"Nedelni svet": Neue Sonntagszeitung in Tschechien
In angelsächsischen Staaten sind sie tief im Zeitungswesen verwurzelt, allein Briten lesen elf landesweit verbreitete Sonntagszeitungen. Ebenso wie auf den britischen Inseln gilt auch für die Vereinigten Staaten und Australien: Sonntags werden mehr Zeitungen gekauft als an Werktagen. In Tschechien ist das Sonntagsblatt "Nedelní svet" eine Neuheit. Für die Sendereihe "Im Spiegel der Medien" berichtet Daniel Satra.
Fünf Ausgaben ist es her, dass tschechische Zeitungsleser wieder sonntags nach frischer Information und kurzweiliger Unterhaltung greifen können. Mit "Nedelní svet" - "Welt am Sonntag" hat sich eine Sonntagszeitung mit Anspruch auf Seriosität neben dem Boulevardblatt "Nedelní Blesk"/"Blitz am Sonntag" im Zeitungsregal platziert. Mit 500 000 Stück Auflage bei der ersten Ausgabe preschte der tschechische Mediacop-Verlag auf den tschechischen Sonntagsmarkt. Ein Markt, der den Machern der Straßenverkaufszeitung eine Menge Überzeugungsarbeit und Durchhaltevermögen abverlangen dürfte. Chefredakteur Ondrej Neumann:
"Leider ist die Tradition der Sonntagszeitungen hierzulande nicht besonders stark, beziehungsweise auf Grund der kommunistischen Ära gar nicht vorhanden."
Denn Sonntagszeitungen haben sich ihren Weg über die Kirche ins Zeitungswesen gebahnt, und Kirche sollte 40 Jahre lang nicht den Aufbau des tschechoslowakischen Sozialismus stören. Doch nicht nur die Tradition fehlt, in Tschechien hapert es vor allem am Vertrieb, sagt Blattmacher Neumann:
"Wenn es wenigstens ein einziges Unternehmen in Tschechien gäbe, das in der Lage wäre, schon morgens die Zeitungen ausliefern, dann wären wir froh. Wir werden sehen - vielleicht müssen wir dies als Herausforderung in der Zukunft begreifen."
Eine Herausforderung, die für "Nedelní svet" zum Stolperstein werden könnte, meint Daniel Köppl, Chefredakteur der Zeitschrift "Marketing & Media":
"Der Vertrieb ist in Tschechien eines der größten Probleme. Hier gelten nicht dieselben Regeln, wie zum Beispiel auf dem deutschen Markt. Leser bekommen nicht automatisch eine Zeitung vor 7 Uhr morgens nach Hause geliefert. Für die tschechische 'Welt am Sonntag' kommt hinzu, dass sie sonntags geliefert wird, und für Sonntage gibt es kein Vertriebsnetz, außer das für den 'Blitz am Sonntag'."
Der "Blitz am Sonntag", der auf elf Jahre Erfahrung auf dem tschechischen Zeitungsmarkt zurückblicken kann, hat sich bei einer Auflage von 300 000 eingependelt. Der Neuling hingegen bringt es bisher nur auf 150 000 gedruckte Auflage. Der "Blitz" als Konkurrent? Ondrej Neumann sagt:
"Vor dem Hintergrund, dass 'Blesk' auch sonntags erscheint treffen wir sicherlich auf denselben Markt. Ich sehe 'Blesk' jedoch nicht als unsere Konkurrenz. Denn wir zielen auf eine etwas andere Leserschaft."
Wer die neue Sonntagszeitung zur Hand nimmt, muss Neumann Recht geben: seriös im Auftritt, klares Layout. Zwar viel Farbe, aber Schriftgröße und -type haben mit Boulevard nichts am Hut. Die Themen: Aktuelles für alle, eine extragroße Portion Sport für den Mann und Lifestyle-Themen mit Frauen-Zuschnitt. Die Zielgruppe erkennt sich wieder, sagt Neumann:
"Junge, aktive Menschen, Männer und Frauen, im Alter von 20 bis 50 Jahren. Selbstbewusste Menschen, die einen aktiven Zugang zum Leben haben und offen sind für Impulse von Außen."
Medienbeobachter Köppl aber sagt: Wenn es um Anzeigen geht, ist die Leserschaft zweitrangig:
"In Tschechien, wie auch in Deutschland und anderen Staaten, besteht gegenwärtig Druck bei quantitativen Kennziffern, nicht so sehr bei qualitativen. Das heißt Auflage und Reichweite, beziehungsweise die verkaufte Auflage. Erst an zweiter Stelle zählt die Leserstruktur. Aus dieser Sicht ist 'Nedelni svet' ziemlich schlecht dran, ich glaube nicht dass die Zeitung große Chancen hat."
Und noch mehr Probleme sieht Köppl. Wozu eigentlich ein Sonntagszeitung wie "Nedelní Svet", fragt er sich:
"Warum sollten sich die Menschen diese Zeitung kaufen? Welchen Mehrwert hat sie? Kauft man sich die Zeitung, um bestätigt zu finden, was abends zuvor im Fernsehen lief. Oder um zu erfahren, was man im Fernsehen verpasst hat - in diesen beiden Fällen gibt es also einen klaren Grund. Und wenn man Boulevard kauft, - Spy, oder etwas Ähnliches - dann will man sich unterhalten. Ein ähnliches Argument vermisse ich bei der tschechischen 'Welt am Sonntag'."
Und schließlich habe 1999 schon der Ringier-Verlag versucht dem tschechischen Leser eine Sonntagszeitung schmackhaft zu machen - die "Nedelní noviny" - "Sonntagszeitung". Ohne Erfolg. Kaum ein Jahr später hatte der Schweizer Verlag, dem heute der "Blitz am Sonntag" gehört, das Blatt mit Anspruch wieder vom Markt genommen. "Nedelní svet"-Chefredakteur Neumann ist sich jedoch sicher: Heute, fünf Jahre später, hat sich die tschechische Gesellschaft verändert. Denn: Die Menschen kaufen am Wochenende ein. Auch an Sonntagen, die in Tschechien immer verkaufsoffen sind, drängen sie sich in Einkaufszentren. Und beim Einkauf greifen sie auch zur Zeitung, meint Neumann. "Marketing & Media"-Mann Köppl ist skeptisch:"Nur weil man zum Einkaufen in den Hypermarkt geht, heißt das nicht, dass man auch eine Zeitung kauft - das ist kein Verkaufsargument. Das könnte man genauso für 30 000 weitere Produkte behaupten, die man im Hypermarkt kaufen kann. Doch nur auf Grund des Angebots kauft der Kunde nicht zwangsläufig."
Während Sonntagszeitungen in den 30er und 40er Jahren die Funktion von Tageszeitung, Hörfunk oder Fernsehen übernommen haben, sind sie nach Köppls Ansicht im Zeitalter der Informationstechnologien überflüssig. Zudem haben die Macher von "Nedelní svet" eine falsche Vorstellung von ihrem tschechischen Leser, meint er:
"Die Argumentation gleicht der vom Ringier-Verlag, als dieser 1999 seine 'Sonntagszeitung' ('Nedelní noviny') aufgelegt hat. Demnach gehen die Menschen am Wochenende morgens ins Café oder in die Konditorei auf der Suche nach Ruhe. Dies gilt sicherlich für die Vorstellungen von vielen Redakteuren, also für Menschen, die keine Kinder haben, die kein Familienleben haben, sondern nur ihr eigenes Arbeitsleben. Aber die Mehrzahl der tschechischen Bevölkerung geht nicht am Sonntag zum Zeitungslesen ins Café."
Die "Nedelni svet" ist neben der Wochenzeitschrift "Týden" und dem Magazin "Instinkt" das dritte Produkt aus dem Hause Mediacop. Bisher fehlt dem Verlag eine Tageszeitung. Nur mit einer Tageszeitung könne er jedoch Werbekunden ködern, meint Köppl. Daher vermutet er, dass die Sonntagszeitung nur Vorbote ist: Ziel sei es, den Markt zu testen und eine neue Tageszeitung nachzulegen.