Presseschau zur Regierungskrise und der Europareise von George Bush

George Bush in Bratislava (Foto: CTK)
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Sehr viel ist in den vergangenen Tagen über die Regierungskrise gesprochen und geschrieben worden. Auch unsere Sendereihe "Im Spiegel der Medien" widmet sich diesem Thema. Oliver Engelhardt hat für Sie einige Kommentare aus den tschechischen Zeitungen ausgewählt. Im zweiten Teil des Beitrages erwartet Sie ein außenpolitisches Thema: Reaktionen der tschechischen Medien auf die Europareise des US-Präsidenten George Bush.

Präsident Vaclav Kalousek und KDU-CSL-Chef Miroslav Kalousek  (Foto: CTK)
In der Regierungskrise und dem Streit der politischen Parteien ist der eigentliche Auslöser längst in den Hintergrund gerückt. Die ungeklärte Finanzierung der Privatwohnung des Premierministers und unsaubere Geschäfte seiner Ehefrau. Regierungschef Stanislav Gross von der sozialdemokratischen Partei CSSD wird von Miroslav Kalousek, dem Chef der christdemokratische Koalitionspartei KDU-CSL wiederholt aufgefordert, zurückzutreten. Die gespannte Situation hätte sich am vergangenen Mittwoch bei den Krisengesprächen der Koalitionsparteien entschärfen lassen. Auf der Tagesordnung stand die Frage, ob der Streit bis zum Parteitag der Sozialdemokraten am 23. März beigelegt werden kann. Aber Gross und Kalousek konnten sich nicht auf diesen Kompromiss einigen und so blieben die Positionen unverändert. Die Wirtschaftszeitung Hospodarské noviny schreibt am Tag danach unter dem Titel "Kalousek riskiert viel" folgendes:

"Nach einer Woche Tauziehen der Regierungsparteien mit starken Worten sollte gestern der Moment eintreten, wo wieder zur Tagesordnung zurückgekehrt wird. Er ist nicht eingetreten. Die Möglichkeit, einen unschönen, aber hinsichtlich der Verhältnisse relativ erträglichen Kompromiss einzugehen, vereitelte ein weiterer sonderbarer Zug der Christdemokraten. In der gegebenen Situation wäre ein hinausgezögerter Zerfall der Koalition eine relativ erträgliche Lösung gewesen. Die Sozialdemokraten hätten bei ihrem Parteitag entscheiden können, ob sie den Ruf ihrer Partei weiterhin mit Gross in Verbindung gebracht haben wollen. Die Christdemokraten hätten dann entscheiden können, ob sie weiter mit einer Partei regieren werden, deren zweifelhafter Vorsitzende das Vertrauen der Partei besitzt. Jetzt aber riskieren die Christdemokraten den Rausschmiss aus der Regierung."

Die Krise wird in manchen Medien dazu genutzt, einen Rückblick auf die bisherigen Monate dieser Regierung zu werfen. Da wird etwa an die Plakate erinnert, auf denen im Sommer letzten Jahres das Konterfei von Stanislav Gross mit den Worten "Myslím to uprímne" (Ich meine es aufrichtig) um Vertrauen warb. Der Erfolg war, dass viele diesem Premierminister von Anfang an mit Misstrauen begegnet sind. Der Publizist Alexander Tomský knüpft in der rechtskonservativen Tageszeitung Lidové noviny an dieser Erinnerung an und bringt seine Meinung zur aktuellen Regierungskrise sehr pointiert zum Ausdruck:

"Alles begann doch mit der erbärmlichen Werbekampagne für einen jungen, aufrichtigen Premierminister. Einen größeren Fehler kann man sich nicht vorstellen. Aufrichtigkeit gehört größtenteils nicht in die Politik. Heilige Lügen und Halbwahrheiten gehören zur Tagesordnung. Politik ist ja auch ein Spiel um Programm und Positionen. Die Wähler konnten so einen "Jungen vom Plakat" instinktiv nicht akzeptieren. Und als es in diesem Spiel dann um die Wahrheit ging, wurde die ganze Affäre deshalb so peinlich; statt entwaffnender Aufrichtigkeit nur dumme Ausreden. Natürlich darf eine Politikerfamilie unternehmerisch tätig sein, aber nicht mit schmutzigem Geld oder gar mit staatlichen Aufträgen. Die Christdemokratische Partei ist bei uns eine Partei mit einem festen Wählerstamm und einer Tradition moralischer Werte. Sie spielt scheinbar die gleichen parlamentarischen Spielchen um Positionen und Einfluss wie die anderen Parteien, aber von Zeit zu Zeit, besonders in der politischen Krise, stößt sie auf unüberwindliche Barrieren in der öffentlichen moralischen Meinung, die eigentlich ihr ideelles Programm ist. Und weil sie ihre Wählerschaft sicher hat, schreckt sie der Zerfall einer Koalition nicht. Sie geht dann eben die andere Koalition ein. Deswegen spielt der Chef der Christdemokraten für uns, für die Mehrheit, die keinen diskreditierten Premierminister will. Das ist nicht persönlich. Er kann nicht anders. Den Sturz des Premierministers hält auch der Präsident nicht mehr auf."

Hier wird eine ziemlich moralische Position mit dem Plädoyer für die christdemokratische Partei verbunden. Aber auch ohne eine solche parteiliche Aussage fällt auf, dass die moralische Kategorie eine Rolle spielt. Der renommierte Politologe Jirí Pehe meldete sich gleich mehrmals in verschiedenen tschechischen Medien zu Wort. In der aktuellen Ausgabe der Literaturzeitung Literární noviny erscheint auf der Titelseite ein Kommentar von ihm. Er würde am liebsten das Rad der Ereignisse zurückdrehen und wünscht sich Vladimir Spidla, den Vorgänger von Gross im Amt des Regierungschefs, in diese Position zurück.

"So kompliziert die Affäre um die Wohnung von Stanislav Gross auch ist und obwohl so viel Nebenschauplätze dabei eröffnet wurden, liegt eine einfache Tatsache klar zu Tage: in der tschechischen Politik kommen anständige Leute nicht bis zur höchsten Ebene. Dass wird offensichtlich, wenn wir uns verdeutlichen, wer hier Stanislav Gross zum Rücktritt auffordert. Wenn Leute wie die aktuellen Parteichefs der Bürgerdemokraten und der Christdemokraten in die Position einer moralischen Autoritäten kommen, bedeutet das, dass die tschechische Politik nach dem Ende ihrer Entwicklungsphase ab 1989, in der sie anständige Leute wie Vladimír Spidla und Václav Havel verloren hat, sich jetzt in einer Phase befindet, in der sie sich langsam selbst auffrisst. Václav Klaus und Milos Zeman sind zwar voll verantwortlich für den heutigen politischen Morast, aber außer dass sie hervorragende Machtstrategen waren, hatten sie auch eine eigene politische Agenda in Form eines geschlossenen Ideenkomplexes. Leute wie Gross haben gar nichts mehr. Ihre politischen Spitzeleien und Intrigen, ihr Lebensziel, alles zielt nur auf irgendeine Wohnung mit einem eigenen drei mal vier Meter großen Schwimmbad. Noch interessanter als die Gegner von Gross aus den anderen Parteien und den rechtsgerichteten Medien sind die Genossen aus Gross' eigener Partei. Für die ist es offensichtlich leichter sich um diesen, finsterer finanzieller Machenschaften verdächtigen Machttechnologen zu scharen, als damals um Vladimír Spidla"


US-Präsident George Bush und der tschechische Präsident,  Vaclav Klaus  (Foto: CTK)
Die tschechische Regierungskrise war in den tschechischen Medien so präsent, dass selbst ein so wichtiges Ereignis wie die Europareise des US-Präsidenten George Bush in den Hintergrund zu rücken drohte. Ein Grund dafür mag sein, dass Bush nicht die Tschechische Republik besuchte, aber beim Treffen mit den Staats- und Regierungschefs der NATO und der EU in Brüssel waren sowohl Premierminister Stanislav Gross als auch Staatspräsident Václav Klaus beteiligt. Letzterer bemüht sich seit einiger Zeit um ein Treffen mit Bush, welcher darauf bislang wegen der kritischen Haltung von Klaus zum Irak-Krieg nicht nicht eingegangen ist. In Brüssel kam es immerhin zum Small-Talk. Ganz anders das Verhältnis zur slowakischen politischen Elite, der Bush mit seinem Besuch in Bratislava die Ehre erweist. Am Donnerstag fasste die Tageszeitung Lidové noviny den Besuch von George Bush in Europa folgendermaßen zusammen:

"Seine Europatournee verband George Bush von Anfang an mit dem Wort 'Versöhnung'. Der Gegner des amerikanischen Irak-Kriegs, der französische Präsident Chirac, spricht bislang nur von einem 'Gefühl', dass zwischen beiden Seiten des Atlantik eine 'Partnerschaft' herrscht. Das ist ziemlich wenig für zwei Großmächte, die in nicht ferner Vergangenheit enge Verbündeten in zwei historisch bedeutsamen Konflikten waren: dem zweiten Weltkrieg und dem Kalten Krieg. Die Angelegenheiten, in denen Europäer und Amerikaner andere Ansichten haben, ergäbe eine lange Liste: Iran, China, Israel, Umweltschutz und so weiter. Gleichklang gibt es nur auf der Ebene ganz allgemeiner Erklärungen, wie etwa, dass sich Europa und die USA 'gegenseitig brauchen'. Aber auch so ist die Reise von Bush ein Gewinn. Dadurch, dass die Amerikaner nach ihren lauten Belehrungen nun einen gemäßigten Ton anschlagen, geben sie uns die Gelegenheit, uns unsere 'Gefühle' neu klar zu machen. Bush, so scheint es, hat die Tatsache der Existenz eines vereinigten Europa akzeptiert. Wäre es nicht an der Zeit, dass auch wir Europäer das Warten auf den Augenblick, da aus den Tiefen der Geschichte wieder ein altes gutes Bush-freies Amerika auftaucht?"

US-Präsident George Bush  (Foto: CTK)
Eines der fraglichen Themen zwischen Europäer und den USA sind - wir haben es gehört - die Beziehungen zu China. Die EU erwägt das Waffen-Embargo gegen das fernöstliche Großreich aufzuheben, was auf entschiedene Ablehnung der Amerikaner stößt. Diesem Thema widmet sich die Tageszeitung Mladá fronta DNES:

"Die Vorstellung der europäischen Politiker, dass nach einem entgegenkommenden Schritt eine offene Umarmung aus China kommen wird, ist falsch. China ist heute so selbstbewusst und einflussreich, dass es auf ausländischen Druck auf Änderungen im Bereich der Menschenrechte und der demokratischen Freiheiten nicht reagieren muss. In dieser Richtung ist die Aufhebung des Embargos gegenstandslos. Die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice sagte vor kurzem in Anspielung auf das Embargo: 'in der amerikanischen Außenpolitik darf ein moralischer Inhalt nicht fehlen. Die Europäer lachen darüber, aber wir sind keine Europäer, wir sind Amerikaner und haben andere Prinzipien.' Nur wenige Stunden später versuchte der chinesische Rundfunk für das Ausland in einem Kommentar den Streit zuzuspitzen: 'Dieser amerikanische Eingriff in Fragen, die ausschließlich zu bilateralen Beziehungen gehören, ist grundlos.' Die Europäische Union wird mit fast hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit das Waffenembargo gegen China aufheben. Ihre Beziehungen zu der asiatischen Großmacht, die außerdem ziemlich gut sind, wird das kaum ändern. Die Beziehungen zu den USA erhalten jedoch einen neuen Stoß."