Abstimmung über Finanzreform steht bevor. Ohne Hana Marvanova.
Oft war in den letzten Wochen von einem politisch heißen Herbst oder auch schon von einem politisch heißen Spätsommer die Rede gewesen. Diesen Dienstag nun soll sie beginnen, die Debatte über die von der Regierung geplante Finanzreform im Abgeordnetenhaus, die schon im Vorfeld für heiße Diskussionen und jede Menge Spekulationen gesorgt hat. Und dabei sehen die Reihen der Parlamentarier dort plötzlich ein wenig anders aus als noch vor wenigen Tagen. Gerald Schubert berichtet:
Marvanovas Mandatsverzicht hatte private Gründe: Die 41-jährige brachte erst vorige Woche ihren dritten Sohn zur Welt, und will sich ihm zuliebe vorerst aus der Spitzenpolitik zurückziehen. Inwiefern sich ihr Rücktritt nun auf die Abstimmung über die Finanzreform auswirkt, darüber wird derzeit in Tschechien heftig diskutiert. Denn das Reformpaket, mit dem die Regierung bis zum Jahr 2006 200 Milliarden Kronen, das sind etwa 6,25 Milliarden Euro, einsparen und weitere 70 Milliarden Kronen einnahmenseitig lukrieren will, das stößt bei der Opposition auf heftige Kritik: Für die Kommunisten ist die Reform asozial, der Demokratischen Bürgerpartei ODS wiederum geht sie nicht weit genug. Und genau diese Vorbehalte finden sich, wenn auch in abgeschwächter Form, auch innerhalb der Regierungskoalition wieder.
Allgemein aber meint man, dass der Nachfolger Marvanovas im Abgeordnetenhaus, nämlich der Chef der Prager Freiheitsunion Tomas Vrbik, wohl keine neue Gefahr für die Regierung darstellt. Eher im Gegenteil, so der Tenor. Vrbik sei zwar politisch ähnlich positioniert wie Marvanova und durchaus gut für Kritik am Kabinett, dennoch aber würde, so nimmt man an, bei der bevorstehenden heiklen Abstimmung die Verantwortung für den Regierungskonsens dominieren. Der Vorsitzende der kommunistischen Abgeordnetenfraktion Pavel Kovacik formuliert es naturgemäß anders:
"Ich glaube, die Reform hat jetzt mehr Chancen als mit Hana Marvanova. Denn wenn ein neuer Abgeordneter kommt, dann hat die Freiheitsunion respektive die ganze Regierung gute Aussichten, ihn davon zu überzeugen, dass es nötig ist, für die Koalition zu stimmen."
Premierminister Spidla, dem von seinen Kritikern in letzter Zeit manchmal Diskussionsverweigerung vorgeworfen worden war, ist jedenfalls bereit, noch über manche Bereiche des Reformpakets zu diskutieren:
"Wenn erst einmal im Abgeordnetenhaus verhandelt wird, dann kann ich es natürlich überhaupt nicht ausschließen, dass ein neuer Vorschlag auftaucht, der die Reform unterstützt und den bis jetzt noch niemand eingebracht hat."
Einstweilen heißt es also auf Regierungsseite: Verhandlungsbereitschaft bis zur letzten Minute, jedoch nur bei Beibehaltung des bisher geplanten Budgetdefizits. Und: Optimismus, auch nach Hana Marvanova. Der ist auch nötig, denn Premier Spidla hat seinen Verbleib im Amt mit einem Erfolg der Reform verknüpft.