Tschechien weitgehend zufrieden mit EU-Jahresbericht

Am Mittwoch wurde der letzte Jahresbericht der Europäischen Union zu den unmittelbar vor dem EU-Beitritt stehenden Kandidatenländern veröffentlicht. Tschechien gehört unter ihnen zu den besser vorbereiteten. Dies ist eines der Themen des folgenden Eurodominos, das für Sie Dagmar Keberlova gestaltet hat.

Obwohl es noch Bereiche gibt, in denen die Tschechische Republik den EU-Anforderungen nicht vollkommen entspricht, steht nicht mehr zur Debatte, ob das Land der EU beitreten wird oder nicht. Darin liegt der große Unterschied zu allen früheren Berichten, die in den letzten Jahren von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden. Welche Bereiche diesmal in die Kritik geraten sind, dies fragte ich den charge d´affaire der Europäischen Kommission in Prag, Ralf Dreyer:

"Lassen Sie mich zunächst sagen, dass die Tschechische Republik im Allgemeinen große Fortschritte gemacht hat. Drei wesentliche Punkte stehen auf unserer Tagesordnung: Zum einen handelt es sich um die Hygiene in Schlachthäusern und in der Nahrungsmittel verarbeitende Industrie, in der Mehrzahl bei Milchbetrieben. Zum zweiten geht es um die Sicherheit im Straßenverkehr, wo die Richtlinien beim Einhalten der Fahrzeiten für Busfahrer und Ähnliches intensiver kontrolliert werden müssen als es im Augenblick der Fall ist. Dies gilt auch im Fall der Fahrzeuge. Der dritte Punkt ist die gegenseitige Anerkennung der Diplome im Gesundheitssektor. Daneben gibt es noch eine Reihe von Punkten, die einer Erwähnung würdig sind, insbesondere das Problem der Korruption, das ein altes, bekanntes Problem ist, und wo wir erwarten, dass entschiedener dagegen vorgegangen wird."

Die Beseitigung der Mängel in all diesen Bereichen sei vor allem im Interesse der Tschechen selbst, betonte Ralf Dreyer bei der Pressekonferenz in Prag, die im Anschluss an die Bekanntgabe des EU-Berichtes aus Brüssel stattfand. Welche dieser genannten Punkte am gravierendsten sei, hierzu Ralf Dreyer:

"Alle Punkte sind vor dem Beitritt zu regeln."

Sollte beispielsweise die gegenseitige Anerkennung von Diplomen nicht gesichert sein, würden davon vor allem die tschechischen medizinischen Arbeitskräfte betroffen sein, die im Ausland arbeiten wollen. Ähnliches gilt auch für die Sicherheit im Straßenverkehr und bei den Lebensmitteln. Wenn es Tschechien wider Erwarten nicht schaffen sollte, diese Mängel bis zum 1. Mai 2004 zu beseitigen, was würde dann passieren? Dazu noch einmal Ralf Dreyer:

"Das ist eine Frage, die häufig gestellt wird. Ich würde sie aber von einem anderen Standpunkt aus betrachten. Im Wesentlichen wollen wir, dass die Erweiterung ein Erfolg wird. Wir wollen, dass die Bürger der neuen Staaten voll in den Genuss der Vorteile der Europäischen Union kommen. Und dazu sind Sanktionen nur das zweitbeste Mittel. Wir würden am liebsten gar keine Sanktionen aussprechen, und im Augenblick gibt es auch keinen Anlass hierzu."

Und wie reagierte Tschechien auf den Bericht? Das letzte "Urteil" der Europäischen Union ist in Tschechien weitgehend auf Zufriedenheit gestoßen.

"Die von der EU beanstandenden Dinge sind den betroffenen Ministerien bekannt, und wir rechnen damit, dass diese Dinge bis zu Tschechiens EU-Beitritt am 1. Mai 2004 beseitigt werden",

sagte Ministerpräsident Vladimir Spidla. Der Außenminister der Tschechischen Republik Cyril Svoboda ist mit dem Bericht zufrieden:

"Das sind nur drei Bereiche. Wissen Sie, damit gehören wir zu den sehr Guten, aber leider nicht zu den Besten, denn Slowenien ist hier besser. Aber wir gehören mit zur Spitze."

Tschechiens ständiger Vertreter bei der EU, Pavel Telicka, betrachtet die Tatsache, dass Tschechien die EU-Standards für die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen nicht erfüllt, als größtes Problem, sagte er nach der Veröffentlichung des Berichts. "Die Anpassung kommt rechtzeitig", versprach Jana Svecova vom Bildungsministerium in Prag. Verkehrsminister Milan Simonovsky räumte ein, dass Tschechien auch noch nicht die EU-Bestimmungen über das Transportgewerbe erfüllt. "Wir sind aber auf einem guten Weg", sagte Simonovsky. Ein Sprecher des Lebensmittelverbandes gab der EU in ihrer Kritik Recht, dass Tschechien nicht alle Vorschriften der Lebensmittelhygiene einhalte. "Einige Unternehmen haben die Entwicklung verschlafen", sagte er. Von den betroffenen etwa 4000 Firmen hielten bereits rund 1000 die Vorschriften ein; etwa 2500 arbeiteten daran, sagte der Sprecher. Bei den restlichen 500 Unternehmen sei jedoch "mehr als fraglich", ob sie die Umsetzung rechtzeitig schaffen würden.

Nun wollen wir den letzten Jahresbericht, der im Unterschied zu vergangenen Jahren dieses Jahr fast kein Aufsehen erregte, zur Seite legen und kurz noch auf ein anderes Thema eingehen, über das wir in der letzten Sendung berichtet haben. Dies war die Ablehnung der Unterschrift seitens Liechtensteins, Norwegens und Islands unter den Vertrag über die Erweiterung des Europäischen Wirtschaftlichen Raums, die parallel zur EU-Erweiterung am 1. Mai vollzogen werden soll. Grund dazu waren die historischen Schwierigkeiten Liechtensteins mit der Tschechischen Republik und der Slowakei, wie wir schon in der letzten Sendung berichtet haben. Heute, zwei Wochen später, ist bereits alles anders. Am vergangenen Donnerstag wurde bekannt gegeben, dass Liechtenstein doch unterzeichnet. Der liechtensteinische Außenminister Ernst Walch sagte, dass Liechtenstein den Europäischen Wirtschaftsraum nicht gefährden wolle, da es sich um einen guten Vertrag handle. Walch äußerte, dass sein Land trotzdem auch weiterhin darauf bestehen werde, dass Tschechien und die Slowakei die Souveränität seines Landes vorbehaltlos anerkennen. Tschechiens ständiger Vertreter bei der EU, Pavel Telicka, sagte dazu:

"Wir werden gemeinsam mit Liechtenstein ein Bestandteil des Europäischen Wirtschaftlichen Raums sein. Und ich glaube, dass es im Interesse beider Länder ist, dass sie sich gegenseitig anerkennen ohne jegliche vorläufige Bedingungen. Tschechien ist auf diesen Schritt vorbereitet. Beide Staaten sollen dann als Länder, die gegenseitige diplomatische Beziehungen entwickelt haben, über ihre Angelegenheiten debattieren."





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt