Mit Vers und Sirene gegen Lohnkürzungen: Staatsbedienstete demonstrieren in Prag

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Verglichen mit Frankreich sind die tschechischen Gewerkschafter eher zurückhaltend, was die Bereitschaft anbelangt, ihre Forderungen laut auf der Straße zum Ausdruck zu bringen. Die tschechische Hauptstadt erlebte größere Proteste unzufriedener Arbeitnehmer bislang nur selten. Am Dienstag haben jedoch die Staatsbediensteten die Geduld verloren und gegen die geplanten Lohnkürzungen im Prager Stadtzentrum demonstriert.

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Um die Mittagszeit war der gesamte Verkehr im Stadtteil Letná fast lahm gelegt. Tausende von Demonstranten versammelten sich auf den Straßen um das Innenministerium herum, begleitet durch Feuerwehrsirenen, Pfiffe und Musik. An der Spitze der Demo ein symbolischer Sarg mit einem Kranz. Polizei und Feuerwehr verabschieden sich damit von der Öffentlichkeit. Den Demonstranten mangelte es nicht an dichterischer Begabung und dem Sinn für schwarzen Humor. Wenn jetzt Radek das Innenministerium leitet, bleibt uns nur noch der nackte Hintern - so das Transparent eines älteren Feuerwehrmannes. („Teď když vnitro řídí Radek, budeme mít holý zadek“.) Er sei gekommen, um die jüngeren Kollegen zu unterstützen. Das gut funktionierende Rettungssystem könne mit diesen Kürzungen zusammenbrechen, so der Feuerwehrmann aus Litoměřice:

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„Uns stört am meisten, dass der Öffentlichkeit von den Medien suggeriert wird, uns ginge es vor allem um die Löhne. In erster Linie geht es uns darum, dass die Feuerwehr nicht mehr imstande sein wird, die Leute zu schützen. Für 400 Feuerwehrleute, die schon die Geduld verloren haben und nun eine andere Arbeitsstelle fanden, werden keine neuen Leute eingestellt. Die Zeit, die man vor allem auf dem Lande braucht, um zu einem Brand zu kommen, wird dann länger sein.“

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Unter den Klängen des Liedes „Dieses Haus ist abrissreif“ - eine Anspielung auf das Innenministerium – setzte sich der Zug in Bewegung. Über den Polizisten flatterte ein Spruchband mit der Aufschrift: „Den Kampf gegen Korruption, beginnen wir mit Destruktion, Ihr Innenminister.“ Der Dichter war ein Polizist aus Karlsbad:

„Uns stört vor allem die Tatsache, dass die Ethik der Polizeiarbeit keine Rolle mehr spielt. Die Sicherheit ist wirklich gefährdet. Der Finanzminister, der über die Verteilung der Gelder entscheidet, ist meiner Meinung nach für die schlechte Entwicklung der öffentlichen Finanzen selbst mitverantwortlich. Daher soll er zurücktreten.“

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Die Regierung Nečas will nächstes Jahr bei den Staatsbediensteten umgerechnet an die 400 Millionen Euro einsparen. Dies würde zu Lohnkürzungen um etwa zehn Prozent führen. Das Kabinett beabsichtigt zudem die Tarifstruktur zu ändern, was für die Gewerkschaften unannehmbar wäre.

An der Protestkundgebung nahmen rund 35-40.000 Menschen von Gewerkschaftsverbänden und Bürgerinitiativen teil. Mit dabei waren auch Vertreter anderer Verbände aus Justiz- und Zollverwaltung, Schulwesen, Gesundheits- und Sozialwesen. Möglicherweise der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Großdemonstrationen gegen das Sparpaket der Nečas-Regierung.