečka | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

Sprich: Die Regierung forderte von den Gewerkschaften Loyalität ein – und den Verzicht auf Streiks oder sonstige Proteste. Dies sei schlichtweg Erpressung, kommentiert Bednář. Die Alternative für die Gewerkschaften sei also nur die komplette Ablehnung des Angebots gewesen. Und weiter:

„Bei dem Treffen am Mittwoch haben wir sogar verkündet, dass wir inzwischen bereit sind, nur über die Tariftabelle Nummer eins zu verhandeln – im Bewusstsein dessen, dass die anderen Tariftabellen, etwa für Arbeitende im Sozial- und Gesundheitsbereich, erst ab 1. Januar drankommen.“

Dieser Termin gilt nun für alle Tarifgruppen im öffentlichen Dienst Tschechiens. Denn dass die Gehälter der insgesamt etwa 850.000 Beschäftigten steigen sollen, darüber herrscht zwischen den beiden Verhandlungsparteien Einigkeit. Die Regierung hat am Mittwoch auch sogleich informiert, dass eine Erhöhung der entsprechenden Etatsumme um fünf Prozent bereits beschlossene Sache sei. Damit werden ab kommendem Jahr etwa 20 Milliarden Kronen (800 Millionen Euro) zusätzlich in die Löhne fließen.

Zu welchen Teilen dieses Geld auf die Tarifgehälter und auf außertarifliche Zahlungen verteilt wird, ist Gegenstand weiterer Verhandlungen. Mit welchem Standpunkt diese aufgenommen werden und ob es bis dahin nicht doch Protestaktionen gibt, darüber beraten die Gewerkschaftsspitzen am kommenden Dienstag. Acht der insgesamt 13 Gewerkschaften des öffentlichen Sektors befinden sich nach wie vor in Streikbereitschaft.

Autoren: Daniela Honigmann , Kristina Kouklová , Jana Čermáková | Quelle: Český rozhlas
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