Vom Zweck der Kühe

Foto: Jana Sustova

In unserem nun folgenden Feuilleton geht es einmal mehr um die Prager CowParade, also um die Dutzenden Kuhfiguren, die im Sommer die tschechische Hauptstadt bevölkerten und diese Woche versteigert wurden. Gerald Schubert über den "Zweck der Kühe":

Foto: Jana Sustova
Auch in Prag hieß sie offiziell CowParade, die Kuhparade, die 1996 in Zürich ins Leben gerufen wurde und seither 18 Großstädte auf der ganzen Welt heimgesucht hat. Das Prinzip ist schnell erklärt: Ein paar Monate lang, meist in der warmen Jahreszeit, stehen, sitzen und liegen Dutzende von Kuhskulpturen im öffentlichen Raum herum, von Künstlerinnen und Künstlern meist farbenfroh bemalt. Aus der Stadt soll dadurch so etwas wie ein Freilichtmuseum werden, meinen die Veranstalter. Warum Kühe? Auf der CowParade-Website steht geschrieben: "Kein anderes Tier kann komplett in etwas anderes verwandelt werden, und dabei dennoch seine Identität bewahren." Man lese und staune. Außerdem: Die Kuh sei niemals bedrohlich, ganz im Gegenteil, sie ernähre uns. Sie gebe Milch, und diese Milch, so heißt es, sei die Grundlage für die Eiscreme, die wir als Kinder so geliebt haben.

Wenn die Kühe ausgedient haben, dann werden sie ihrer letzten Bestimmung zugeführt: Sie werden versteigert, das Geld kommt karitativen Organisationen zugute. So geschehen in Prag am Mittwochabend. Die ertragreichste Kuh trug den Namen "Freiheit für Kühe" und war von Expräsident Václav Havel bemalt worden. Für 900.000 Kronen, immerhin fast 30.000 Euro, kam sie letztlich unter den Hammer. Insgesamt wurden mehr als viereinhalb Millionen Kronen aus den Kühen gemolken, für unbestritten wohltätige Zwecke.

Doch der Mensch lebt nicht von Milch und Fleisch allein. Spiele braucht er bekanntlich ebenso. Und wenn im öffentlichen Raum mit Symbolen gespielt wird, dann ist natürlich auch die Politik nicht mehr fern. Die "Kuh Nummer 23" ereilte aus diesem Grund ein besonderes Schicksal: Aufgestellt wurde sie zunächst an dem Platz, an dem während der Zeit des kommunistischen Regimes ein sowjetischer Panzer an die Befreiung vom Nationalsozialismus erinnerte. Nach der Wende des Jahres 1989 wurde dieser Panzer von irgendjemandem rosa angemalt, sein Bild ging damals um die Welt. Später wanderte er ins Prager Heeresmuseum.

Auf der Kuh, die nun an seiner Stelle weidete, leuchtete ein großer roter Stern. Der Künstler, der sie gestaltet hat, sein Name ist Roman Týc, hat mittlerweile verraten, dass er seine Kuh später ebenfalls in einer Nacht-und-Nebel-Aktion rosa bemalen wollte. Die Geschichte kam ihm jedoch zuvor: Drei Studenten beschädigten die Kuh. Offensichtlich fiel sie aber nicht, wie viele ihrer Prager Artgenossen, einem simplen Vandalenakt betrunkener Draufgänger zum Opfer. Nein, um eine politische Tat soll es sich gehandelt haben. Die drei Studenten fanden angeblich, dass der sowjetische Panzer, der dort gar nicht mehr steht, und mit ihm die Befreiung von den Nazis, durch die "Kuh Nummer 23" der Lächerlichkeit preisgegeben wurde. Zwei Abgeordnete des tschechischen Parlaments fanden das auch und kauften die Kuh im September kurzerhand weg aus dem öffentlichen Raum. Sie soll nun repariert und in einem Kinderheim als Spiel- und Kletterkuh zum Einsatz kommen. Der Zweckwandel der "Kuh Nummer 23" ist radikal: Zuerst war sie ein Symbol für ein ehemaliges Symbol, dessen symbolische Beschädigung gegen die zweideutige Symbolik jenes historischen Symbolismus protestieren wollte. Nun ist sie zum hoffentlich praktikablen Spielzeug geworden.

Eine Kuh mit dem Namen Cibulová, also die "Zwiebelkuh", ist übrigens einfach verschwunden. "Wahrscheinlich schmückt sie nun den Garten irgendeines Wochenendhauses", sagte der Moderator des Kuhversteigerungsabends. Auch das wäre ein Zweck.