„Reinigung des Systems“ - Politologe Schuster über Ermittlungen gegen Politiker

Vlasta Parkanová

Nach David Rath steht mit der stellvertretenden Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses, Vlasta Parkanová, eine weitere hochrangige Politikerin im Visier der polizeilichen Ermittler. Parkanová, die frühere Verteidigungsministerin war, werden schwere Versäumnisse bei der Anschaffung von militärischen Transportflugzeugen vorgeworfen. Dies soll dem Staat beträchtliche Mehrkosten verursacht haben. Als die Polizei die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von Parkanová beantragte, sorgte das insbesondere bei den Parteikollegen der Politikerin für harsche Kritik. Ein Regierungsmitglied könne doch nicht, so der Tenor, für etwas verantwortlich gemacht werden, was die Regierung als Ganzes beschlossen hat. Nun hat sich noch Finanzminister Miroslav Kalousek geäußert. Dazu Radio-Prag-Mitarbeiter und Politikwissenschaftler Robert Schuster im Interview.

Vlasta Parkanová
Robert, es ist auffallend, dass sich ausgerechnet Finanzminister Kalousek so für Parkanová einsetzt. Zunächst ließ er eine spezielle Videobotschaft für die Öffentlichkeit produzieren, nun legte er am Sonntag im Fernsehen noch eins nach. Er sagte, es gebe Anzeichen dafür, dass sich Tschechien in einen Polizeistaat verwandle. Gibt es eine Erklärung für diese starken Worte?

„Einerseits spielen da sicherlich persönliche Beziehungen eine Rolle, denn Vlasta Parkanová gilt als enge politische Vertraute von Miroslav Kalousek. Beide waren vor Jahren Mitglieder der christdemokratischen Partei KDU-ČSL, haben diese aber dann verlassen und die Partei Top 09 gegründet. Beide gehören also zu den Politikern der ersten Stunde dieser neuen Partei, und das mag sicherlich eine Rolle gespielt haben. Aber auf der anderen Seite ist etwas fraglich dabei, denn Miroslav Kalousek engagiert sich sehr stark gerade in Rüstungsgeschäften. Er war fünf Jahre stellvertretender Verteidigungsminister und ebenso für die Rüstungsgeschäfte zuständig. Gerade aus dieser Zeit ist bekannt, dass Tschechien einige zwielichtige Geschäfte abgeschlossen hat, die nicht besonders positiv für das Land waren. Bei diesen Geschäften wurden zum Beispiel schadhafte Ausrüstung oder überteuerte Geräte beschafft. Natürlich konnte man Kalousek nie eine Absicht nachweisen oder dass Korruption im Spiel war. Aber nachdem er sich wieder in einem Rüstungsgeschäft massiv engagiert hat, riskiert er, die alten Zweifel erneut zu nähren. Aus dem Fall Parkanová könnte dann ein Fall Kalousek werden.“

Foto: Archiv der Polizei der Tschechischen Republik
Tatsache ist, dass die Polizei in den letzten Wochen eine Reihe von Politikern ins Visier genommen hat, und zwar quer durch das Parteienspektrum. Kann am Vorwurf, den Kalousek gegenüber den Ermittlern der Polizei erhebt, etwas dran sein?

„Theoretisch natürlich schon, denn man kann nicht in die Köpfe der Polizisten sehen. Doch haben gerade die Polizisten aus dieser Anti-Korruptionseinheit in den letzten Wochen gezeigt, dass sie sehr effizient arbeiten und wirklich auch den Sachen konsequent nachgehen. Als ihnen Parteilichkeit gegen Politiker der Oppositionsparteien vorgeworfen wurde, haben sie gezeigt, dass an dem Vorwurf nichts dran ist. Gerade der Fall Parkanová zeigt, wie komplex die Materie ist und dies nicht persönlich gegen die frühere Verteidigungsministerin gerichtet ist. Es geht darum, wie in Tschechien große Rüstungsgeschäfte abgeschlossen werden und ob das alles so abläuft, dass es für das Land nicht zu einer überteuerten Angelegenheit wird. Dieser Ansatz der Polizei ist positiv und zu begrüßen.“

Was bleibt von diesen ganzen Fällen, bei denen führende Politiker ins Visier der Polizei und Justiz geraten sind, in der politischen Kultur des Landes hängen?

„Auf den ersten Blick wird das natürlich dazu führen, dass der Frust der Wähler über die Politiker noch weiter ansteigt. Die Politikverdrossenheit wird sicherlich anwachsen. Auf der anderen Seite werden aber einige Bürger auch das Gefühl bekommen, dass in diesem Land den Politikern nicht alles erlaubt ist und auch Politiker sich an geltende Gesetze halten müssen. Ich denke, mittelfristig könnten diese Affären, auch wenn sie noch so schmutzig und unangenehm sind, eine Art Reinigungsprozess in unserem politischen System verursachen. Im Grunde genommen würde ich das als etwas Positives betrachten.“