Vom Zweck der Kühe
In unserem nun folgenden Feuilleton geht es einmal mehr um die Prager CowParade, also um die Dutzenden Kuhfiguren, die im Sommer die tschechische Hauptstadt bevölkerten und diese Woche versteigert wurden. Gerald Schubert über den "Zweck der Kühe":
Doch der Mensch lebt nicht von Milch und Fleisch allein. Spiele braucht er bekanntlich ebenso. Und wenn im öffentlichen Raum mit Symbolen gespielt wird, dann ist natürlich auch die Politik nicht mehr fern. Die "Kuh Nummer 23" ereilte aus diesem Grund ein besonderes Schicksal: Aufgestellt wurde sie zunächst an dem Platz, an dem während der Zeit des kommunistischen Regimes ein sowjetischer Panzer an die Befreiung vom Nationalsozialismus erinnerte. Nach der Wende des Jahres 1989 wurde dieser Panzer von irgendjemandem rosa angemalt, sein Bild ging damals um die Welt. Später wanderte er ins Prager Heeresmuseum.
Auf der Kuh, die nun an seiner Stelle weidete, leuchtete ein großer roter Stern. Der Künstler, der sie gestaltet hat, sein Name ist Roman Týc, hat mittlerweile verraten, dass er seine Kuh später ebenfalls in einer Nacht-und-Nebel-Aktion rosa bemalen wollte. Die Geschichte kam ihm jedoch zuvor: Drei Studenten beschädigten die Kuh. Offensichtlich fiel sie aber nicht, wie viele ihrer Prager Artgenossen, einem simplen Vandalenakt betrunkener Draufgänger zum Opfer. Nein, um eine politische Tat soll es sich gehandelt haben. Die drei Studenten fanden angeblich, dass der sowjetische Panzer, der dort gar nicht mehr steht, und mit ihm die Befreiung von den Nazis, durch die "Kuh Nummer 23" der Lächerlichkeit preisgegeben wurde. Zwei Abgeordnete des tschechischen Parlaments fanden das auch und kauften die Kuh im September kurzerhand weg aus dem öffentlichen Raum. Sie soll nun repariert und in einem Kinderheim als Spiel- und Kletterkuh zum Einsatz kommen. Der Zweckwandel der "Kuh Nummer 23" ist radikal: Zuerst war sie ein Symbol für ein ehemaliges Symbol, dessen symbolische Beschädigung gegen die zweideutige Symbolik jenes historischen Symbolismus protestieren wollte. Nun ist sie zum hoffentlich praktikablen Spielzeug geworden.
Eine Kuh mit dem Namen Cibulová, also die "Zwiebelkuh", ist übrigens einfach verschwunden. "Wahrscheinlich schmückt sie nun den Garten irgendeines Wochenendhauses", sagte der Moderator des Kuhversteigerungsabends. Auch das wäre ein Zweck.