Viele Überstunden und schlechte Bezahlung: Tschechische Arbeitsämter sind überlastet

Arbeitsamt

Die tschechischen Arbeitsämter sind überlastet. Personalmangel ist ein Dauerthema, und die Registrierung der Geflüchteten aus der Ukraine erhöht das Pensum der Angestellten erheblich. Die zuständige Gewerkschaft fordert deswegen Gehaltserhöhungen.

Schlange vor einem Arbeitsamt | Illustrationsfoto: René Volfík,  Tschechischer Rundfunk

"Ich warte hier schon seit halb sieben morgens. Heute ist es bereits mein vierter Versuch, an die Reihe zu kommen",

sagt dieser Mann aus Kiew. Er steht noch am Vormittag in der Schlange vor dem Arbeitsamt im Prager Stadtteil Holešovice. Die Filiale ist als Anlaufpunkt speziell für Geflüchtete aus der Ukraine ausgewiesen. Mehrstündige Wartezeiten sind derzeit an der Tagesordnung, um sich hier für einen Job registrieren zu lassen. Zudem sind die Arbeitsämter zuständig für die Auszahlung der humanitären Hilfszahlung von 5000 Kronen (etwa 200 Euro). Allein bis Montag war diese schon von 162.000 Kriegsflüchtlingen beantragt worden. Pavel Bednář ist Vorsitzender des Gewerkschaftsverbandes der staatlichen Einrichtungen und Organisationen (OS SOO). Am Donnerstagmorgen sagte er in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Die Lage ist wirklich trist. Die Angestellten der Arbeitsämter schaffen ihre Arbeit nicht, denn der Andrang der Geflüchteten aus der Ukraine ist groß. Und diese Agenda kommt ja zum normalen Aufgabenbereich der Ämter hinzu. Außerdem stehen vermehrte Hilfszahlungen wegen der erhöhten Energiepreise an.“

Pavel Bednář | Foto: ČT24

Zudem habe die Regierung in der vergangenen Woche das Existenzminimum heraufgesetzt, weswegen die darauf basierenden Hilfsgelder von den Beamten nun neu berechnet werden müssten, so Bednář weiter. Mit einer Überlastung hätten die Arbeitsämter aber schon länger zu kämpfen:

„Die Mitarbeiter machen regelmäßig Überstunden. Denn schon bevor die Ukraine-Krise einsetzte, haben sie ihre Aufgaben kaum bewältigen können. Eine Arbeitszeit von sechs bis 18 Uhr ist durchaus üblich, und für diese Mehrarbeit bekommen sie keinen finanziellen Ausgleich.“

Der Tariflohn für einen Schalterbeamten beginnt bei 19.000 Kronen (775 Euro) monatlich. Und auch nach 32 Arbeitsjahren werden lediglich 31.000 Kronen (1264 Euro) erreicht. Dies sei ein Grund dafür, dass sich für die Arbeitsämter nur schwer neue Mitarbeiter fänden und die bestehenden nicht immer zu halten seien, mahnt Bednář.

Illustrationsfoto:  ČT24

Darum hat der Gewerkschaftsverband OS SOO einen offenen Brief an Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) und Arbeitsminister Marian Jurečka (Christdemokraten) geschrieben. Darin wird gefordert, den schon das zweite Jahr geltenden Beschluss zum Einfrieren der staatlichen Gehälter noch einmal zu überdenken. Außerdem wendet sich die Arbeitnehmervertretung gegen die Entlassungspläne der Regierung. Bisher habe er auf das Schreiben aber keinerlei Antwort erhalten, berichtet Bednář und drückt sein Bedauern darüber aus.

Minister Jurečka bestätigte inzwischen immerhin, dass den überlasteten Arbeitsämtern zeitweise weitere Mitarbeiter zugeordnet werden sollen:

Marian Jurečka | Foto: Michaela Doubravová,  Tschechischer Rundfunk

„Wir wollen personell aufstocken, zumindest vorübergehend. Dazu können etwa Mitarbeiter des Arbeitsministeriums oder auch anderer Ressorts in die Arbeitsämter verlegt werden.“

Zudem kündigt Jurečka eine Bonuszahlung an, mit der das März-Gehalt der Beamten aufgestockt wird – allerdings ohne die genaue Summe zu nennen.

Gewerkschaftschef Bednář will noch ein paar Tage abwarten, bis er sich mit einer erneuten Mahnung an die Regierung wendet. Nach den weiteren Schritten gefragt, die er im Falle von erfolglosen Verhandlungen unternehmen wolle, bleibt Bednář vage:

Arbeitsamt | Illustrationsfoto:  ČT24

„Ich weiß nur eines, und zwar, dass in den Arbeitsämtern eine große Unzufriedenheit herrscht. Es werden sogar die ersten Forderungen nach der Ausrufung einer Streikbereitschaft laut. Für mich ist dies aber der letzte Schritt. Wir wollen vor allem verhandeln.“

Autoren: Daniela Honigmann , Iva Vokurková
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