Tschechische Medienstimmen zur Direktwahl des Präsidenten und zur Rücktrittsdrohung des Sozialministers
Die nun folgende Ausgabe der Sendereihe "Im Spiegel der Medien" beschäftigt sich zunächst mit diversen Pressereaktionen auf das erneute Aufgreifen eines politischen Dauerbrenners - nämlich der möglichen Direktwahl des tschechischern Präsidenten. Und später gibt es dann noch einige Stimmen zu einer Rücktrittsdrohung, mit der Sozialminister Skromach jüngst aufhorchen ließ. Mehr gleich von Robert Schuster:
Nicht zuletzt seit dem mehrwöchigen Tauziehen um die Nachfolge Vaclav Havels vor einem Jahr, als es erst im dritten Anlauf gelang, ein neues Staatsoberhaupt zu wählen, wird eine mögliche Einführung der Präsidenten-Volkswahl überlegt. Die maßgeblichen tschechischen Parteien finden sich in dieser Frage ausnahmsweise auf einer Linie mit der Mehrheit der Bevölkerung, die sich seit langem eine Beteiligung an der Wahl ihres Präsidenten wünscht.
Wie aber bei vielen anderen Fragen, steckt auch hier der Teufel im Detail - sprich im Wahlmodus, der in diesem konkreten Fall angewandt werden sollte. Während die Regierungsparteien ein Modell favorisieren, wonach in der ersten Runde die absolute und im Fall einer Stichwahl die relative Mehrheit ausreichen würde, spricht sich die Opposition für das französische Modell aus, wonach nicht automatisch die beiden stimmenstärksten Kandidaten in die Stichwahl einziehen würden, sondern alle Bewerber, die im ersten Durchgang eine Mindestanzahl an Stimmen erhielten. Die Motive für diese unterschiedlichen Überlegungen sind, was nicht überraschend ist, rein utilitaristisch und haben das Ziel, die Chancen der eigenen Kandidaten künftig auch mit Hilfe von entsprechend festgelegten Wahlregeln abzusichern.
Dazu fanden wir einen Kommentar in der Tageszeitung Mlada fronta Dnes, der von Karel Steigerwald verfasst wurde:
"Die Art und Weise, wie der Präsident künftig gewählt werden soll, gehört zu den beliebtesten politischen Themen in Tschechien. Das erkennt man nicht zuletzt auch daran, dass sich die Politiker an diesen Spekulationen immer sehr gerne beteiligen. Die Meinungen der Parteien in dieser Frage gehen mit der Zeit, schwanken stark und sind nicht frei von augenblicklichen Kalkülen darüber, was der einen oder anderen Partei gerade besser entgegenkommen würde. Die Mehrheit der Bevölkerung will eine Direktwahl, und das ist schon alleine ein gewichtiges Argument. Die Politiker wähnen sich dabei in einer bequemen Situation, weil sie etwas ändern können, ohne sich vor den Folgen fürchten zu müssen. Denn das Amt des Präsidenten ist hierzulande so definiert, dass eine Direktwahl kein Risiko für das politische System darstellen würde."
Mit dem Vorwurf, die Einführung einer Direktwahl des Präsidenten wäre in erster Linie eine populistische Maßnahme, setzte sich Pavel Masa in der Tageszeitung Lidove noviny auseinander, als er unter anderem schrieb:
"Die Direktwahl des Präsidenten ist in den Augen der Einen ein gutes Mittel, um die Bürger in eine wichtige politische Entscheidung mit einzubeziehen und gleichzeitig den Einfluss der Parteien und ihres Geschachers zu verringern. Die Anderen bezeichnen solche Versuche als etwas Populistisches. Das stimmt aber nur zum Teil, weil die Idee, eine Direktwahl des Präsidenten einzuführen, durch das lange Tauziehen bei der parlamentarischen Wahl des Staatsoberhauptes vor einem Jahr motiviert ist, das damals nicht nur von den Bürgern, sondern auch von vielen Politikern als etwas Unwürdiges angesehen wurde. Weitaus populistischer war aber, als die Parteien ihre einstige Forderungen nach einer Direktwahl allmählich aufs Eis legen wollten, sich aber aus Angst vor der Reaktion ihrer Wähler nicht trauten, das auch offen einzugestehen."Nun kommen wir in unserem heutigen Medienrückblick zu einem anderen Thema. Der einflussreiche sozialdemokratische Arbeits- und Sozialminister Zdenek Skromach ließ vergangene Woche aufhorchen, als er ohne jede Vorwarnung öffentlich seinen Rücktritt für den Fall ankündigte, dass es ihm im Kabinett nicht gelingen würde, die Erhöhung der Renten und des Kindergelds durchzusetzen. Begründet hat der Minister seinen Vorstoß damit, dass seinen Worten zufolge Rentner und junge Mütter mit Kindern bestimmt nicht auf die Straße gehen und für ihre Anliegen demonstrieren würden.
Fast ohne Ausnahme alle Kommentare zu diesem Thema übten Kritik am Minister und dessen Versuch, die übrigen Regierungsmitglieder auf diese Weise öffentlich unter Druck setzen zu wollen. Einige Journalisten wiesen in diesem Zusammenhang auch auf die Kandidatur Skromachs für den Senat, also der zweiten Parlamentskammer, hin und sahen darin in erster Linie einen Versuch des Politikers, auf diese Weise auf Stimmenfang zu gehen.
Einen grundsätzlichen Blick auf den Vorstoß des Sozialministers unternahm zum Beispiel Patricie Polanska in der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny. Ihrer Meinung nach reiht sich diese Initiative nahtlos an alle vorhergehenden an, welche die gegenwärtige Mitte-Links-Regierung im Bereich der Sozialpolitik setzte, und die in vielen Fällen lediglich nicht aufeinander abgestimmte Einzelmaßnahmen blieben. Zitat:
"Und wieder einmal hat irgendein Minister beschlossen, dass es höchste Zeit ist, auf sich aufmerksam zu machen. Wie macht man das am besten? Vielleicht so, dass man vorgibt dafür zu kämpfen, dass die Bürger mehr Geld vom Staat bekommen. Minister Skromach würde aber den Familien und Rentnern weitaus mehr helfen, hätte er als zuständiger Minister schon längst dafür gesorgt, dass die jeweiligen Sozialleistungen automatisch und transparent an die messbaren wirtschaftlichen Indikatoren gekoppelt würden. Das genaue Gegenteil ist aber geschehen. Von diesem Blickpunkt aus gesehen hätte Skromachs Rücktritt schon längst auf dem Tisch liegen sollen."
Eine etwas weniger ernst gemeinte Bewertung fand sich zu diesem Thema in einem Kommentar von Petr Zizka, aus dem wir Ihnen abschließend einige Passagen näher bringen wollen. Der folgende Beitrag ist in der auflagenstarken Zeitung Mlada fronta Dnes erschienen:
"Das Volk trauert. Einer der beliebtesten Minister dieses exzellenten Regierungsteams hat gedroht, er wolle zurücktreten, sollte er nicht die Möglichkeit bekommen, seine groß angelegten Pläne und Ideen zu verwirklichen. Das ist eine faire und ehrliche Einstellung, und jeder Spitzenmanager eines privaten Unternehmens in einer vergleichbaren Lage, müsste seinen Chef, also den Generaldirektor, vor die gleiche Wahl stellen: entweder ich setze mich mit meinen Forderungen durch, oder ich gehe. Aber jetzt im Ernst: Der Herr Minister würde sich wahrscheinlich wirklich wundern, wenn ihm sein Spiel nicht gelingen und die Regierung die Anhebung der Renten und der Familienförderungen ablehnen würde - und er dann tatsächlich seinen Hut nehmen müsste."