Pressestimmen zur Entschuldigung des Tschechischen Fernsehens gegenüber dem Lotterieunternehmen Sazka
Verehrte Hörerinnen und Hörer, wie zum Ausklang jeder Woche, hören Sie auch im folgenden eine weitere Ausgabe von Im Spiegel der Medien. Am Mikrophon sind heute für Sie Martina Schneibergová und Robert Schuster.
Der Grund dafür war eine drei Jahre zurückliegende Reportage-Serie, in der die Reporter von CT über finanzielle Ungereimtheiten bei Sazka berichteten und das Monopolunternehmen dadurch in Bedrängnis brachten. Daraufhin zeigte Sazka das Tschechische Fernsehen wegen übler Nachrede an und versuchte auf dem Gerichtsweg eine Entschuldigung zu erzwingen. Nach einigen Verhandlungen gaben jedoch die Richter diesem Anliegen nicht statt und gaben somit dem Fernsehen indirekt Recht.
Seither war das Verhältnis zwischen dem Fernsehen und dem Lotterieunternehmen mehr als angespannt. Umso überraschender kam dann das jüngste Einlenken des Fernsehgeneraldirektors Jiri Janecek.
Einen Vergleich aus dem Bereich des Sports zieht in diesem Zusammenhang der Kommentator der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny David Machacek heran. Die Hauptthese seines Meinungsartikels ließe sich verknappt dargestellt auf folgenden Punkt bringen: Wenn sich schon der Fernsehchef bei jemandem für angebliche Fehler aus der Vergangenheit entschuldigt, sollte er auch klar sagen, um welche es sich handelte. Das überraschende Arrangement zwischen dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen und dem Lotterie-Unternehmen Sazka erinnere, so Machacek, an eine Situation, in der vor einem Pferderennen der Buchmacher und einer der Reiter dessen Ausgang von vornherein untereinander ausmachen würden:
"Der Jockey in der Gestalt des Fernsehchefs Jiri Janecek hat sich nun vor die Öffentlichkeit gestellt und versucht sie zu überzeugen, er habe mit dem Buchmacher hinter den Kulissen keine Vereinbarung über den Ausgang des Rennens getroffen. Doch das wird ihm kaum jemand abkaufen und zwar schon deshalb nicht, weil die Entschuldigung der Niederlage eines Pferdes gleichkommt, welches bislang bei allen Rennen gesiegt hat."
Die Gründe, warum sich Janecek zu diesem Schritt entschieden hat, seien laut den meisten tschechischen Kommentatoren ziemlich eindeutig. Das Unternehmen Sazka ist nämlich nicht nur einer der größten Auftraggeber für Werbung bei Ceska televize, sondern wird massgeblich auch bei der Vermarktung der diesjährigen Eishockey-WM mitmischen, die in Tschechien stattfinden wird. Nicht zuletzt hat das Unternehmen auch den Bau einer neuen Sporthalle finanziert, in der die wichtigsten Spiele und auch die Finalbegegnung stattfinden.
Dazu meint etwa Martin Komarek in der Mlada fronta Dnes:
"Ein langer Krieg zwischen dem Tschechischen Fernsehen und Sazka ist also zu Ende gegangen. Über die Aufrichtigkeit der Entschuldigung Janeckes kann man zweifeln, denn der Fernsehchef wurde von Sazka buchstäblich an die Wand der noch nicht fertigen Sporthalle gedrückt. Alles ist scheinbar ganz einfach. Nur weil es das Lotterieunternehmen versteht Tonnen von Beton in Bewegung zu setzen, erklärt sich das Fernsehen zu etwas bereit, was es schon längst hätte tun sollen. Nicht jeder, der durch die Medien in Verruf geraten ist, kann mittels einer Grosshalle Druck ausüben."
Handelt es sich also bei dieser Angelegenheit um einen Kniefall eines der größten Medienunternehmens des Landes vor einem gewichtigen Wirtschaftsunternehmen? Darüber unterhielten wir uns im folgenden mit Martin Zverina von der Tageszeitung Lidove noviny:
"Auch wenn die Fernsehleitung zu behaupten versucht, dass dem nicht so sei, stimmen die meisten Beobachter darin überein, dass das Unternehmen dem Fernsehen relativ offen mit Konsequenzen gedroht habe im Zusammenhang mit den geplanten Live-Übertragungen von der Eishockey-WM. Der Fernsehchef wollte wahrscheinlich mit seiner Entscheidung auf Nummer sicher gehen, dass dieses Prestige-Projekt der Weltmeisterschaftsübertragungen glatt über die Bühne geht, denn schließlich hat sich sein Gegenüber von Sazka hören lassen, sein Unternehmen werde für die Übertragungen lediglich zwei Kameras von CT montieren lassen. Ich denke, dass Janecek, der ja selber noch bis vor kurzem aktiv als Journalist arbeitete seine Firma unter ihren Wert verkaufte. Das ergibt vor allem nach außen eine außerordentlich schlechte Optik. Zudem traf Janecek diese Entscheidung ohne vorherige Absprache mit den betroffenen Reportern, die davon aus der Nachrichtenagentur erfuhren."
Kritik rief die Entschuldigung des Fernsehchefs vor allem innerhalb von Ceska televize hervor. Für den Direktor ist das der erste Konflikt mit Teilen seiner Kollegen überhaupt. Dabei ist nicht uninteressant, dass auch einer der Vorgänger des jetzigen Direktors, nämlich Dusan Chmelicek, wegen der besagten Reportagen mit Sazka in Konflikt geriet. Einige Monate später wurde Chmelicek auf Grund von massivem politischem Druck als Fernsehdirektor abberufen. Was dann folgte war der bekannte tschechische Fernsehkrieg.
Droht sich nun das gleiche Szenario zu wiederholen, wenn Janecek gezeigt hat, dass er anfällig ist für derlei Druck?
"Ich befürchte keine neue Welle von öffentlich ausgetragenen Protesten bei der Ceska Televize oder sogar die Wiederkehr von schwarzen Bildschirmen. Ich denke vielmehr, dass diese Entscheidung des Direktors in gewisser Weise die bestehenden Zustände beim Fernsehen wiedergibt. Die einzige Konsequenz davon wird sein, dass das Prestige und öffentliche Ansehen des Senders und vor allem auch dessen Glaubwürdigkeit darunter leiden wird. Leider kann das dazu führen, dass der Einfluss des Fernsehens sich massiv verringert. Das Fernsehen büsst schon seit Jahren an Ansehen ein, was aber sicherlich auch mit dem Modus zur Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder und des Generaldirektors zusammenhängt, indem dort die Politiker immer noch einen allzu starken Einfluss haben und die immer wieder versuchen hineinzureden."
Kann deshalb das Nachgeben von Generaldirektor Janecek als Schwächezeichen gewertet werden und vielleicht auch die Politiker wieder animieren verstärkt Druck auf das Fernsehen auszuüben? Das war unsere abschließende Frage an Martin Zverina von der Lidove noviny.
"Ich denke, dass die eigentlich entscheidende Frage erst im Jahr 2005 gelöst wird, wenn der Vertrag zwischen Sazka und CT hinsichtlich der Übertragung der Lottoziehungen ausläuft. Für das Fernsehen war das bislang stets ein lukratives Geschäft, welches jährlich 100 Millionen Kronen einbrachte. Das Lotterieunternehmen kündigte bereits an, den Vertrag nicht automatisch verlängern zu wollen, sondern will auch den anderen Sendern die Möglichkeit geben sich um die Senderechte zu bemühen. Sazka ist dabei einerseits der faktische Monopolanbieter, zum anderen verfügen Unternehmen dieses Stellenwerts natürlich auch stets über beste Verbindungen in die obersten Politiketagen. Die Politiker könnten dabei Sazka eine Entscheidungshilfe gewähren und dann von den Fernsehstationen eine Art Gegenleistung verlangen. Das heißt in dem aktuellen Fall ist viel Sprengstoff enthalten. Das könnte sich negativ auf das Klima bei CT auswirken und zu einer verstärkten Autozensur führen. Somit würden dann die Leitlinien für journalistische Arbeit von den Redaktionsleitern, nicht aber vom Journalisten-Codex vorgegeben werden."